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Reisen, ABER NACHHALTIG – Geht das überhaupt?

Wir alle wissen: Autos, Flugzeuge und sogar die Bahn belasten die Umwelt. Sollten umweltbewusste Outdoorsportler deshalb besser daheimbleiben? Mitnichten! Einziger Appell: Augen auf bei der Reiseplanung.

Text: Almut Otto; Fotos: DAV Summit Club, DAV/Josef Essl, Friederike Kaiser, Almut Otto, Eike Otto, Burghard Rauschelbach, GIZ/BKK

Zu Hause bleiben? Sich selbst einschließen?“ Burghard Rauschelbach, Berater für Tourismus und Destinationsentwicklung, wirkt fast etwas entsetzt, als wir ihn nach einer nachhaltigen Alternative für das Reisen befragen: „Egal aus welchem Grund – das wäre schrecklich. Es ist für mich keine Frage: Reisen muss nachhaltig sein. Oder sagen wir es etwas konkreter: Umweltfreundlich, verantwortungsvoll gegenüber Natur, Umwelt und Menschen.“ Einen sehr großen Anteil in Bezug auf eine negative CO2-Bilanz kann beim Reisen die Anfahrt ausmachen. Deshalb gibt es für umweltbewusste Touristen eine Faustformel: Bei Reisen unter 700 Kilometern Entfernung ist es besser, auf ein Landtransportmittel umzusteigen. Bus oder Bahn sind dabei am umweltfreundlichsten. Wobei laut dem Tremod-Emission Model des Umweltbundesamtes die C02-Bilanz in einem mit vier Personen besetzten Auto durchaus vertretbar ist. Bei Flugreisen von 700 bis 2.000 Kilometern wird ein Mindestaufenthalt von acht Tagen und bei einer Flugreise über 2.000 Kilometer ein Aufenthalt vor Ort von mehr als 14 Tagen empfohlen.

Ingo Nicolay, Geschäftsführer des DAV Summit Clubs, zu der Frage, wie der Reisespezialist das Thema Nachhaltigkeit in die Praxis umsetzt: „Nachhaltigkeit ist nicht moralinsaurer Verzicht, sondern intelligentes Überdenken gewohnter, manchmal vielleicht auch lieb gewonnener Traditionen. Ein konkretes Beispiel: Beim ersten Blick gewinnt immer das Auto vor der Anreise mit der Bahn. Hier kommt unser Einsatz. Wir lenken und leiten Mobilität. So gibt es schon heute über 50 Kurse und Touren, die ich in vielen Fällen schneller, auf jeden Fall bequemer, mit der Bahn erreiche. Und unsere Kunden machen mit. Im Tierser Tal waren kürzlich von neun Kunden sieben mit der Bahn angereist. Und das ist erst ein Anfang.“

KLIMASPENDEN FÜR DIE UMWELT

Fliegen: Eine der umweltschädlichsten Arten zu reisen

Flugreisen stehen bei Umweltschützern besonders in der Kritik, denn hier wirken sich gleich mehrere Faktoren auf das Klima aus. Wen es trotzdem in die weite Ferne zieht, der kann zumindest durch eine Spende noch etwas für die Umwelt tun. Doch Vorsicht, nicht alle Angebote sind seriös. Bei Klimaspenden also am besten auf Aktionen nach dem CDM Gold Standard achten. Diese folgen den strengen Richtlinien des UNKlimasekretariats. Mitglieder des DAV Summit Clubs können auch pauschal ihren Mitgliederrabatt von 30,– Euro auf Reisen oder einen anderen freiwilligen Betrag für das My Climate Biogas Projekt in Nepal spenden. Das Schöne daran: Man weiß genau, wo das Geld eingesetzt wird.

