Alle Beiträge von Almut Otto

PLASTIKMÜLL: START-UP CIRPLUS SCHLIESST KUNSTSTOFF-KREISLAUF

Die Freiheit des Segelns genießen und Alltagssorgen vergessen – es könnte so schön sein. Wenn einen nicht die nackte Wahrheit sogar auf hoher See einholen würde: Als Cirplus Gründer Christian Schiller vor der Küste Kolumbiens in See stach, traf ihn der Schock: Statt die frische Brise eines kristallklaren Ozeanes genießen zu können, fand er sich in einem unappetitlichen Teppich aus Plastikmüll wieder. Das war genau der Moment, als ihm klar wurde, dass er seine Zukunft dem Kampf gegen die Plastikflut widmen wird.

Zuhause angekommen, begann der Berliner sich mit dem Thema „Circular Economy“, also der Kreislaufwirtschaft, zu beschäftigen. Und Schiller war sich sicher:

Was einen Wert hat, das wird nicht weggeworfen.“

©cirplus/AdobeStock

EINFACHER UND EFFIZIENTER HANDEL MIT REZYKLATEN

Ein halbes Jahr nach dem Erlebnis in Kolumbien war schließlich die Idee zu Cirplus geboren – einer digitalen Handelsplattform für Altplastik. Gemeinsam mit dem Blockchain Experten Volkan Bilici, der zudem Erfahrung in der Kunststoffindustrie mitbringt, gründete Schiller Ende 2018 das Start-up Cirplus. Im April 2019 ging ihre nachhaltige, digitale Plattform auch schon online. Diese soll den Handel mit recycelten Kunststoffen, also Rezyklaten, so effizient und einfach wie möglich gestalten. Auf der Plattform können sich Kunststoffverarbeiter und Recycling-Unternehmen direkt vernetzen und so den Kreislauf zwischen der Herstellung, Recycling und Wiederverwendung von Plastik schließen. Gehandelt werden – von Ballenware bis zum Regranulat bzw. Rezyklat – alle Formen von recyceltem Plastik. Durch den direkten Vergleich von Angeboten sparen Käufer Zeit und Geld, während Verkäufer neue Absatzmärkte im In- und Ausland erschließen können. Denn Cirplus richtet sich derzeit an Interessenten aus ganz Europa. Zudem sind die Anbieter durch die Plattform in der Lage, Preise, Mengen und Qualitäten ihrer Materialien exakt auf die Nachfrage abzustimmen.

Founder Volkan Bilici & Christian Schiller ©cirplus

DANK „VERPACKG“: ALTPLASTIK WIRD ZUM GESCHÄFTSMODELL

Bestärkt in ihrem Vorhaben werden die Gründer unter anderem durch das neue Verpackungsgesetz VerpackG, das seit dem 1.1.2019 in Kraft ist. Neben dem schon bekannten Prinzip der Produktverantwortung sind nun auch neue Produktarten mit aufgenommen. Zudem werden die Verantwortlichen mehr in die Pflicht genommen. Denn die Verordnung verlangt für Kunststoffe aus Verpackungsabfällen eine Recyclingquote von 58,5 Prozent, statt wie bisher 36 Prozent. Ab 2021 sollen sogar 63 Prozent recycelt werden. Das macht ein Umdenken und auch den Wandel der Supply Chain erforderlich. Zudem soll mit dem Gesetz der Einsatz von Altplastik automatisch zu einem lukrativen und boomenden Markt werden.

DIGITALISIERUNG DER BRANCHE NOCH IN DEN ANFÄNGEN

Und offensichtlich scheint die Rechnung aufzugehen: Noch bevor die Plattform gelauncht wurde, hatten sich schon 43 Unternehmen, darunter auch Branchenriesen, auf die Warteliste von cirplus setzen lassen. Mittlerweile wurden sogar schon die ersten Transaktionen vermittelt.

…In Zukunft werden wir die gesamte Transaktion digital abbilden: vom Suchen und Matching, über die Logistik- und Zahlungsabwicklung, intelligente Preis- und Mengenanalyse bis hin zur Integration von Blockchainanwendungen“, erklärt Schiller. „So erreichen wir das übergeordnete Ziel, Produktkreisläufe zu 100% zu schließen.“

Und genau hier kommt Software-Entwickler und Blockchain-Experte Bilici ins Spiel: Dank seiner Expertise und eines ausgeklügelten Algorithmus werden die Matchingprozesse für Käufer und Verkäufer auf cirplus automatisiert und effizienter. Eine Punktlandung, wenn man bedenkt, dass die Digitalisierung dieser Branche noch ganz am Anfang steht.

Schiller nennt – auch wenn das Sourcing bis dato noch nicht über cirplus lief – zwei Vorzeigebeispiele: So sind die Frosch-Flaschen der Firma Werner & Mertz sowie die Wasserflaschen der Firma Vöslauer beide jeweils zu 100% aus rPET, also recyceltem PET.

DIE VISION: REDUKTION VON PLASTIKMÜLL AUF NULL

Kennengelernt haben sich Schiller und Bilici übrigens im Rahmen des Accelerator-Programms von Entrepreneur First. Schiller blickt auf Start-up Erfahrung beim französischen BlaBlaCar zurück. Er baute als erster Mitarbeiter den deutschen Markt auf. Heute ist das Unternehmen die weltweit größte, digitale Mitfahrplattform. Die Frage, was ihn an Start-ups reizt, beantwortet er wie folgt:

Mich treibt die Lust zur Gestaltung an. Und ganz konkret hier: ein Nachhaltigkeitsthema mit unternehmerischen Mitteln anzugehen. Je mehr recycelte Kunststoffe wir vermitteln können, desto besser für die Umwelt. Denn der Einsatz von einer Tonne recyceltem Kunststoff spart 85% CO2 Emissionen ein gegenüber dem Einsatz einer Tonne Neukunststoffe.“

Bilici ist erfahrener Softwareentwickler. Er arbeitete unter anderem für Brickblock, Cubits und die Frontier Car Group. Zudem hat Bilici beste Verbindungen in die Türkei, einen der weltweit größten Märkte für Kunststoffverarbeitung.

Ein erstes Ziel von Cirplus ist es, den europaweiten Recyclingmarkt zu revolutionieren. Doch die Vision der Gründer ist noch viel ambitionierter:

Langfristig möchten sie die Unmengen an Plastikmüll auf null reduzieren!

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NACHHALTIGER KLANG: HEIMISCHES HOLZ FÜR GITARRENBAU

Die Auswahl der Holzart bei einer Gitarre ist nicht nur eine Frage der Optik, sondern auch der Akustik. Lange Zeit galt Tropenholz, und zwar insbesondere das Edelholz Rio Palisander beziehungsweise aus Artenschutzgründen später auch indisches Palisander, als das Nonplusultra im Gitarrenbau. Diese Holzarten überzeugen durch ihren besonderen Ton.

So wurden Konzertgitarren oft aus einer Kombination von lang gelagerten, tropischen Holzarten wie westindische Zedrele für den Hals, ostindischer Palisander für Zarge und Boden sowie Ebenholz für das Griffbrett hergestellt. Doch seit Anfang 2017 gelten für den Handel mit bedrohten Hölzern aus den Tropen strengere Bestimmungen. Deshalb sind Musikinstrumentenbauer auf Alternativen angewiesen. Doch wie nur bekommt man die ausgezeichneten, klanglichen und optischen Eigenschaften der Tropenhölzer hin?

