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FORSCHUNG: AUSWIRKUNG VON KLIMAWANDEL AUF DEN AUFTRIEB VON TIEFENWASSER

Auftriebsgebiete gelten mit ihrem nährstoffreichen Tiefenwasser als Produktionsstätten der Ozeane. Doch das könnte sich ändern: die Auswirkungen des Klimawandels und damit einhergehend die Verschiebung der Windsysteme sowie die allmähliche Erwärmung der Meere auf Auftriebsgebiete ist noch unklar. Gerade an den östlichen Rändern des Atlantiks und Pazifiks sorgt das Aufsteigen von nährstoffreichem Tiefenwasser für besonders hohe, biologische Produktivität. Die Gebiete weisen dadurch nicht nur eine große Artenvielfalt auf, sondern liefern auch 20 Prozent der weltweiten Fischereierträge. Sie haben somit ‒ auch wenn sie nur knapp zwei Prozent der Fläche der Ozeane einnehmen ‒ eine enorme Bedeutung für die Gesellschaft und Wirtschaft der angrenzenden Länder sowie auch für die gesamte Welternährung.

BENGUELASTROM, KANARENSTROM SOWIE HUMBOLDTSTROM IM FOKUS

Grund genug also, der Frage nachzugehen, ob die Auftriebsgebiete diese Funktion noch erfüllen können, wenn sich die Ozeane weiter erwärmen, sie saurer werden, weiter Sauerstoff verlieren und sich möglicherweise Windsysteme über den Meeren ändern. Unter der Gesamtkoordination des Geomar Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel sind nun drei Forschungsprojekte mit dem Thema „Bedeutung von Klimaänderungen in küstennahen Auftriebsgebieten“ gestartet. Erforscht wird im Südostatlantik der Benguelastrom, im Nordostatlantik der Kanarenstrom und im Südostpazifik der Humboldtstrom. All diese Gebiete liegen im Bereich von großen, parallel zur Küste verlaufenden Meeresströmungen. Passatwinde treiben dabei die Wassermassen jeweils Richtung Äquator. Und die Erdrotation sorgt dafür, dass sich oberflächennahes Wasser von der Küste fortbewegt, was wiederum kaltes, nährstoffreiches Wasser aus der Tiefe an die Oberfläche zieht. Die biologische Produktion wird somit angetrieben.

Auftreibesgebiete der nördlichen Hemisphäre
Die Küstenauftriebsgebiete liegen im Bereich von großen, parallel zur Küste verlaufenden Meeresströmungen ©Vorlage NDAA/Bearbeitung GEOMAR

DIE ROLLE VON WIRBELN VERSTEHEN

Das Forschungsprojekt des Kanarenstroms heißt REEBUS. Es soll die Rolle von Wirbeln für die Kohlenstoffpumpe in Küstenauftriebsgebieten untersuchen. „Es basiert auf der Beobachtung, dass ozeanische Wirbel eine zentrale Rolle für die physikalischen, biogeochemischen und biologischen Eigenschaften von Küstenauftriebsgebieten spielen“, erklärt Prof. Dr. Arne Körtzinger, REEBUS-Koordinator von Geomar. Im Rahmen des Projekts wollen die Forscherinnen und Forscher Wirbel mit einem neuartigen, vielschichtigen Beobachtungsansatz sowie mit Hilfe von Prozessmodellen besser verstehen. Dabei greift das REEBUS-Team auf Vorarbeiten des Kieler Sonderforschungsbereichs 754 zurück. Dem Team steht auf den kapverdischen Inseln mit dem Ocean Science Centre Mindelo ein moderner Stützpunkt für die geplanten Feldarbeiten vor Westafrika zur Verfügung.

