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BIOLOGISCHES GEWEBEIMPLANTAT PER 3D-DRUCK

3D-Druck gilt als Eckpfeiler der Industrie 4.0. Es gibt kaum eine Branche, wo dieses Verfahren nicht eingesetzt wird. Und auch in der regenerativen Medizin ist der 3D-Druck mittlerweile angekommen. Erst im April 2019 stellten israelische Forscher ein gedrucktes, dreidimensionales Mini-Herz aus menschlichem Gewebe vor. Dies ist zwar lange noch nicht Einsatzbereit, doch immerhin soll es vergleichbar sein mit dem eines menschlichen Fötus.

MASSGESCHNEIDERTE GEWEBESTRUKTU

Forschende des Fraunhofer Instituts für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB Stuttgarthaben nun erstmals gemeinsam mit der Universität Stuttgart  biologisches Gewebe aus dem 3D Drucker hergestellt. Somit könnte in Zukunft irreparabel zerstörtes Gewebe durch eine maßgeschneiderte, biologisch funktionelle Gewebestruktur aus dem Drucker ersetzt werden. Doch bis dahin ist es noch ein langer Weg. Dr. Achim Weber, stellvertretender Abteilungsleiter am IGB schätzt den Zeitraum auf cirka ein Jahrzehnt. Vorher werden noch zahlreiche Testsysteme gefahren. Dies fängt vom Drucken in die Petrischale an, geht über die Erprobung in Medikamenten und dürfte dann erst einmal in unkritische Bereiche wie Sehnen und Knochen gehen, bevor tatsächlich einmal ein Herz, Auge oder eine Niere gedruckt werden kann.

BIOTINTE ALS BASIS

Bio-Ink © Fraunhofer IGB

Basis des Verfahrens sind sogenannte Biotinten, die sich für den 3D-Druck, also eine additive Fertigung eigenen. Die Tinten bestehen aus Biopolymeren wie Gelatine oder Hyaluronsäure, einem wässrigem Nährmedium und lebenden Zellen. Schicht für Schicht werden diese Flüssigkeiten übereinander gedruckt, bis ein vorher programmiertes 3D-Objekt entsteht. Während des Drucks bleiben die Biotinten fließfähig. Danach werden sie mit UV-Licht bestrahlt. Dadurch vernetzen sie sich zu Hydrogelen, also wasserhaltigen Polymernetzwerken.

EINZIGARTIGES BIOPRINTING

Die Biomoleküle lassen sich gezielt chemisch modifizieren. Somit wird erreicht, dass die gedruckten Gele unterschiedliche Festigkeiten und Quellbarkeiten aufweisen. Dementsprechend können Eigenschaften von natürlichen Geweben nachgebildet werden. Das kann ein fester Knorpel sein, aber auch ein weiches Fettgewebe. Das Spektrum an einstellbarer Viskosität ist breit.

Bei 21 Grad Raumtemperatur ist Gelatine fest wie ein Wackelpudding – so kann sie nicht gedruckt werden. Damit dies nicht passiert und wir sie unabhängig von der Temperatur prozessieren können, maskieren wir die Seitenketten der Biomoleküle, die dafür zuständig sind, dass die Gelatine geliert“, skizziert Weber eine der Herausforderungen des Verfahrens.

Ein weitere Hürde: Damit die Gelatine bei einer Temperatur von etwa 37 Grad nicht fließt, muss sie chemisch vernetzt werden. Um dies zu erreichen, wird sie sozusagen zweifach funktionalisiert. Das bedeutet: Alternativ zu den nicht vernetzbaren, maskierenden Acetylgruppen, die ein Gelieren verhindern, baut das Forscherteam vernetzbare Gruppen in die Biomoleküle ein. Diese Vorgehensweise ist im Bereich des Bioprintings einzigartig.

Wir formulieren Tinten, die verschiedenen Zelltypen und damit auch verschiedenen Gewebestrukturen möglichst optimale Bedingungen bieten“, so Dr. Kirsten Borchers.

Sie ist verantwortlich für die Bioprinting-Projekte in Stuttgart.