THERMISCHE BEHANDLUNG

Daran tüftelten jetzt Ingenieure der TU Dresden in Kooperation mit der fränkischen Gitarrenmanufaktur Hanika. Für ihre Forschungsarbeiten setzten sie einheimische Hölzer wie Fichte, Ahorn und Kirsche einer eigens entwickelten, thermischen Behandlung aus. Und mittlerweile ist diese so ausgefeilt, dass das Forschungsteam davon überzeugt ist, mindestens die gleichen akustischen Eigenschaften wie Tropenholz bieten zu können. Dies zeigte sich unter anderem in einen akustischen Test des thermisch behandeltem Holzes (s. Aufmacherbild). Denn die Schwingungseigenschaften sind entscheidend für die Klangqualität. Zudem gab es einen Anzupftest der Gitarre (s. Bild unten), bei dem untersucht wird, wie lange es dauert, bis ein Ton hörbar ist und wie lange der Ton hörbar bleibt.

Wir haben es geschafft, dass europäische Hölzer nun auch hervorragende Klangeigenschaften besitzen und eine echte Alternative zum Tropenholz sind“, freut sich Dr. Mario Zauer, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Professur für Holztechnik und Faserwerkstofftechnik der TU Dresden.

Mit dem Behandlungsverfahren der TU Dresden werden einheimische Hölzer mit einer bestimmten Temperatur und einem bestimmten Druck für eine gewisse Zeit thermisch behandelt. So werden die notwendigen Alterungsprozesse des Holzes beschleunigt. Anschließend können die thermisch modifizierten, einheimischen Hölzer nach nur einem Jahr zu hochwertigen Musikinstrumenten weiterverarbeitet werden. So sind die Dresdner Holztechniker in der Lage, ein regionales Ersatzmaterial für artengeschütztes Tropenholz bereitzustellen. Ein weiterer Pluspunkt des bearbeiteten Holzes ist die schnelle Verfügbarkeit: Die bisher verwendeten Tropenhölzer müssen etwas sechs bis zehn Jahre gelagert und luftgetrocknet werden, bevor sie als sogenannte Tonhölzer für den Bau von Instrumenten geeignet sind.

HANDWERKSPROJEKT DES JAHRES

© Krüger/TUD

Mittlerweile produziert Hanika vier neue, vollständig tropenholzfreie Gitarrenmodelle (Basis-, Mittel-, Ober- und Meisterklasse) aus einheimischen Hölzern.

Dazu Zauer, der auch Projektleiter von „Konzertgitarre“ ist:

Für mich als Wissenschaftler ist es schön zu sehen, dass unser Holz-Behandlungsverfahren von Hanika in einer eigenen Gitarrenserie umgesetzt wird. Das zeigt, dass sich unsere mehrjährige Forschungsarbeit wirklich gelohnt hat.“

Die TU Dresden und Hanika sind, im Rahmen des Zentralen Innovationsprogramms Mittelstand (ZIM), Partner in einem Kooperationsnetzwerk. Und das mit großem Erfolg: So erhielt die TU Dresden für das Projekt „Konzertgitarre“ vom BMWi in der Zeit von 2015 bis 2017 175.000 Euro Fördergelder. Und die Gitarrenmanufaktur wurde am 09. Mai 2019 auf dem Innovationstag Mittelstand des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi) in Berlin mit dem „ZIM-Handwerksprojekt des Jahres“ ausgezeichnet.

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3D-TOMOGRAPHIEN ZEIGEN DIE ALTERUNG VON LITHIUM-AKKUS

Angefangen von mobilen Geräten wie Tablets und Digitalkameras bis hin zur E-Mobilität wie Pedelecs und E-Autos: Lithium-Akkus sind aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken. Gleichzeitig wissen wir: Die kleinen Speicherwunder sind empfindlich und verlieren mit der Zeit an Kapazität. Denn bei jeder neuen Aufladung bilden sich manchmal Mikrostrukturen an den Elektroden, die die Kapazität weiter reduzieren. Die Akkus altern also. Und das lässt sich, trotz steter Optimierung, bis heute nicht verhindern.

DEN LITHIUM-IONEN BEIM WANDERN ZUSCHAUEN

Wissenschaftler des Helmholtz Zentrums Berlin HZB schauten sich nun ‒ gemeinsam mit Batterieforschern aus dem Forschungszentrum Jülich, der Universität Münster und Partnern aus Forschungseinrichtungen in China ‒, den Alterungsprozess der Akkus unter einem 3D-Tomographen an. Das Augenmerk des internationalen Forschungs-Teams lag dabei darauf, mit mikroskopischer Genauigkeit zu beobachten, was im Inneren des Akkus an den Grenzflächen zwischen den Elektroden, dort, wo die Lithium-Ionen wandern, genau geschieht.

Before: 3D-Tomography Lithium Electrode ©M. Osenberg / I. Manke / HZB

Für ihre Arbeiten nutzten die Wissenschaftler unter anderem das 3D-Tomographieverfahren mit Synchrotronstrahlung an BESSY II (HZB) – es erzeugt besonders brillantes Röntgenlicht. Mit dieser einzigartigen Methode lassen sich zerstörungsfreie 3D-Abbildungen aus dem Inneren von Proben erstellen.

BEOBACHTUNG VON AUFLADUNG UND ENTLADUNG

Dr. Ingo Manke, Forschungsleiter und Experte für 3D-Tomographie mit Synchrotronstrahlung, untersuchte mit seinem Team eine Reihe von unterschiedlichen Lithium-Zellen. Diese beobachteten sie einerseits während der Aufladung. Aber auch während der Entladung, sozusagen „operando“ – also während des Betriebs. Zusätzlich betrachteten sie verschiedene Zyklusbedingungen. Bei allen untersuchten Zellen bestand eine Elektrodenseite aus reinem Lithium, während die andere Seite – je nach Wahl – aus unterschiedlichen Elektroden-Materialien bestand.

Shortly after Loading / Unloading: 3D-Tomography Lithium Electrode ©M. Osenberg / I. Manke / HZB

Die Tomographien zeigen, wie bereits nach wenigen Lade-Entlade-Zyklen eine Schicht aus Mikrostrukturen zwischen der Separatorschicht und der Lithium-Elektrode entsteht. Diese Mikrostrukturen bestehen aus Reaktionsverbindungen, die sich im Elektrolyten bilden. Sie können unterschiedliche Gestalt annehmen: Von einem eher ungeordneten Schlamm über moosartige Strukturen bis hin zu nadelförmigen Dendriten, die sogar gefährliche Kurzschlüsse im Akku verursachen können.

ERSTMALIGES BILD VON DEGRADATIONSMECHANISMUS

Damit haben wir erstmals ein vollständiges Bild des Degradationsmechanismus in Lithium-Elektroden“, erklärt Dr. Ingo Manke.

Dies ist nicht nur für das grundlegende Verständnis von Alterungsprozessen in Batterien interessant, sondern liefert insbesondere auch wertvolle Hinweise für das Design von langlebigeren Batterien.

