Archiv der Kategorie: Science&Future

DESIGNPRINZIPIEN SOLLEN SMARTPHONE-AKKUS SICHERER MACHEN

Dendriten – also astartige Auswüchse an der negativen Elektrode, der Anode – sind oft die Verursacher von Kurzschlüssen, die letztendlich auch zum Smartphone-Brand führen können. Wissenschaftler der Uni Ulm haben nun untersucht, warum Lithium-Ionen-Akkus – diese werden meist in Mobiltelefonen eingesetzt –, zur Dendritenbildung neigen, andere Speichersysteme, wie zum Beispiel magnesiumbasierte Batterien, jedoch nicht. Des Weiteren wurden auch Lithium-, Natrium-, Magnesium-Ionen, Aluminium- und Zink-Luft Batterien betrachtet sowie ein Zusammenhang zu möglichen Calcium- und Kalium-Batterien hergestellt.

©Mönig/Kramer, HIU/KIT

Lichtmikroskopische Aufnahme eines wachsenden Dendriten aus Lithium während der elektrochemischen Abscheidung des Metalls aus einer Elektrolytlösung Foto: HIU

Lichtmikroskopische Aufnahme eines wachsenden Dendriten aus Lithium während der elektrochemischen Abscheidung des Metalls aus einer Elektrolytlösung

SELBSTDIFFUSIONSBARRIEREN VERANTWORTEN DENDRITEN

Bisher gingen die meisten Forscher davon aus, dass die Zusammensetzung der Oberflächenschicht auf der Anode und des Elektrolyten der Grund für die Dendritenbildung sei. Neuere experimentelle Forschungsergebnisse aus dem Helmholtz-Institut Ulm (HIU) –einem Batterieforschungszentrum aus dem Zusammenschluss des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT), der Universität Ulm sowie weiteren Partnern – deuten auf eine andere Ursache: Demnach scheint eine dem Metall innenwohnende Eigenschaft die Dendriten zu verursachen. Die Forscher um Professor Axel Groß, dem Leiter des Instituts für Theoretische Chemie an der Uni Ulm und Gruppenleiter am HIU sowie den Doktoranden Markus Jäckle, Erstautor der Studie, hatten für ihre Untersuchung sogenannte „Selbstdiffusionsbarrieren“ verschiedener, in Akkus verwendeter, Metalle im Blick. Denn diese Barrieren beim Wiederaufladen der Batterie verantworten nach der Abscheidung die Verteilung der Metallatome auf der Anoden-Oberfläche. Sie sorgen also dafür, ob diese gleichmäßig oder ungleichmäßig angeordnet sind.

DESKRIPTOR ZUR ENTWICKLUNG VON ALTERNATIVEN

„Wir haben uns gefragt, ob es eine einfache physikalisch-chemische Materialeigenschaft, einen sogenannten Deskriptor, gibt, mit dessen Hilfe man vorhersagen kann, ob metallische Anoden in Batterien zum Dendritenwachstum neigen. Dabei sind wir davon ausgegangen, dass die Beschaffenheit der Anoden-Oberfläche, ob rau oder glatt, einen erheblichen Einfluss auf die Dendritenbildung hat“, so Professor Groß. Genau dieser Deskriptor ist hochrelevant, um zuverlässige Nachfolgesystemen für Lithium-Ionen-Batterien zu entwickeln. Als Alternativen zum immer seltener werdenden Lithium, das in Energiespeichern meist in Kombination mit dem ebenfalls kritischen Übergangsmetall Kobalt verwendet wird, kommen übrigens Aluminium, Natrium, Magnesium und auch Zink in Frage.

THEORETISCHE UND EXPERIMENTELLE FORSCHUNGSERGEBNISSE

Die Forscher kombinierten für Ihre aktuelle Publikation Forschungsergebnisse aus der Theorie sowie aus Experimenten. Per Simulation an Supercomputern wie JUSTUS von der Uni Ulm und SUPERMUC aus dem Leibniz-Rechenzentrum in München berechnete das Team Diffusionsbarrieren sowie Eigenschaften der unterschiedlichen, in Batterien verwendeten Materialien auf atomarer Ebene. So konnten sie die experimentellen Daten des HIU und der anderen Einrichtungen im Detail nachvollziehen und erstmals Metalleigenschaften, die das Dendritenwachstum beeinflussen können, identifizieren.