KNOCHEN- UND VASKULARISIERUNGSTINTE

In Kooperation mit der Universität Stuttgart ist es unlängst gelungen, zwei unterschiedliche Hydrogel-Umgebungen zu schaffen. So sollen zum einen festere Gele mit mineralischen Anteilen die Knochenzellen bestmöglich versorgen. Während weichere Gele ohne mineralische Anteile Blutgefäßzellen die Möglichkeit geben sollen, sich in kapillarähnlichen Strukturen anzuordnen.

Die beste künstliche Umgebung für die Zellen ist die, die den natürlichen Bedingungen im Körper möglichst nahekommt. Die Aufgabe der Gewebematrix übernehmen in unseren gedruckten Geweben daher Biomaterialien, die wir aus Bestandteilen der natürlichen Gewebematrix herstellen“, erklärt Borchers.

Durch das Variieren der Zusammensetzung des Biomaterials ist also der Druck von verschiedenen biologischen Implantaten möglich. So konnten die Wissenschaftler auf Basis ihres verfügbaren Materialbaukastens beispielsweise „Knochentinte“ herstellen. Die darin verarbeiteten Zellen sollen das Originalgewebe regenerieren, also selber Knochengewebe bilden. Das Geheimnis der Tinte ist eine spezielle Mischung aus dem pulverförmigen Knochenmineral Hydroxylapatit und aus Biomolekülen.

Die Vaskularisierungstinte hingegen bildet weiche Gele, in der sich Kapillarstrukturen – also Blutgefäße – etablieren konnten. Hierfür werden spezielle Zellen, die Blutgefäße bilden, in die Tinten eingebracht. Die Zellen bewegen sich, wandern aufeinander zu und formen Anlagen von Kapillarnetzwerken aus kleinen röhrenförmigen Gebilden. Wird dieser Knochenersatz implantiert, so würde der Anschluss des biologischen Implantats an das Blutgefäßsystem des Empfängers wesentlich schneller funktionieren, als bei Implantaten ohne kapillarähnliche Vorstrukturen.

Ohne Vaskularisierungstinte ist erfolgreicher 3D-Druck von größeren Gewebestrukturen vermutlich nicht möglich“, so Weber.

REGENERATION VON KNORPEL

Jüngstes Forschungsprojekt des Stuttgarter Forscherteams ist die Entwicklung von Matrices für die Regeneration von Knorpel. „Für alle Körperzellen, die wir aus Gewebe isolieren und im Labor vermehren, müssen wir dazu eine Umgebung schaffen, in der sie ihre spezifischen Funktionen auch über längere Zeit erfüllen können“, schildert Lisa Rebers, Bioingenieurin im Team, die Versuche. Sicherlich werden noch weitere interessante 3D Druckprozesse aus Biomaterialen folgen.

Denn die genannten Ergebnisse entspringen der Arbeitsgruppe Additive4Life, die an der Erprobung und Entwicklung neuer Technologien im Bereich Bioprinting forscht.

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ERFOLGREICHER TEST VON RAKETENTRIEBWERK AUS 3D-DRUCK

Diese Woche erreichte die Europäische Weltraumorganisation ESA in punkto Raketentriebwerk einen wichtigen Meilenstein. Denn am Prüfstand P8 in Lampoldshausen absolvierte das BERTA-Triebwerk am 18.2.2018 erfolgreich seinen ersten Testlauf. BERTA (Biergoler Raumtransportantrieb) wurde ganze 560 Sekunden mit einem auf 2,45 Kilonewton ausgelegten Referenzschub getestet. Die Besonderheit: Der Raketenmotor wurde Ende 2018 vollständig im 3D-Druckverfahren gefertigt.

WETTBEWERBSFÄHIGKEIT EUROPÄISCHER TRÄGERSYSTEME

Der 3D-Druck ‒ auch additive Fertigung genannt ‒ liefert für den Triebwerksbau verschiedene Vorteile. So lassen sich die Produktionszeiten signifikant verringern. Derzeit werden zum Beispiel Brennkammern in Europa zuerst gegossen und geschmiedet. Dann werden Kühlkanäle ausgefräst, die schließlich mittels galvanischer Prozesse abgedeckt werden. Übliche Lieferzeiten betragen bis zu eineinhalb Jahre.