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WIE KARTOFFELN DEM KLIMAWANDEL TROTZEN KÖNNEN

Ob als Pell-, Salz- oder Bratkartoffel, verarbeitet zu Pommes oder als Chips – Wir Deutschen mögen sie, die Kartoffel. Etwa 60 Kilogramm ist der durchschnittliche Pro-Kopfverbrauch per Jahr in unserem Land. Auch weltweit gehört die Kartoffel neben Mais, Reis, Weizen und Maniok zu den wichtigsten Grundnahrungsmitteln. Und bis jetzt gab es auch immer genügend Nachschub, so dass wir uns keine Sorgen um die schmackhafte Knolle machen mussten.

KARTOFFELN MÖGEN KEINE WÄRME

Doch was zukünftig definitiv zum Thema werden könnte: Kartoffeln mögen während des Wachstums keine Wärme. Sind die Temperaturen zu hoch, bildet die Pflanze deutlich weniger oder mitunter gar keine Knollen mehr. Biochemiker der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) schauten sich dieses Phänomen nun genauer an. Sie setzten in ihren Laboren die Kartoffelpflanzen tagsüber Temperaturen von bis zu 29 Grad und nachts Temperaturen

Team Prof. Dr. Sonnewald ©FAU/Rabih Mehdi

von etwa 27 Grad aus. Und schon schaltete die Pflanze sozusagen auf ein anderes Wachstumsprogramm um: Sie bildete mehr grüne Triebe und Blätter, aber weniger bis keine Knollen mehr. Hinzu kam: Die wenigen Knollen hatten einen geringeren Stärkegehalt und keimten schneller – sie waren also weniger nahrhaft und verdarben rascher.

GRUND IST EINE KLEINE RIBONUKLEINSÄURE

Zudem erforschten die Nürnberger Wissenschaftler woran es liegt:

Bisher war der Mechanismus, der die Knollenbildung bei Hitze verhindert, nicht bekannt“, erklärt Prof. Dr. Uwe Sonnewald, Inhaber des Lehrstuhls für Biochemie.

Die höchsten Erträge von Kartoffeln lassen sich bei gemäßigten Temperaturen erzielen – ideal für die Knollenbildung sind rund 21 Grad Celsius tagsüber und 18 Grad nachts. Bei diesen Temperaturen und der richtigen Tageslänge wird in den Blättern ein knolleninduzierendes Eiweiß mit dem Namen SELF-PRUNING 6A (SP6A) gebildet. Dieses signalisiert der Pflanze, Knollen zu bilden, um auf Kälteperioden vorbereitet zu sein. Bei niedrigeren Temperaturen ist sie inaktiv. Steigen die Temperaturen jedoch an, blockiert sie die Bildung von SP6A und damit das Knollenwachstum.

Gemeinsam mit seinem Forschungsteam hat Sonneberg nun eine kleine Ribonukleinsäure (RNA) ausgemacht, die aus etwa 19 Nukleotiden (Bausteine von Nukleinsäure) besteht und die die Knollenbildung temperaturabhängig reguliert.

AUSSCHALTUNG DER RNA GELUNGEN

Den Wissenschaftlern ist es in einem nächsten Schritt gelungen, diese kleine RNA auszuschalten. Wieder setzten sie ihre Kartoffelpflanzen hohen Temperaturen im Gewächshaus aus. Das Ergebnis: Auch bei mehr als 29 Grad bzw. 27 Grad entstanden weiterhin Knollen von guter Qualität.

©FAU/Rabih Mehdi

Unsere Ergebnisse bieten die Chance, dass wir auch in Zukunft bei steigenden Temperaturen noch Kartoffeln anbauen können“, freut sich Sonnewald.

Als nächstes wollen die Forscher die Kartoffelpflanzen unter Feldbedingungen testen und prüfen, ob die Pflanzen auch unter realen Bedingungen der Hitze trotzen werden. Doch schon jetzt ist das Ergebnis angesichts des Klimawandels ein wichtiger Beitrag, um Ernteerträge auch in Zukunft zu sichern. Die Forschungsarbeit wurde kürzlich in der Fachzeitschrift Current Biology veröffentlicht.

BLICKFELD: DEUTSCHES START-UP ENTWICKELT SERIENTAUGLICHE SCHLÜSSELTECHNOLOGIE FÜR AUTONOMES FAHREN

„Autonomes Fahren – wie funktioniert das eigentlich und welche Technik steckt dahinter?“, mag sich manch einer schon gefragt haben. Klar ist: Grundsätzlich muss das selbstfahrende Auto erst einmal seine Umgebung erkennen können, um dann entsprechend zu agieren. Mittlerweile gibt es in Bezug auf „künstliche Augen“ verschiedene Sensorik-Ansätze, die ein Erkennen ermöglichen. So ist bis dato beispielsweise der Einsatz von Radar-System und Kameras weit verbreitet.

Doch während Radar nicht die entsprechend hohe Auflösung bietet, um Objektcharakteristika tatsächlich erkennen zu können, liefern Kameras nur 2D-Bilder. Um hier aussagekräftige 3D-Informationen zu generieren, sind komplexe Algorithmen, die die Bilder interpretieren, notwendig. Beide Lösungsansätze sind also offensichtlich nicht wirklich geeignet, um ein sicheres autonomes Fahren zu gewährleisten.

LIDAR-TECHNOLOGIE

Derzeit wird noch eine weitere Technologie namens LiDAR eingesetzt. Die Buchstaben stehen für Light Detection and Ranging. LiDAR ist eine dem Radar verwandte Lösung. Doch anstelle von Radiowellen werden Laserpulse ausgesendet, die, für das menschliche Auge unsichtbar, auf Objekte treffen und reflektiert werden. Der Sensor misst die Laufzeit zwischen Aussenden und Rückkehr des Laserpulses und errechnet daraus die Entfernung zwischen Sensor und Objekt. Dies macht ein LiDAR bis zu einer Million mal pro Sekunde. In Echtzeit fasst er seine Ergebnisse über die Umwelt in einer 3D-Karte zusammen. Diese sogenannten Punktwolken sind so detailliert, dass sie nicht nur dazu verwendet werden können, Größendimensionen und die Form von Objekten zu erkennen, sondern auch, um diese zu identifizieren. Zudem erfassen LiDARs Abstände und Geschwindigkeiten. Das Fahrzeug erhält somit hochpräzise 3D-Umgebungsdaten, auf dessen Auswertung es letztendlich Fahrentscheidungen ableitet.

LiDAR gilt mittlerweile als der entscheidende Baustein für autonomes Fahren. Und Experten sind sich einig, dass erst diese Technik vollautonomes Fahren ab Level 3, das bedeutet hochautomatisiertes Fahren, möglich macht.

LIDAR IM EINSATZ

Wer in letzter Zeit in Kalifornien oder Shenzhen unterwegs war, hat sie vielleicht sogar schon einmal gesehen: Die selbstfahrenden Autos, bei denen vor allem ein massiver Dachaufbau ins Auge sticht. Dabei könnte es sich eventuell um LIDAR-Sensoren zur Umfelderfassung handeln. Die Sensoren bestehen aus drei Hauptkomponenten: Scanner, Detector und Strahlablenkung. Die bis jetzt noch verwendete Generation basiert zudem auf Getrieben und Motoren, um die Laserpulse mechanisch über die Umgebung zu lenken.