REAKTION VON ÖKOSYSTEM AUF GEÄNDERTEN AUFTRIEB

Am Humboldtstrom geht es unter dem Namen CUSCO (Coastal Upwelling System in a Changing Ocean) darum, im Auftriebsgebiet vor Peru die Reaktion des Ökosystem zu erforschen. „Zwar ist es das produktivste aller Küstenauftriebsgebiete,“ so Professor Dr. Ulf Riebesell, der neben der Gesamtkoordination auch die Verantwortung für CUSCO innehat, „es ist aber völlig unklar, wie die biologische Produktivität mit der Intensität des Auftriebs zusammenhängt. Wir wollen besser verstehen, wie dieses hochproduktive Ökosystem reagiert, wenn sich der Auftrieb bedingt durch den Klimawandel verändert“. CUSCO stützt sich im Wesentlichen auf eine Expedition mit dem deutschen Forschungsschiff MARIA S. MERIAN, die bereits seit Dezember vor der Küste Perus durchgeführt wird. Ein weiterer wichtiger Baustein ist ein Experiment mit der Kieler Offshore-Mesokosmen-Versuchsanlage KOSMOS in den Küstengewässern Perus. Dieses soll von Februar bis April 2020 stattfinden. Hinzu kommen Computersimulationen auf verschiedenen Skalen von speziell angepassten Ökosystem-Modellen bis hin zu regionalen Simulationen der physikalischen und biogeochemischen Prozesse.

FÖRDERUNG DURCH BUNDESFORSCHUNGSMINISTERIUM

Gemeinsam mit REEBUS und CUSCO startet das von Prof. Dr. Heide Schulz-Vogt vom Leibniz-Institut für Ostseeforschung in Warnemünde (IOW) koordinierte Projekt EVAR (Effekt von Variation in der Auftriebsintensität auf die Bedingungen im Ökosystem), das sich vor allem auf Untersuchungen im Auftriebssystem des Benguela-Stroms konzentriert und in das ebenfalls Wissenschaftler vom GEOMAR eingebunden sind. Die drei Verbundprojekte im Nordost- und Südostatlantik sowie im Südostpazifik werden in den kommenden drei Jahren vom Bundesforschungsministerium mit insgesamt 8,7 Millionen Euro unterstützt. „Es geht darum, die Empfindlichkeit dieser Gebiete gegenüber dem Klimawandel besser zu verstehen, um mögliche Folgen frühzeitig zu erkennen“, fasst Riebesell das Ziel der drei Projekte zusammen. Bleibt zu hoffen, dass nicht nur mögliche Folgen frühzeitig erkannt werden, sondern auch Gegenmaßnahmen – und zwar von allen Ländern der Welt – getroffen werden.

Bild oben: Mesokosmen vor der Küste Perus im Einsatz ©Ulf Riebesell/GEOMAR

Dieser Artikel erschien am 12.1.2019 in der Innovation Origins.

STATT CHEMIE: BIOLOGISCHER PFLANZENSCHUTZ FÜR MEERESALGEN

Algen sind gesund – zumindest in Maßen. Und dank ihrer vielfältigen Eigenschaften werden sie manchmal sogar als Rohstoff des 21. Jahrhunderts bezeichnet. Immerhin stammt jedes zweite Sauerstoffmolekül das wir zum Atmen brauchen aus der Photosynthese der Algen. Algen könnten also als Klimaretter dienen. Außerdem wird über ihre Nutzungsmöglichkeiten als Energiequelle sowie Kläranlage geforscht. Zuguterletzt werden Algen in der Medizin, Kosmetikindustrie sowie als Nahrungsergänzungsmittel eingesetzt. Grund genug also, die Algenzucht weltweit zu intensivieren – aber auch über sie zu forschen.

ANBAU VON MONOKULTUREN BIRGT RISIKO

Ähnlich wie Landpflanzen sind auch Meeresalgen anfällig für Krankheiten und Parasiten. Somit birgt der Anbau von Pflanzen in Monokulturen ein erhöhtes Risiko. Allein durch diverse Aufwuchsorganismen – beispielsweise Seepocken oder epiphytische Algen – ist der Seetang bedroht. Denn diese besiedeln die Oberflächen der Tange, vermindern dadurch ihr Wachstum und somit ihren Marktwert. So hat die jüngste Intensivierung des Algenanbaus in größeren Monokulturen schon zu einigen katastrophalen Krankheitsausbrüchen und hohen wirtschaftlichen Verlusten geführt. Um die Algen zu schützen müssen also wirksame Gegenmaßnahmen entwickelt werden.