MAGNESIUM UND ALUMINIUM OHNE DENDRITENWACHSTUM

Die Ergebnisse der Berechnungen bestätigen die wichtige Rolle der Selbstdiffusionsbarrieren: Beim Wiederaufladen der Batterie, nach dem Abscheiden, verteilen sich bei niedrigen Diffusionsbarrieren die Metallatome äußerst gleichmäßig. Entsprechende Materialien, wie beispielsweise Magnesium oder Aluminium, zeigen also kein Dendritenwachstum. Sind aber hohe Diffusionsbarrieren, wie sie bei Lithium- und Natrium-Speichern vorkommen, vorhanden, bilden sich raue Oberflächen. Diese wiederum begünstigen nadelartige, dendritische Strukturen. Demnach erlaubt die Höhe der Diffusionsbarrieren also Deskriptor Vorhersagen darüber, ob metallische Anoden in Batterien zu Dendritenwachstum neigen oder nicht.

SCHLÜSSEL SIND ANODEN-OBERFLÄCHE UND ANODEN-MATERIAL

Zwar lässt sich aus dem Beitrag der Forschenden noch keine vollständige Theorie des Dendritenwachstums ableiten, wohl aber Designprinzipien für sichere Batterien. Jäckle fasst wie folgt zusammen: „Unsere Ergebnisse lassen erwarten, dass wir Dendritenwachstum durch eine Verringerung der Höhe von Selbstdiffusionsbarrieren gezielt verhindern können. Dies gelingt zum Beispiel durch die Modifikation der Anoden-Oberfläche. Eine andere Möglichkeit wäre es, von vornherein Anodenmaterialien mit niedrigen Selbstdiffusionsbarrieren auszuwählen, die aufgrund dieser Eigenschaft nicht zur Dendritenbildung neigen.“ Auf dieser Basis lassen sich Designempfehlungen formulieren, die bei der Entwicklung zuverlässiger neuer Speichersysteme helfen – nicht nur für Smartphones und Laptops, sondern auch im Hinblick auf globale Herausforderungen wie die Energiewende und die zunehmende Elektromobilität

ENERGIESPEICHERFORSCHUNG BEI CELEST

Das Forschungsvorhaben entstand im Zuge der Forschungsplattform CELEST (Center for Electrochemical Energy Storage Ulm-Karlsruhe), die von der Universität Ulm, dem KIT und dem Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoffforschung Baden-Württemberg (ZSW) betrieben wird. Neben den Interessanten Ergebnissen hat die Studie eine weitere Besonderheit inne: An dem aktuellen Projekt haben nicht nur etablierte Professoren mitgewirkt, sondern bereits Nachwuchsforscher, von Bachelorstudierenden bis zu Doktoranden. Unterstützt wurden die Forschenden bei den Berechnungen durch das Programm „High Performance Computing in Baden-Württemberg“ (bwHPC) und das Gauss Center for Supercomputing.

Bild oben: ©Pixabay

Dieser Artikel erschien am 27.12.2018 in der Innovation Origins.

EMBRYONALENTWICKLUNG: LIVE-FORSCHUNG AUS DEM ZELLKERN

Erstmals ist es Wissenschaftlern an der Uni Ulm gelungen, live zu beobachten, wie in Embryonalzellen eines Zebrabärblings die Transkription der DNA, beziehungsweise auf Deutsch DNS (Desoxyribonukleinsäure), ausgelöst wird. Das Ulmer Forscherteam aus Biophysikern, Biochemikern und Molekularbiologen beobachtete dabei die Biomoleküle sozusagen bei der Arbeit. Ihr faszinierendes Ergebnis: „Erst wenn es richtig eng wird im Zellkern, wird das Genom aktiviert“, so umschreibt Entwicklungsbiologe Professor Gilbert Weidinger vom Institut für Biochemie und Molekularbiologie den Befund.