Man kann es sich vorstellen: Diese Mechanik ist sehr empfindlich. Somit ist sie für die typischen Belastungen während einer Autofahrt nicht ideal. Zudem sind mechanische LiDARs aufgrund der kostenintensiven Komponenten sowie einer recht komplexen und manuellen Bauweise extrem teuer. So kosten allein die günstigsten Modelle schon Tausende von Dollar. Und davon bräuchte man, um ein Auto vollautonom steuern zu lassen, eine ganze Menge. Das macht den Einsatz von aktuellen LiDAR-Sensoren in massentauglichen Serien so gut wie unmöglich.

SOLID-STATE-LIDAR-SENSOREN

Das deutsche Start-up Blickfeld GmbH revolutioniert nun die LiDAR-Welt. Denn es hat eine neue Sensor-Technologie entwickelt. Diese kommt ohne mechanisch bewegliche Bauteile aus. Die Innovation der Münchener beruht nämlich auf einem in Halbleiter Technologie gefertigten Scanner. Dieser kommt komplett in Silizium auf Waferlevel daher. Der Vorteil: Auf einer Siliziumplatte können gleich mehrere Sensoren parallel gefertigt werden. Die Steuerung des Laserstrahls erfolgt durch eine patentierte Laserablenkeinheit. Diese kommt mittels sogenannter Micro-Electro-Mechanical-Systems (MEMS) ohne bewegliche Bauteile aus. Von daher ist die Technologie deutlich robuster und damit langlebiger.

Cube Tripod ©Blickfeld

Auch braucht die Lösung von Blickfeld nur noch einen statt 64 Laser. Dies schlägt sich sowohl in der Größe, dem Gewicht sowie auch in der Produzierbarkeit nieder.

BLICKFELD-CUBE

Das erste Produkt der Münchener ist ein handlicher Würfel. Mit seinem Sichtfeld von 100° x 30°, einer hohen Punktdichte sowie einer Erkennungsreichweite von mehr als 150 m entspricht er zudem höchsten Performancebedingungen. Ein weiterer Vorteil sind seine geringen Abmessungen von 80 x 60 x 50 mm. Verteilt auf die Ecken eines Fahrzeugs können die Cubes zusammen mit einer LiDAR-Blind-Spot-Detection, einen Radius von 80 Metern vollständig überwachen.

Die Solid-State-Technologie sorgt darüber hinaus für Robustheit gegenüber Witterungsbedingungen und mechanischen Einflüssen. Der kleine LiDAR-Würfel kann zudem präzise und so hoch skalierbar wie ein Computerchip hergestellt werden. Gleichzeit lässt sich sein Preis, in Kombination mit günstigen Standardbauteilen für leistungsfähige LiDAR-Sensoren, auf nur wenige hundert Euro reduzieren. Somit wird der Weg zu sicheren und erschwinglichen autonomen Fahrzeugen mit LiDAR-Hightech-Geräten geebnet.

Die Sensorik-Spezialisten aus München sehen auch noch weitere Anwendungsfelder, wie zum Beispiel: Internet of Things, Smart City-Lösungen, Logistik, Landwirtschaft und diverse Security-Thematiken. Der Verkaufsstart des Cubes ist übrigens noch für 2019 geplant.

Neben der Hardware arbeitet Blickfeld auch an einem Software-Stack, um die gewonnenen 3D-Informationen zum Zweck der abstrakten Umgebungswahrnehmung bündeln und auswerten zu können. Mögliche Automotive Anwendungsszenarien reichen von Platooning (dichtes Hintereinanderfahren von Autos) über Highway Pilot (teilautonomes Fahren) bis hin zu Level 4/5-autonomen Fahrzeugen.

EUROPEAN STARTUP PRIZE

Founder Blickfeld ©Blickfeld

Die Münchener wurden im April als eines von zehn Unternehmen mit dem European Startup Prize for mobility ausgezeichnet. Dazu Dr. Florian Petit (Business Development), der zusammen mit Dr. Matthias Müller (CEO und R&D), Rolf Wojtech (Software), und Dr. Sebastian Neusser (Patentanwalt) im Jahre 2017 das Unternehmen gründete:

Wir sind stolz darauf, zu den 10 Gewinnern des Europäischen Startup-Preises für Mobilität zu gehören. Es ist wirklich toll zu sehen, dass so viele Start-ups in ganz Europa an der Mobilität von morgen arbeiten. Der Preis bietet eine gute Plattform, um alle diese Unternehmen zusammenzubringen und das Bewusstsein für die innovativen Ideen zu schärfen. Auch unter den anderen Bewerbern haben wir sehr interessante Ideen gesehen!“

Die Gründer von Blickfeld verfügen übrigens über langjährige Erfahrungen im Bereich Robotik, optische Sensortechnologie und Software. Mittlerweile besteht das Team aus mehr als 80 hochqualifizierten Mitarbeitern, die neben Automotive- und IoT-Branchenkenntnissen über profunde technische Expertise in den Bereichen Elektronik, Optik, MEMS und Software verfügen.

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Autonomes Fahren: Tests im Labor statt auf der Straße 

AUTONOMES FAHREN: WENN DAS AUTO ZUM WOHNZIMMER WIRD

Es gibt viele Visionen über die Zukunft des autonomen Fahrens. Eine Frage, die sich diesbezüglich stellt ist: Was macht eigentlich der Fahrzeuginsasse, wenn sein Auto sozusagen zum intelligenten Fahrzeugführer wird? Schließlich bleibt dem Menschen selbst in punkto Autofahren dann nicht mehr viel zu tun. Forschende des Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO  gründeten nun zusammen mit Unternehmens- und Strategieberatern von McKinsey & Company sowie weiteren Projektpartnern aus verschiedenen Branchen ein Innovationsnetzwerk, um Lösungen für die Mobilität von morgen zu entwickeln – und zwar von der Idee bis zum Bau eines Prototypen. Ziel des sogenannten Mobility, Experience and Technology Labs (MXT) ist es, möglichst schnell zu erkennen, welche Technologien, Services und Geschäftsmodelle zukunftsfähig sind und welche Visionen am Markt keine Chance haben.

MXT-LAB ANALYSIERT TRENDS

Wenn der Fahrer zum Passagier wird, muss er seine Aufmerksamkeit nicht mehr auf den Verkehr richten. Er erhält somit also reichlich Zeit, um sich anderen Tätigkeiten zu widmen. Passionierte Zugfahrer und Beifahrer wissen diesen Luxus schon zu genießen: Man kann schlafen, lesen und die umgebende Landschaft genießen. Doch es geht noch mehr: Denn wenn das Fahrzeug selber steuert, beschleunigt oder bremst, kann die Windschutzscheibe neue Funktionen erhalten. So könnte ein integriertes Display die Außenwelt mit Zusatzinfos neu erlebbar machen. Oder man könnte sie abdunkeln, um Filme zu schauen. Je nach Bedarf ist es durch das autonome Fahren also möglich, das Fahrzeug in einen neuen Lebensraum, zum Beispiel ein mobiles Wohnzimmer oder Büro umzugestalten.

Für Sebastian Stegmüller, Wissenschaftler am Fraunhofer IAO, haben solche Szenarien durchaus das Potenzial, in einigen Jahren Realität zu werden. „Wir selektieren in der frühen Innovationsphase, noch bevor die Produktentwicklung beginnt, spannende Ansätze, die es wert sind, weiter verfolgt zu werden“, erklärt Stegmüller.