Doch die Anwendung von Bioziden, wie in der Landwirtschaft üblich, ist für Algenkulturen kaum geeignet. Denn die Wirkstoffe werden zu schnell durch Wellen und Strömungen im Meer verdünnt. Das macht den Einsatz solch giftiger Verbindungen einerseits unwirtschaftlich, zugleich gefährdet er die Küstenumwelt.

AKTIVIERUNG DER NATÜRLICHEN EIGENABWEHR

Wissenschaftlern des GEOMAR Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel in Kooperation mit ihren Kollegen von der Ocean University of China in Qingdao gelang es nun erstmals, den Seetang ohne Chemie wirksam vor bestimmten Krankheitserregern zu schützen. Geforscht wurde an der Saccharina-Aquakultur: Und zwar in China – das übrigens traditionell als größter Produzent von Lebensmittelalgen gilt –, an den Braunalgen der Art „Saccharina japonica“. In Deutschland untersuchten die Forscher den in Europa heimischen Zuckertang „Saccharina latissima“.

Algenanbau
Algenernte auf einer Algenfarm in Rongcheng (China) © Florian Weinberger/GEOMAR

Die deutsch-chinesischen Wissenschaftler testeten dabei in Feldversuchen auf kommerziellen Algenfarmen die gezielte Aktivierung der natürlichen Eigenabwehr von Seetang. Hierfür behandelten sie die Algen in verschiedenen Zeitintervallen mit einem speziellen Saccharid (Oligoalginat), das einen Hauptbestandteil der Trockenmasse von Saccharina und verwandter Algen bildet. Unter natürlichen Bedingungen wird dieses ungiftige Saccharid bei Angriffen von Krankheitserregern aus dem befallenen Algengewebe freigesetzt und dann von benachbarten, gesunden Algenzellen mit großer Empfindlichkeit erkannt. Diese Erkennung löst dann sofort – innerhalb von Minuten – Abwehrreaktionen aus.

Die Forscherteams simulierten durch wöchentliche Kurzzeit-Behandlungen der Algen mit Seewasser, welches künstlich gewonnenes Oligoalginat enthielt, Angriffe von Krankheitserregern. Sowohl bei der deutschen als auch bei der chinesischen Algenart konnten sie positive Effekte erzielen. Ihr Ergebnis: Der Verlust von Algenkeimlingen war messbar geringer, der Befall erntereifer Saccharina mit parasitischen Mikroalgen ging deutlich zurück und auch die Dichte von Bakterien auf der Algenoberfläche war reduziert.

ZUNAHME VON AUFWUCHSORGANISMEN ALS UNERWÜNSCHTER NEBENEFFEKT

Doch kam es gleichzeitig zu einer Zunahme des Befalls der Algen mit Seepocken und anderen Aufwuchsorganismen. Wie der Leiter des Projektes, Dr. Florian Weinberger vom GEOMAR, erklärte, steht dieser unerwünschte Nebeneffekt wahrscheinlich direkt mit der Reduktion des bakteriellen Bewuchses auf der Algenoberfläche in Zusammenhang: Die Besiedlung von Algen und anderen lebenden und nichtlebenden Oberflächen im Meer durch Aufwuchsorganismen wird maßgeblich durch Bakterien beeinflusst, von denen einige Abwehrstoffe gegen Larven und Algensporen produzieren. „Wenn es uns eines Tages, gelingt Signalstoffe zu finden, die selektivere Abwehrreaktionen in den Algen auslösen, so dass nicht alle, sondern nur die unerwünschten Mikroorganismen eliminiert werden, kann die Methode noch deutlich hilfreicher sein. Aber schon heute lässt sie es zu, Verluste von Keimlingen zu reduzieren. Bei diesen spielt Aufwuchs nämlich noch keine Rolle,“ so Dr. Weinberger.

Die Studie wurde vom deutschen Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert und mit den Partnerunternehmen Coastal Research and Management in Kiel und Weihai Changqing Ocean Science & Technology Co. Ltd. in Rongcheng durchgeführt. Die Ergebnisse der Studie, die übrigens vom GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel koordiniert wurde, sind jetzt in der internationalen Fachzeitschrift Journal of Applied Phycology erschienen.

Foto oben: Algenfarm in Rongcheng (China) © Florian Weinberger/GEOMAR

Dieser Artikel erschien am 10.2.2019 in der Innovation Origins.