ERGEBNISSE AUF DEN MENSCHEN ÜBERTRAGBAR

Die Untersuchungen wurden zwar in Embryonen des Zebrabärblings vorgenommen, doch Weidinger sowie sein Kollege, Christof Gebhardt vom Institut für Biophysik an der Universität Ulm, sind sich sicher: „Die am Zebrabärbling gewonnenen Erkenntnisse über den Zusammenhang zwischen Zellkernvolumen und Transkriptionsfaktoraktivität können dabei auf andere Spezies wie den Menschen übertragen werden.“

Basis der Untersuchung ist die DNA als Bauplan des Lebens. In ihr sind alle Informationen vorhanden, die der biologische Organismus für seine Entwicklung benötigt. Nutzbar wird diese genetisch codierte Information erst durch Übertragung der DNA in RNA beziehungsweise auf Deutsch in RNS (Ribonukleinsäure), eine Art Bauplan zur Synthese von Biomolekülen.

 ZELLKERNVOLUMEN KOMMT SCHLÜSSELROLLE ZU

Unbekannt beim Transkriptionsprozess war bisher, wie die Genomaktivierung zum ersten Mal erfolgt: Da sich in den frühen Phasen der Embryonalentwicklung die Zellen teilen, ohne zu wachsen, wird das Volumen der Zellkerne immer kleiner. „Durch die Verkleinerung des Reaktionsvolumens verschiebt sich im Zellkern das physikalisch-chemische Gleichgewicht der Transkriptionsfaktoren hin zum DNA-gebundenen Zustand. Durch die vermehrte Bindung an die DNA bringen die Transkriptionsfaktoren schließlich den genetischen „Übersetzungsprozess“ erstmals zum Laufen,“ heißt es in einer Pressemitteilung des Instituts. Dem veränderten Volumen des Zellkerns kommt somit die Schlüsselrolle der Genomaktivierung zu.

EINSATZ VON LICHTBLATTMIKROSKOP

Lichtblattmikroskop
Erstautor der Studie, Doktorand Matthias Reisser, am Reflektions-Lichtblattmikroskop ©Elvira Eberhardt/Uni Ulm

Erstautor der Studie, Doktorand Matthias Reisser, am Reflektions-Lichtblattmikroskop ©Elvira Eberhardt/Uni Ulm

Um die Transkriptionsfaktoren im Zellkern genau lokalisieren zu können, setzten die Wissenschaftler ein Lichtblattmikroskop, eine Weiterentwicklung des Fluoreszenzmikroskops, ein. So wurde es möglich, die einzelnen, speziell markierten Biomoleküle in den lebenden Zellen sichtbar zu machen und somit auch deren Bewegung zu verfolgen. Zur Erforschung wird nur eine dünne Schicht der Probe beleuchtet. Dies führt zu einer höheren Sensitivität. Das Verfahren soll so schonend sein, dass „die untersuchten Biomoleküle nicht unter lichtinduziertem Stress leiden und so auch keinen Schaden nehmen“, heißt es aus den Laboren. Mit dieser Untersuchungsmethode ist es möglich, „Single Molecule Tracking“-Aufnahmen in den lebenden Organismen zu erhalten und Langzeitbeobachtungen während der Embryonalentwicklung zu machen. Das Verfahren wurde übrigens am Institut für Biophysik durch Professor Gebhardt noch leistungsfähiger gemacht.

FÖRDERUNG

Eine Förderung erhielt das spannende Projekt durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft sowie vom europäischen Wissenschaftsrat, der Studienstiftung des Deutschen Volkes und der Carl-Zeiss-Stiftung. Unterstützt wurde es zudem vom Zentrum für translationale Bildgebung (MoMAN) der Universität Ulm.

Bild oben: Hellfeldmikroskopische Aufnahme von Zebrabärblingembryonen. Das Bild entstand rund vier Stunden nach der Befruchtung ©Prof. Gilbert Weidinger/Universität Ulm

Dieser Artikel erschien in der Innovation Origins am 19.12.2018.