Dr. Tobias Schneiderbauer, Projektmanager bei McKinsey & Company skizziert zudem mögliche Einsatzbereiche wie sprachunterstützte Dienste unter Nutzung von Künstlicher Intelligenz:

Fährt man beispielsweise an der Oper vorbei, erscheint auf dem Display der Ticketdienst. Die Karten zur Aida-Vorstellung könnte man dann im Vorbeifahren kaufen.“

Die Kooperationspartner des MXT-Labs analysieren Trends, um Unternehmen Entscheidungshilfen in Bezug auf Innovationsprojekte zu geben. Damit reagieren sie auf die schier unüberschaubaren Möglichkeiten von Innovationschancen, die die großen Trends der Automobilindustrie mit sich bringen: Automatisierung, Vernetzung und Elektrifizierung der Fahrzeuge sowie neue Mobilitätsservices. „Durch die digitale Transformation müssen sich die Unternehmen neu orientieren und aufstellen, sie bietet aber auch die Chance für neue Mobility-Services und Fahrerlebnisse“, fasst Wirtschaftingenieur Stegmüller zusammen.

PROTOTYPEN MACHEN AUTONOMES FAHREN ERLEBBAR

© Fraunhofer IAO

Das Mobility Innovation Lab steht am Fraunhofer IAO in Stuttgart. Hier kann man schon jetzt erleben, wie das Fahren von morgen aussieht.

In der hochmodernen Forschungsumgebung für Prototyping und Kreativworkshops gibt es beispielsweise ein futuristisches Fahrzeugcockpit mit modularem Armaturenbrett, schaltbaren Scheiben, Sitzen mit Relax-Position, ausklappbaren Tischen und ausfahrbarem Monitor. Hier werden das Innenraum-Erlebnis der Zukunft sowie die Interaktion mit künftiger Bordelektronik und speziellen Services wie Sprachlern-, Pizza-Lieferdiensten oder personalisierten Entertainment-Diensten demonstriert. Auch ist hier ein umgebautes Fahrzeug zu sehen, das mit Fußgängern interagiert. Im Lab wird zudem an den Möglichkeiten der nachhaltigen, urbanen Mobilität gerforscht. Derzeit wird ein elektrischer Dreirad-Roller unter die Lupe genommen.

Mit ihrer Forschung möchten die Partner des Innovationsnetzwerks eine valide Basis für lukrative Geschäftsmodelle und Technologien schaffen. Dabei adressieren sie nicht nur Automobilhersteller und -zulieferer, sondern auch Firmen aus der Entertainment- und IT-Branche. Zudem holen sie Unternehmen, Kommunen und weitere Akteure ins Boot. So dass das Innovationsnetzwerk mit spezifischem Know-how unterstützt und bereichert wird. Zudem ist das Netzwerkprojekt weiterhin offen für interessierte Firmen, die sich dem MXT Lab anschließen möchten.

QUALITATIVE UND QUANTITATIVE STUDIEN

Ein wesentliches Augenmerk des MXT Labs liegt in der Durchführung von Nutzer-Studien. Denn diese stellen die Ausgangsbasis für die Untersuchung möglicher Innovationschancen bereit. In einer ersten, exemplarischen Studie haben sich die Partner beispielsweise mit der Frage beschäftigt, inwiefern sich die frei werdende Zeit beim automatisierten Fahren zum Lernen von Fremdsprachen eignet. Dazu wurde neben einer quantitativen Online-Befragung in Deutschland, China und den USA auch ein Experiment im Mobility Innovation Lab aufgebaut. So konnten qualitative Nutzeraussagen erhoben werden. Neben dem grundsätzlichen Interesse an entsprechenden Service-Angeboten untersuchten die Wissenschaftler auch die Attraktivität verschiedener technischer Umsetzungsmöglichkeiten sowie fahrtbezogener Applikationen. Diese Informationen geben Impulse zur Gestaltung des automatisierten Fahrerlebnisses und der dazugehörigen Fahrzeuge.

Was auch immer zukünftig entwickelt wird: Der Spaß beim Autofahren erhält durch das autonome Fahren mit Sicherheit ganz neue Dimensionen.

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ANALYSETOOL FÜR BATTERIEN SOLL ZUKUNFT DER E-MOBILITÄT UNTERSTÜTZEN

Wie lange hält die Batterie eigentlich insgesamt? – Das ist mit Sicherheit eine der wichtigsten Fragen, die für Hersteller aber auch Anwender in Zeiten von E-Mobilitätslösungen von Bedeutung sind. Und nur ein zuverlässiger Akku kann die Zukunft der E-Mobilität weiter vorantreiben. Dazu Dr. Stephan Rohr, der gemeinsam mit Michael Baumann im Juni 2018 das Münchener Start-up Twaice Technologies GmbH gründete:

Obwohl das Batteriesystem die teuerste und wichtigste Komponente in einem Elektroauto ist, kann der Zustand sowie die verbleibende Lebensdauer aktuell nur schwer und ungenau bestimmt werden. Diese Unsicherheit beispielsweise beim Restwert von Elektroautos hemmt natürlich die Nachfrage nach Elektroautos.“

SENKUNG VON GESAMTKOSTEN

Diesem Problem möchten die Münchener mit ihrem eigens entwickelten Analysetool entgegenwirken. Anhand eines virtuellen Expertensystems, dem sogenannten digitalen Zwilling der Batterie, berechnen die beiden Jungunternehmer den Alterungsprozess derselbigen bis auf die Zellebene hinunter. Dabei soll das digitale Pendant die Lebensdauer des Akkus vorhersagen und somit die Unsicherheit über seinen Zustand auflösen.

Durch die von ihnen entwickelte Nutzung von Sensordaten und physikalischen sowie datengetriebenen Batteriemodellen möchten die die Wissenschaflter den Kreis zwischen Produktentwicklung und –anwendung schließen.

Ein Automobilhersteller mit beispielsweise 100.000 Elektrofahrzeugen im Feld hat Batteriekosten von über eine Milliarde Euro. Dieses Asset gut zu verwalten, wird zunehmend essentiell und marktentscheidend. Twaice liefert Kunden wie Elektrofahrzeugherstellern oder Flottenbetreibern die Lösung dafür“, beschreibt Rohr die Vorteile des Tools.

Laut Schätzungen des Unternehmens könnten durch die Batterieanalyse die Gesamtkosten des Betriebs von elektrischen Fahrzeugflotten um bis zu 25 Prozent gesenkt werden.

NACHHALTIGKEIT IN DER E-MOBILITÄT

Zudem eröffnet die Software neue Möglichkeiten, wie zum Beispiel die vorausschauende Wartung und Gewährleistungsverlängerung. Denn durch die Optimierung technischer Parameter ist eine erhebliche Lebensdauerverlängerung der Batterien möglich. Dies ist zum einen für die Hersteller von Elektrofahrzeugen aber auch die  Batteriehersteller selbst interessant. Die Batterie-Anaylse senkt zum einen Entwicklungs- und Testkosten. Die Hersteller können das Tool aber auch dazu nutzen, vorausschauende Wartungs- und Inspektionsdienstleistungen anzubieten. Außerdem ist es mit der Software jederzeit möglich, den Zustand sowie die Restlebensdauer zu zertifizieren und somit eine Zweitnutzung oder einen Weiterverkauf anzudenken.