Heliskiing

Zwar erstellt Burghard Rauschelbach, Berater für Tourismus und Destinationsentwicklung, keinen Freibrief für Heliskiing, doch zeigt seine Antwort in Bezug auf mögliche Infrastrukturen bis hin zum Heliskiing, das Dilemma, in dem sich Touristiker befinden: „Wer den Alpentourismus der letzten Jahrzehnte beobachtet, der stellt fest, dass die wilden, unberührten Gebiete nach Anzahl und Fläche rapide abgenommen haben. Wo braucht man als Bergsportler oder Wanderer eine weitere Erschließung? Das ist sehr sorgfältig abzuwägen. In den Alpen, aber auch in den Mittelgebirgen muss inzwischen der Grundsatz gelten: Kein Ausbau ohne Rückbau an anderer Stelle. Selbstverständlich muss man sich einschränken. ‚Einschränken’, das klingt nach Verlust. Es ist genau umgekehrt: Wir wissen, was eine neue Liftanlage oder ein Mountainbike-Trail bedeuten kann – nämlich Vernichtung ökologischer Funktionen, Verlust an Naturgenuss. Sie nennen Heliskiing, das ist sozusagen das Gegenteil von nachhaltigem Bergtourismus. Ich brauche wohl nicht zu erläutern, warum. Aber nun das kleine Gedankenspiel zur Destinationsentwicklung: Was ist schlechter, Heliskiing mit wenig Individualtouristen, zeitlich beschränkt und ohne bauliche Eingriffe oder: Skianlage mit Massentourismus und dauerhaften Veränderungen? Manchmal steht man als Planer vor solchen Fragestellungen.“

NACHHALTIGE ANGEBOTE MÜSSEN AUCH GEKAUFT WERDEN

Die Anforderungen an ein nachhaltiges Tourismusangebot sind sehr komplex. Alleinige Klimakompensation reicht da nicht. „Zunächst einmal muss das Produkt stimmen!“, erklärt Eike Otto, Berater Sustainable Tourism, „Nachhaltiger Tourismus funktioniert nur, wenn er auch gekauft wird.“ Ohne den Kunden gelingt Nachhaltigkeit also nicht. Erst wenn touristische Nachfrage generiert wird, kann Tourismus auch zum Schutz von Pflanzen, Tieren und deren Lebensräumen beitragen. Man bedenke, dass dabei das Thema Naturschutz von der touristischen Infrastruktur bis hin zur Speisekarte im Restaurant reicht. Doch auch Umweltschutz – darunter Luftreinhaltung, Abfallvermeidung, Wasserverbrauch und Abwasserklärung – ist in Bezug auf Nachhaltigkeit ein wichtiges Thema. Ebenso zeigt die lokale Wertschöpfung, also was vom Fremdenverkehr vor Ort bei der Bevölkerung an Einnahmen ankommt, ob Tourismus nachhaltig ist oder nicht. Dazu gehören nicht nur die Ausgaben der Urlauber, sondern Leistungen entlang der gesamten Wertschöpfungskette, durch die das touristische Produkt überhaupt erst möglich wird. Und neben den Einnahmen der touristischen Unternehmen kommt noch der indirekte Wertschöpfungseffekt, wie zum Beispiel Bäcker oder Apotheke, hinzu. Mittlerweile werden heute auch Arbeitsbedingungen und die Sicherheit am Arbeitsplatz als wichtige Kriterien für nachhaltigen Tourismus angesehen. Wer bei seiner Urlaubsreise in puncto Nachhaltigkeit auf Nummer sicher gehen möchte, der kann sich an einer Vielzahl von Gütesiegeln, wie zum Beispiel Green Globe oder Viabono, orientieren. Zertifizierte, nachhaltige touristische Angebote bieten neben dem Summit Club unter anderem die Alpine Pearls und das Forum Anders Reisen.

Eike Otto, Tourismusberater, sustainable-tourism.com, setzt – neben der Verantwortung des Reiseveranstalters, planerischen Aspekten etc. – auch auf die Macht des umweltbewussten Kunden vor Ort: „Die Regeln, die man von zu Hause kennt, sollte man auch anderswo und vor allem in fernen Ländern verinnerlichen, zum Beispiel Nutzung des vorgegebenen Wegenetzes, Einhaltung von Abständen zu Wildtieren, Lärmvermeidung usw. Wer nach dem Motto ‚was nicht verboten ist, ist erlaubt’ geht, handelt verantwortungslos. Ich erlebe aber immer wieder, dass viele Urlauber sensibler in puncto Nachhaltigkeit sind, als dies bei so mancher Destination der Fall ist. Daher empfehle ich, auch deutlich auf Missstände an seinem Urlaubsort aufmerksam zu machen. Nichts hat mehr Gewicht als die Meinung des Kunden!“

Dieser Artikel erschien in der Mountains4u 5/2014.