E-MOBILITÄT: LADEN KÖNNTE BALD SO SCHNELL SEIN WIE TANKEN

100 Kilometer Reichweite in drei Minuten – so schnell lud die Ultra-Schnellladestation bei Jettingen-Scheppach an der A8 zwischen Augsburg und Ulm die Testfahrzeuge aus dem Hause Porsche und BMW. Die Leistung des am 12.12.2018 in Betrieb genommenen Prototyps entspricht immerhin dem Drei- (Tesla Supercharger mit 145 kW) bis Neunfachen (50 kW DC Charger) der bis dato am häufigsten verfügbaren Leistung von DC-Schnellladestationen. Einzig zwei Schnellladestationen am Porsche-Zentrum Berlin-Adlershof bringen derzeit 350 kW. Die neue Ultra-Schnellladestation in Jettingen schafft immerhin bis zu 450 kW. Demonstriert wurde diese einmalige Ladeleistung an zwei Forschungsfahrzeugen: So erreichte ein umgebauter Porsche Panamera mit einer Netto-Batteriekapazität von knapp 90 kWh unter besonderer Kühlung eine Ladeleistung von über 400 kW und ermöglichte somit die oben schon erwähnte Ladezeit von unter drei Minuten für die ersten 100 Kilometer Reichweite.

Der ebenfalls modifizierte BMW i3 war mit einer Hochvoltbatterie mit 57 kWh Netto-Kapazität ausgestattet. Er benötigte für den Ladevorgang von 10-80 % State of Charge (SOC) nur noch 15 Minuten. Fahrzeugseitig wurde hier ein speziell entwickelter Hochvoltspeicher in Kombination mit einer intelligenten Ladestrategie eingesetzt. Das heißt, es wurde auf die genaue Vorkonditionierung der Speichertemperatur bei Ladestart, das Temperaturmanagement während des Ladevorgangs sowie auf ein perfekt abgestimmtes Profil der Ladeleistung über Zeit geachtet.

Der Ladevorgang erfolgte über ein fahrzeugseitiges Mehrspannungsnetz mit Hochvolt-DC/DC-Wandler (HV-DC/DC), indem die geforderte 800-V-Eingangsspannung der Ladesäule auf die niedrigere 400-V-Systemspannung des BMW-i3-Forschungsfahrzeugs transformiert wurde. Übrigens: das Fahrzeug kann durch den HV-DC/DC-Wandler auch rückwärtskompatibel Strom tanken. Wichtig ist dabei, eine gesicherte Kommunikation zwischen Fahrzeug und Ladesäule zu gewährleisten.

PROTOTYP 

Die ultraschnelle Ladestation soll für E-Autos aller Marken und mit der in Europa üblichen Typ-2-Variante des Combined Charging System (CCS) geeignet sein. Derzeit steht nur im schwäbisch-bayerischen Jettingen der Prototyp mit zunächst zwei Ladeanschlüssen, die übrigens kostenlos durch das öffentliche Stromnetz eingespeist werden, zur Verfügung. Während der eine Anschluss die oben erwähnte Ladeleistung bringt, gibt der zweite bis zu 175 kW ab. Doch schon Ende 2019 soll ein europäisches Schnellladenetz weitgehend stehen, so der Porsche Pressesprecher Mayk Wienkötter.

Die Ultra-Schnellladestation entspringt einer Entwicklung des im Juli 2016 gestarteten Forschungsprojekts „FastCharge“, das von einem Industriekonsortium unter der Führung der BMW Group betrieben wird und dem als Automobilhersteller zudem noch die Porsche AG angehört. Als Betreiber sind die Allego GmbH, die Phoenix Contact E-Mobility GmbH (Ladetechnik) sowie die Siemens AG (Elektrotechnik) mit von der Partie. Ziel der beteiligten Unternehmen ist, durch schnelles und komfortables Aufladen die Attraktivität von E-Mobilität zu steigern. Gleichzeitig wird im Rahmen von „FastCharge“ untersucht, welche technischen Voraussetzungen an den Fahrzeugen und bei der Infrastruktur erfüllt sein müssen, um die extrem hohen Ladeleistungen einsetzen zu können.