@Twaice

Unsere digitalen Zwillinge ermöglichen die Digitalisierung von Expertenwissen und erreichen nie zuvor dagewesene Einblicke in die Performance und den Gesundheitszustand der Batterien im Feld. Dies ist essentiell, nicht nur für einen sicheren und langlebigen Betrieb von Elektrofahrzeugen, sondern auch für eine monetäre Bewertung beispielsweise bei einem Gebrauchtwagenkauf“, erläutert Baumann.

Seine Forschungsarbeiten bilden die Grundlage der Technologie von Twaice. Neben den ökonomischen Vorteilen zielt die Software des Unternehmens vor allem aber auch auf die Nachhaltigkeit der E-Mobilität ab.

EUROPEAN START-UP PRIZE

Rohr und Baumann arbeiten übrigens schon seit Uni-Zeiten zusammen. So begannen sie ihre Forschungsarbeiten im Mai 2014 an der Technischen Universität München mit der 2nd-Life-Nutzung und Lebenszeitmaximierung von Batterien. Im Januar 2016 entwickelten sie eine serverbasierte Zustandsdiagnostik für Batterien. Gleichzeitig starteten sie ihre Forschungs- und Entwicklungsarbeiten für eine ganzheitliche Plattform. Im Oktobr 2017 starteten sie den Ausgründungsprozess, den sie im Juni 2018 mit der Gründung von Twaice besiegelten. Mittlerweile kann das Unternehmen einige Auszeichnungen für ihre innovativen, klimafreundlichen Lösungen vorweisen. Zuletzt erhielten sie den European Start-up Prize  im April 2019. Baumann freut sich über den Award:

Der European Start Up Preis hilft uns hinsichtlich des Marketings und ermöglicht uns eine europäische Sichtweise sowie erste Anknüpfungspunkte für den Vertrieb außerhalb von Deutschland zu generieren.“ Und er ergänzt:

Wir sind davon überzeugt, dass bei einem Start up die ersten 10-20 Leute über den Erfolg eines Unternehmens entscheiden – hier die absolut Besten zu finden, ist die Herausforderung.“

Vom Werkstudenten bis hin zu Ingenieuren: Derzeit sind einige Positionen in dem Unternehmen an engagierte und motivierte Talente zu vergeben. Wichtig ist, dass sie die Vision von Twaice – nämlich die Welt mit einem digitalen Zwilling zu verbessern – teilen.Um stets auf dem neuesten Stand der Technik zu sein, ist Twaice zudem an Forschungsprojekten beteiligt. So kooperieren die Münchener derzeit mit dem Lehrstuhl für Fahrzeugtechnik (FTM) der Technischen Universität München (TUM). Unter dem Namen bawaii (battery analytics with artificial intelligence) untersucht das Forscherteam Möglichkeiten, neueste Entwicklungen der künstlichen Intelligenz in den hybriden Analytikansatz von TWAICE einzubringen.

BIOLOGISCHES GEWEBEIMPLANTAT PER 3D-DRUCK

3D-Druck gilt als Eckpfeiler der Industrie 4.0. Es gibt kaum eine Branche, wo dieses Verfahren nicht eingesetzt wird. Und auch in der regenerativen Medizin ist der 3D-Druck mittlerweile angekommen. Erst im April 2019 stellten israelische Forscher ein gedrucktes, dreidimensionales Mini-Herz aus menschlichem Gewebe vor. Dies ist zwar lange noch nicht Einsatzbereit, doch immerhin soll es vergleichbar sein mit dem eines menschlichen Fötus.

MASSGESCHNEIDERTE GEWEBESTRUKTU

Forschende des Fraunhofer Instituts für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB Stuttgarthaben nun erstmals gemeinsam mit der Universität Stuttgart  biologisches Gewebe aus dem 3D Drucker hergestellt. Somit könnte in Zukunft irreparabel zerstörtes Gewebe durch eine maßgeschneiderte, biologisch funktionelle Gewebestruktur aus dem Drucker ersetzt werden. Doch bis dahin ist es noch ein langer Weg. Dr. Achim Weber, stellvertretender Abteilungsleiter am IGB schätzt den Zeitraum auf cirka ein Jahrzehnt. Vorher werden noch zahlreiche Testsysteme gefahren. Dies fängt vom Drucken in die Petrischale an, geht über die Erprobung in Medikamenten und dürfte dann erst einmal in unkritische Bereiche wie Sehnen und Knochen gehen, bevor tatsächlich einmal ein Herz, Auge oder eine Niere gedruckt werden kann.

BIOTINTE ALS BASIS

Bio-Ink © Fraunhofer IGB

Basis des Verfahrens sind sogenannte Biotinten, die sich für den 3D-Druck, also eine additive Fertigung eigenen. Die Tinten bestehen aus Biopolymeren wie Gelatine oder Hyaluronsäure, einem wässrigem Nährmedium und lebenden Zellen. Schicht für Schicht werden diese Flüssigkeiten übereinander gedruckt, bis ein vorher programmiertes 3D-Objekt entsteht. Während des Drucks bleiben die Biotinten fließfähig. Danach werden sie mit UV-Licht bestrahlt. Dadurch vernetzen sie sich zu Hydrogelen, also wasserhaltigen Polymernetzwerken.

EINZIGARTIGES BIOPRINTING

Die Biomoleküle lassen sich gezielt chemisch modifizieren. Somit wird erreicht, dass die gedruckten Gele unterschiedliche Festigkeiten und Quellbarkeiten aufweisen. Dementsprechend können Eigenschaften von natürlichen Geweben nachgebildet werden. Das kann ein fester Knorpel sein, aber auch ein weiches Fettgewebe. Das Spektrum an einstellbarer Viskosität ist breit.

Bei 21 Grad Raumtemperatur ist Gelatine fest wie ein Wackelpudding – so kann sie nicht gedruckt werden. Damit dies nicht passiert und wir sie unabhängig von der Temperatur prozessieren können, maskieren wir die Seitenketten der Biomoleküle, die dafür zuständig sind, dass die Gelatine geliert“, skizziert Weber eine der Herausforderungen des Verfahrens.

Ein weitere Hürde: Damit die Gelatine bei einer Temperatur von etwa 37 Grad nicht fließt, muss sie chemisch vernetzt werden. Um dies zu erreichen, wird sie sozusagen zweifach funktionalisiert. Das bedeutet: Alternativ zu den nicht vernetzbaren, maskierenden Acetylgruppen, die ein Gelieren verhindern, baut das Forscherteam vernetzbare Gruppen in die Biomoleküle ein. Diese Vorgehensweise ist im Bereich des Bioprintings einzigartig.

Wir formulieren Tinten, die verschiedenen Zelltypen und damit auch verschiedenen Gewebestrukturen möglichst optimale Bedingungen bieten“, so Dr. Kirsten Borchers.

Sie ist verantwortlich für die Bioprinting-Projekte in Stuttgart.

KNOCHEN- UND VASKULARISIERUNGSTINTE

In Kooperation mit der Universität Stuttgart ist es unlängst gelungen, zwei unterschiedliche Hydrogel-Umgebungen zu schaffen. So sollen zum einen festere Gele mit mineralischen Anteilen die Knochenzellen bestmöglich versorgen. Während weichere Gele ohne mineralische Anteile Blutgefäßzellen die Möglichkeit geben sollen, sich in kapillarähnlichen Strukturen anzuordnen.