Mittels additiver Fertigung dagegen können vollständige Triebwerke innerhalb weniger Wochen geliefert werden. Bei BERTA wurde sowohl der Einspritzkopf ‒ er besteht aus einer korrosionsbeständigen Nickelbasislegierung ‒, sowie auch die Brennkammer aus Edelstahl durch selektives Laserschmelzen hergestellt. Durch den Einsatz eines Lasers wurde das finale Bauteil schichtweise durch Aufschmelzen des Werkstoffes in Pulverform auf einer Grundplatte aufgebracht. Im 3D-Druck-Verfahren sind komplexere Strukturen möglich, die sich in konventionellen Verfahren nicht herstellen lassen. So enthält BERTA ein komplexes Design für die Kühlkanäle, welches ein verbessertes Kühlverhalten der Brennkammer sicherstellen soll. Durch die optimierte Kühlung können Brennkammern zukünftig kompakter gebaut werden. Das spart Material ein. „Die additive Fertigung eröffnet Europa neue Wege, Triebwerke zu fertigen“, so Lysan Pfützenreuter, Projektleiterin beim DLR Raumfahrtmanagement. „Mit dem erfolgreichen Nachweis der Technologie wird ein wichtiger Schritt in Richtung einer verbesserten Wettbewerbsfähigkeit europäischer Trägersysteme gegangen.“ Somit kommt die Europäische Weltraumorganisation ESA dem Bau von neuen, wirtschaftlicheren Raketen deutlich näher.

P8 IN LAMPOLDSHAUSEN

Prüfstand P8 in Lampoldshausen ©DLR

Der P8 ist ein Forschungs- und Entwicklungsprüfstand beim DLR (Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt) in Lampoldshausen, der gemeinschaftlich vom DLR, der französischen Raumfahrtagentur CNES und dem industriellen Partner ArianeGroup genutzt wird. Die Verantwortung für den Betrieb und die Durchführung der Tests liegt bei dem Prüfstandteam des DLR. „Der Prüfstand P8 bietet umfangreiche Möglichkeiten, Demonstratoren von Komponenten über Baugruppen bis hin zu kleinen Triebwerken zu testen. Ziele der aktuellen Tests sind, das Strömungsverhalten und den Wärmeübergang bei gedruckten Oberflächen zu untersuchen. Diese neue Technologie kann derzeit europaweit nur am Prüfstand 8 in Lampoldshausen getestet werden“, erläutert Gerd Brümmer, DLR-Ingenieur und Leiter des Prüfstands P8.

MISSIONEN ÜBER ERDORBIT HINAUS

BERTA ist für den Betrieb mit lagerfähigen Treibstoffen ausgelegt. Das bedeutet, dass die Treibstoffe bei Raumtemperatur gelagert werden können. Triebwerke dieser Art sind sehr zuverlässig und können mehrfach gezündet werden. Sie eignen sich somit für längere Missionen. Damit kann dieses Triebwerk nicht nur für den erdnahen Bereich auf kleinen bis mittleren Raketen eingesetzt werden, sondern auch für Missionen über den Erdorbit hinaus. Übliche lagerfähige Treibstoffe sind jedoch hochgiftig. Für die Testläufe im Prüfstand werden daher kryogene Treibstoffe verwendet.

Entwickelt wurde das Triebwerk im Rahmen der Forschungen für zukünftige europäische Trägersysteme (Future Launcher Preparatory Programme/FLPP) der ESA. Deutschland ist seit Jahren größter Beitragszahler im FLPP-Kernprogramm. Das DLR Raumfahrtmanagement steuert die Verwendung der Mittel innerhalb von FLPP und berät die ESA bei der Durchführung einzelner Projekte.

Die Testkampagne wird noch vier Wochen andauern und die Ergebnisse werden auch in weitere Entwicklungsvorhaben der ESA einfließen. So sollen 3D-Druckverfahren für Weiterentwicklungen der Ariane-6-Triebwerke Vinci und Vulcain eingesetzt werden.

Bild oben: BERTA-Triebwerk bei der Integration ©DLR

Dieser Artikel erschien am 20.2.2019 in der Innovation Origins.