LEISTUNGSSTARKE INFRASTRUKTUR 

Übersicht der Ladeinfrastruktur ©Porsche AG

Basis der komplexen Technik bildet eine leistungsstarke Ladeinfrastruktur. So ermöglicht es das von Siemens stammende Energieversorgungssystem die Grenzen der Schnellladefähigkeit von Fahrzeugbatterien zu erproben. Schon heute kann das eingesetzte System mit höheren Spannungen von bis zu 920 Volt ‒ wie sie bei zukünftigen Elektrofahrzeugen erwartet werden ‒, arbeiten. In das System sind sowohl die Hochleistungselektronik für die Ladeanschlüsse als auch die Kommunikationsschnittstelle zu den Elektrofahrzeugen integriert. Dementsprechend ist eine automatische Anpassung der abzugebenden Leistung durch den Lade-Controller möglich, so dass verschiedene Elektroautos mit dieser Infrastruktur geladen werden können. Auch ist das gleichzeitige Laden mehrerer Fahrzeuge umsetzbar. Das Laden mit hohen Stromstärken und Spannungen macht eine Vielzahl unterschiedlicher Einsatzgebiete denkbar, wie etwa bei Flottenladelösungen oder eben das Laden an Autobahnen.

Um die Anforderungen in Bezug auf die Kühlung, die beim schnellen Aufladen mit besonders hoher Leistung auftreten, erfüllen zu können, werden gekühlte HPC-Ladekabel (High Power Charging) von Phoenix Contact eigesetzt. Diese Kabel sind vollständig CCS-kompatibel. Als Kühlflüssigkeit dient ein umweltfreundliches Wasser-Glykol-Gemisch, was wiederum einen halboffenen Kühlkreislauf und somit, im Vergleich zu hermetisch geschlossenen Systemen, eine einfachere Wartung, ermöglicht.

Das „Fast Charge“-Projekt wird mit insgesamt 7,8 Millionen Euro durch das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur gefördert. Koordiniert wird die Umsetzung der Förderrichtlinien von der Nationalen Organisation Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie (NOW).

Mit der Vorstellung des Ultra-Schnelllade-Prototyps kommen die beteiligten Unternehmen der Lösung von derzeitigen Hemmnissen in Bezug auf E-Mobilität ein Stück weit näher: der langen Ladezeit. Bleibt abzuwarten inwieweit der Ausbau von Ladestationen sowie auch die Hürde „Preis“ alsbald gestemmt werden. Eine Kritik wurde zumindest schon aus der näheren Umgebung des Ladecontainers bei Jettingen geäußert: die leistungsfähigen Kühlsysteme sollen relativ laut sein.

Foto oben: Der umgebaute Panamera erreichte eine Ladeleistung von über 400kW ©Porsche AG

Dieser Artikel erschien in der Innovation Origins.

KI: SMART CLOTHES ALS LEHRMEISTER

Bis vor wenigen Jahren noch diente Kleidung einzig dem Schutze des Menschen und hatte gleichzeitig noch modische Aspekte inne. Doch mittlerweile kann unsere zweite Haut immer mehr. Die Messung von Körperdaten wie Pulswert oder Kalorienverbrauch dank eingearbeiteter Sensoren ist ja schon fast ein alter Hut. Nun soll die Bekleidung aber auch noch durch künstliche Intelligenz Lehrfunktionen übernehmen: Zum einen als Trainer für den Menschen, zum anderen auch als Programmierer für Roboter.

Die neueste Entwicklung kommt aus dem Hause Turing Sense. Über drei Jahre tüftelte ein 27-köpfiges Team aus Ingenieuren und Leistungssportlern an ihrer Vision, aufwändige Videoanalysen von Bewegungen durch digitale Technologien wie KI zu ersetzen. Ihre Vision: komplizierte Sportübungen zeitnah, präzise und effektiv erlernbar zu gestalten. Das Ergebnis wurde letzte Woche offiziell gelauncht. Es handelt sich um ein Yogaoutfit, in das Sensoren eingearbeitet sind, die sich per App mit einem virtuellen Yogastudio verbinden.