Die beste künstliche Umgebung für die Zellen ist die, die den natürlichen Bedingungen im Körper möglichst nahekommt. Die Aufgabe der Gewebematrix übernehmen in unseren gedruckten Geweben daher Biomaterialien, die wir aus Bestandteilen der natürlichen Gewebematrix herstellen“, erklärt Borchers.

Durch das Variieren der Zusammensetzung des Biomaterials ist also der Druck von verschiedenen biologischen Implantaten möglich. So konnten die Wissenschaftler auf Basis ihres verfügbaren Materialbaukastens beispielsweise „Knochentinte“ herstellen. Die darin verarbeiteten Zellen sollen das Originalgewebe regenerieren, also selber Knochengewebe bilden. Das Geheimnis der Tinte ist eine spezielle Mischung aus dem pulverförmigen Knochenmineral Hydroxylapatit und aus Biomolekülen.

Die Vaskularisierungstinte hingegen bildet weiche Gele, in der sich Kapillarstrukturen – also Blutgefäße – etablieren konnten. Hierfür werden spezielle Zellen, die Blutgefäße bilden, in die Tinten eingebracht. Die Zellen bewegen sich, wandern aufeinander zu und formen Anlagen von Kapillarnetzwerken aus kleinen röhrenförmigen Gebilden. Wird dieser Knochenersatz implantiert, so würde der Anschluss des biologischen Implantats an das Blutgefäßsystem des Empfängers wesentlich schneller funktionieren, als bei Implantaten ohne kapillarähnliche Vorstrukturen.

Ohne Vaskularisierungstinte ist erfolgreicher 3D-Druck von größeren Gewebestrukturen vermutlich nicht möglich“, so Weber.

REGENERATION VON KNORPEL

Jüngstes Forschungsprojekt des Stuttgarter Forscherteams ist die Entwicklung von Matrices für die Regeneration von Knorpel. „Für alle Körperzellen, die wir aus Gewebe isolieren und im Labor vermehren, müssen wir dazu eine Umgebung schaffen, in der sie ihre spezifischen Funktionen auch über längere Zeit erfüllen können“, schildert Lisa Rebers, Bioingenieurin im Team, die Versuche. Sicherlich werden noch weitere interessante 3D Druckprozesse aus Biomaterialen folgen.

Denn die genannten Ergebnisse entspringen der Arbeitsgruppe Additive4Life, die an der Erprobung und Entwicklung neuer Technologien im Bereich Bioprinting forscht.

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Herzpflaster soll Kontraktionskraft nach Herzinfarkt verbessern

VERKEHRSUNFÄLLE: UNTERSUCHUNG VON MUSKELSTEIFIGKEIT AN VIRTUELLEN CRASHTEST-DUMMYS

Wer schon einmal einen Verkehrsunfall auf sich zukommen gesehen und schließlich erlebt hat, wird es kennen: Auch wenn man – hoffentlich – unverletzt blieb, ist man am nächsten Tag mit Muskelkater geplagt. Der Grund: Wir bereiten uns instinktiv auf den Unfall vor, um uns zu schützen. Der Mensch spannt nämlich kurz vor dem Aufprall die Muskeln an, stützt sich zum Beispiel am Lenkrad ab oder tritt vielleicht sogar das Bremspedal durch. Und letztendlich beeinflusst genau dieses Verhalten den Ausgang des Unfalls und die Art und Schwere der Verletzungen. Forschende des Fraunhofer-Instituts für Kurzzeitdynamik, Ernst-Mach-Institut, EMI untersuchten nun erstmals die Insassensicherheit auf Basis der Muskelsteifigkeit anhand von virtuellen Crashtest-Dummys.

BERECHNUNG DER BEWEGUNG KURZ VOR UNFALL

Die Muskulatur hat einen großen Einfluss darauf, wie ein Fahrzeuginsasse kurz vor einem Unfall reagiert und wie sich der Körper während des Crashs verhält. Hier kann es zu gravierenden Abweichungen gegenüber steifen und kinematisch eingeschränkten Crashtest-Dummys kommen“, erklärt Dr. Matthias Boljen, Wissenschaftler am EMI.

Da also die herkömmlichen Dummys kein Reaktionsvermögen besitzen, lässt sich mit diesen das menschliche Verhalten kurz vor dem Unfall nicht abbilden. Deshalb verwendeten die Wissenschaftler des EMI ein THUMS(TM) v5.01-Modell (Total Human Modell for Safety). Dieses digitale Computermodell kann – anhand eines speziellen Berechnungsmodells zur Festigkeit und Verformung, der sogenannten FE-Simulation (Finite-Elemente-Simulation) -, die Bewegung der Insassen kurz vor einem Unfall nachvollziehen.

FORSCHUNGSNEULAND

Die Wissenschaftler des EMI betraten mit ihrem Forschungsansatz zur Untersuchung der Insassensicherheit auf Basis der Muskelsteifigkeit Neuland. Denn die mit der Kontraktion einhergehende Muskelsteifigkeit und ihre Folgen ist bis dato noch nicht betrachtet worden. „Stützt sich ein Fahrer vor dem Aufprall auf dem Lenkrad ab, so verkürzt sich dabei nicht nur der Muskel, sondern der Muskel wird durch die Kontraktion steifer. In bisherigen FE-Simulationen zu einzelnen Muskeln und Muskelgruppen gesamter Menschmodelle wurde die Kontraktion völlig unberücksichtigt gelassen“, erläutert Boljen.

@Fraunhofer EMI

So ist im Aufmacherbild dieses Artikels ein Offset-Crash im angespannten Muskelszustand von THUMS zu sehen. Dabei werden mögliche Herausforderungen für die passive Sicherheit in einem vom Frontalcrash abweichenden Unfallszenario deutlich: Der Längsgurt rutscht ab.

Auch das obige Bild simuliert einen Frontalcrash im angespannten Muskelzustand des Menschmodells THUMS. Über die aktive Muskelkontraktion hält sich THUMS am Lenkrad fest und stützt sich beim Aufprall ab. Das entlastet den Brustkorb potenziell. Die farbigen Oktaeder machen die verschiedenen Anschnallpunkte des modellierten Sicherheitsgurtes sichtbar.

WEITERENTWICKLUNG DER MENSCHMODELLE

Gemeinsam mit seinem Kollegen Niclas Trube definierte Boljen an dem THUMS-Modell vier verschiedene Steifigkeitszustände. Die beiden überprüften den Einfluss dieser Änderungen für einen simulierten, frontalen Crash. Das Ergebnis: Die Muskelsteifigkeit beeinflusst das Verhalten der Fahrzeuginsassen entscheidend. Je nach Steifigkeitsgrad sind unterschiedliche Verletzungen bei einem Unfall zu erwarten.

Diese Erkenntnis könnte von großer Bedeutung für die Weiterentwicklung der Menschmodelle sein, insbesondere unter dem Aspekt des autonomen Fahrens. Fahrzeuginnenräume werden künftig neu gestaltet, daher müssen auch bestehende Konzepte zu Gurten und Airbags überdacht werden. Menschmodelle sind hier ein wertvolles Hilfsmittel“, ist Trube überzeugt.