Per Smart Clothing zum individuellen Yoga Work out mit i-Yogini daheim. Foto: Pivot Yoga

Angeboten werden hier Yogavideos von namhaften Instruktoren wie Brett Larkin, Kim Sin und Molly Grace. Fast als wäre die Yogini persönlich vor Ort, führt sie durch den ausgewählten Yogakurs. Dabei scannt das i-Double per W-LAN die Ausführung des Asanas, der Yogastellung, durch die Schüler. Dieser wird hierdurch als Avatar im Mobile- oder TV-Screen dargestellt, so dass der User sein Konterfei neben dem Lehrer beim Ausüben von Krieger, Hund und Co beobachten kann. Als interaktive App reagiert zudem die i-Yogini auf Sprachbefehle wie „Freeze“ oder „Show me camera“. Doch nun kommt der Clou: bei der Nachfrage „How´s this look?“ erhält der Anwender eine eventuell notwendige Korrektur der Yoga-Stellung. Das Workout kann somit individuell auf den persönlichen Leistungsanspruch abgestimmt werden. Natürlich erfüllt die High-Tech-Bekleidung auch höchste Ansprüche in puncto Komfort und Funktionalität. Sie ist sogar waschbar. Derzeit ist das Outfit namens Pivot Yoga bestehend aus Shirt und Pants für 99 $ nur in den USA sowie Kanada erhältlich. Die App funktioniert derzeit ausschließlich in Kombination mit IOS 11, einem iphone 7 und höher. Eine Android-App sowie auch die Lieferung nach Europa sind in Planung.

Möglicherweise gerade weil das anspruchsvolle Yoga erst durch eine präzise Ausführung die gewünschte Wirkung auf Körper und Seele hat, gibt es übrigens einen weiteren Bekleidungshersteller, der sich schon 2017 auf Smart Clothing im Bereich Yoga spezialisiert hat: Wearablex. Zwar werden hier auch die sogenannten Nadi X Pants – per Bluetooth – mit einer App verbunden, doch statt einer visuellen und optischen Korrektur erhält der Yogaschüler haptisches Feedback. Zehn winzig kleine, in den Hüftbereich, an den Knien und Knöcheln eingearbeitete, individuell einstellbare Vibrationen weisen ihn auf eine inkorrekte Stellung hin. Sie geben Ruhe, wenn die Position stimmt. Smart Pants von Wearable X sind derzeit in den USA, Kanada, der EU (plus Schweiz, Norwegen) und Australien/Neuseeland erhältlich, funktionieren unter IOS und kosten 249 $.

An einer genau entgegensetzten Anwendung von Künstlicher Intelligenz arbeitet derzeit das Dresdener Start Up Wandelbots. Das Unternehmen hat eine Software entwickelt, die es Robotern ermöglichst, sich durch Nachahmung von menschlichen Bewegungen ‒ die von zum Beispiel einem Monteur per Smart Clothes an ihn gesendet werden ‒, selbst zu programmieren. Diese neuartige Technologie soll 20-mal schneller und 10-mal günstiger sein, als herkömmliches Programmieren. Zu sehen ist diese Anwendung zum Beispiel in der Gläsernen Manufaktur von VW in Dresden. Der Fokus von Wandelbots liegt derzeit noch auf Industrierobotern. Doch wenn diese sich bei den ersten Praxis-Tests bewährt haben, könnte die Technik eine bahnbrechende Innovation werden: die Anwendung ist so einfach, dass zukünftig jeder, auch ohne Hintergrundwissen, in der Lage sein könnte, einen individuellen Roboter zu programmieren. Denkbare Einsatzbereiche sind neben der Industrie-Montage auch der Einsatz daheim und in der Pflege.

Foto oben: Der Roboter imitiert die Bewegung des Menschen und programmiert sich somit selbst. © Anne Schwerin

Dieser Artikel erschien in Innovation Origins