ANFORDERUNGEN AN DIE VERKEHRSSICHERHEIT

Denn die Menschmodelle lassen sich auch für den Schutz von Fußgängern und Radfahrern nutzen. Dass hier Handlungsbedarf besteht, zeigen aktuelle Studien. Laut ADAC ist die Zahl getöteter PKW-Insassen und Fußgänger zwar leicht gesunken, jedoch die Anzahl getöteter Radfahrer ist gestiegen. Dies mag an einer Häufung überraschend auftretender Gefahrensituationen durch E-Bikes liegen. Zudem werden E-Scooter, Tretroller mit Elektromotor, noch dieses Jahr auf öffentlichen Straßen erlaubt sein. Verkehrsexperten befürchten einen weiteren Anstieg von Unfällen. Mit Menschmodellen können Unfallszenarien im Vorfeld untersucht werden. Je nach Kollisionsverhalten lassen sich Häufigkeit und Intensität der auftretenden Belastungen testen. Hersteller von Protektoren, Helmen und anderen Schutzartikeln könnten von den Empfehlungen profitieren.

VIRTUELLE MENSCHMODELLE AUCH FÜR MEDIZIN INTERESSANT

Wie der menschliche Körper auf mechanische Belastungen reagiert, ist aber nicht nur für den Verkehrssektor relevant, sondern auch für medizinische und ergonomische Fragestellungen. So ist es sicher relevatn, zu wissen wie sich Materialien aus Implantaten und Prothesen in Relation zu menschlichen Knochen verhalten, wenn sie beispielsweise durch einen Unfall schlagartig beansprucht werden? Oder auch wie sich  die Vibrationen von Werkzeugen auf den Anwender auswirken. „Hier bieten sich Menschmodelle an, da wir mit ihnen realistische virtuelle Abbilder schaffen können, die sich experimentell so nicht realisieren lassen“, so Boljen.

HERZPFLASTER SOLL KONTRAKTIONSKRAFT NACH HERZINFARKT VERBESSERN

Ein Herz kann man nicht reparieren – oder doch? Wissenschaftler des Deutschen Zentrums für Herz-Kreislauf-Forschung (DZHK) arbeiten derzeit an einem Herzpflaster, das lädiertes Gewebe am Herzmuskel überbrücken soll. Dieses entsteht vor allem nach einem Herzinfarkt. Einen solchen erleiden etwa 200.000 Deutsche pro Jahr. Doch dank einer heutzutage sehr guten Notfallversorgung überleben etwa mehr als drei Viertel von ihnen. Aber an ihrem Herzmuskel bleiben oft geschädigte Bereiche zurück. Diese haben ihre Kontraktionskraft für immer verloren. Denn die Herzmuskelzellen von Erwachsenen sind nicht in der Lage, sich zu teilen. Sie können also kein neues Gewebe bilden. Es kommt somit zu einem dauerhaften Funktionsausfall, der den verbliebenen Herzmuskel belastet. Bei rund einem Viertel der Infarktpatienten führt dies zu einer chronischen Herzschwäche. Dazu Professor Dr. med. Claus F. Vogelmeier, Direktor des Universitätsklinikums Marburg UKGM:

Unter dieser sogenannten Herzinsuffizienz leiden sehr viele Patienten in Deutschland. Umso wichtiger ist es, dass die Forschung hier vorangetrieben wird.“

Vogelmeier ist dieses Jahr Kongresspräsident der diesjährigen, übrigens 125., Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin DGIM, die am 7. Mai 2019 in Wiesbaden stattfindet. Hier werden die Experten unter anderem die Entwicklungs- und Einsatzmöglichkeiten der Streifen diskutieren.

WELTWEITE FORSCHUNGEN ZU DIESEM THEMA

Derzeit arbeiten etliche Labore weltweit mit verschiedenen Stammzellen, aus denen sich Herzmuskelzellen gewinnen lassen. Diese Zellen können zum einen direkt in den Herzmuskel gespritzt werden. Sie können aber auch auf einem Gerüst aus Collagen oder Fibrin zu einem spontan schlagenden Herzmuskelflicken vorgezüchtet werden. Diese auch als „Engineered heart tissue“ (EHT) bezeichneten Gewebe werden dann in einem chirurgischen Eingriff auf die Oberfläche des Herzens aufgenäht. Hier wachsen sie anschließend an und bilden neues Herzgewebe.

HERZPFLASTER BRINGEN EINIGE VORTEILE

Das Aufbringen dieser Pflaster ist zwar aufwändiger als die Zellinjektion, hat aber mehrere Vorteile“, erklärt Professor Dr. med. Thomas Eschenhagen, Vorstandsvorsitzender des DZHK und Institutsdirektor am Zentrum für Experimentelle Medizin des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf UKE.

So würden erstens keine Zellen abgeschwemmt. Dadurch erhöhe sich die Effizienz deutlich. Auch gebe es, anders als nach einer Zellinjektion, keine Herzrhythmusstörungen. Und schließlich lasse sich die Kontraktionskraft des neuen Gewebes bereits vor der Implantation testen. Eschenhagen entwickelte das prinzipielle Tissue-Engineering-Verfahren bereits vor 25 Jahren gemeinsam mit Kollegen aus den USA.

ERFOLGREICHE TESTS AN TIEREN

Sowohl die Injektion von Herzmuskelzellen, als auch das Aufbringen von Herzpflastern sind bereits erfolgreich bei verschiedenen Tierarten getestet worden. „Zum Teil ließen sich beeindruckende Mengen von neuem Herzmuskelgewebe nachweisen“, beschreibt Eschenhagen die Tests. Bis auf Herz-Rhythmusstörungen, zu denen es nach einer Zellinjektion vorübergehend kommen könne, seien keine schwerwiegenden Nebenwirkungen aufgetreten – insbesondere keine Tumore. Diese gelten nämlich als gefürchtetes Risiko bestimmter Stammzellenarten.

Derzeit sind jedoch noch einige Fragen offen. So ist etwa der Langzeitverlauf eines derartigen Eingriffs noch nicht bekannt. Auch ist die mechanische und elektrische Ankopplung des neuen Gewebes an den Herzmuskel noch unklar. Zudem wird noch nach Zelllinien geforscht, die nicht abgestoßen werden und daher keine Immunsuppression erfordern.

HERZPFLASTER STATT SPENDERHERZ

„Diesen Fragen gehen einige der vom DZHK geförderten Projekte derzeit noch nach“, erklärt Eschenhagen. Dennoch sind die Mediziner zuversichtlich, schon in absehbarer Zeit Patienten mit den neuen Zellen behandeln, und ihre Herzfunktion wieder verbessern zu können. Die Vorbereitungen dafür laufen. Und bereits im kommenden Jahr sollen in einer DZHK-Studie erste Herzpflaster an Patienten mit schwerer Herzinsuffizienz getestet werden. So könnte ihnen ein Spenderherz erspart bleiben.

Bis die Wissenschaftler des DZHK so weit wie heute gekommen sind, bedurfte es einiger Vorabforschungen über das Züchten von Hautzellen zur Behandlung von Herzerkrankungen. So wurde im Jahre 2016 ein im Labor gezüchtetes, menschliches Herzmuskelgewebe erstmals erfolgreich auf ein krankes Meerschweinchenherz genäht. Und im Dezember 2018 gaben die Forschenden bekannt, dass sie schlagendes menschliches Herzmuskelgewebe der Vorhöfe aus Hautzellen gezüchtet hatten.