MOBILE LADESTATION FÜR E-AUTOS

Laut Statista gab es am 1. Januar 2019 rund 83.200 Elektroautos in Deutschland. Dem gegenüber stehen 13.900 Ladestationen (Stand: 6. März 2019). Doch meist befinden sich diese Ladestationen eher in Ballungsgebieten. Um eine Rundumversorgung in ganz Deutschland zu ermöglichen, aber die E-Mobilität vor allem auch C02-neutral zu gestalten, entwickelt derzeit das Berliner Start-up Me Energy an den mobilen Schnellladestationen „Me Charge“. Diese sollen per Biokraftstoff betrieben werden. Ein eigens konzipierter Generator im Inneren der Säule wandelt diesen dann in Strom um. So wird das Schnellladen ohne Anschluss an das Stromnetz möglich. Der Vorteil: Die Säule ist komplett unabhängig von jedweder Infrastruktur. Auch entfällt der teure Anschluss an das Mittelspannungsnetz. Ziel des Systems ist eine flexible und flächendeckende Verbreitung von Zapfsäulen für Elektrofahrzeuge. Insbesondere außerstädtische Gebiete, die bis dato mangels Infrastruktur von der E-Mobilität ausgeschlossen waren, sollen somit erschlossen werden.

AUSBAU DER INFRASTRUKTUR UND NUTZUNG VON BIOKRAFTSTOFF

Zwei Themen, warum die Elektrifizierung des Verkehrs nur langsam voranschreitet haben die innovativen Ingenieure besonders im Auge: So soll zum einen durch die Mobilität der Ladestationen den Menschen die Angst genommen werden, mit dem Elektroauto liegenzubleiben, da der Akku leer ist und keine Ladesäule in der Nähe. Dank der Schnelllademöglichkeit – die Stationen laden ein E-Auto übrigens für eine Reichweite von etwa 200 Kilometern innerhalb von 10 Minuten – sollen auch die Wartezeiten so kurz wie möglich gehalten werden.

Als zweiten Punkt entspricht die Gewinnung des Stroms durch Biokraftstoff, statt wie derzeit noch üblich zum Beispiel durch Kohle, dem Trend und dem Muss zur Gewinnung von Strom durch Erneuerbare Energien.

Me Charge ©MeEnergy

Doch es sprechen noch weitere Argumente für die Schnellladestationen:

Durch die hocheffiziente Technologie sind die Investitions- und Lebensdauerkosten deutlich geringer als bei vergleichbaren Produkten“, erklärt Alexander Sohl, von Me Energy, „es handelt sich daher um die erste profitable und nachhaltige Ladesäule.“

Mitgründer Holger Adler, ergänzt: „Der Verkehrssektor macht etwa 30% der gesamten CO2-Emissionen der EU aus. Unser Ziel ist es, eine flächendeckende, emissionsfreie und CO2-neutrale Elektromobilität zu ermöglichen. Mit unseren Säulen können ‒ im Vergleich zum aktuellen Strommix ‒ mindestens 7,5 kg CO2 pro 100 Kilometer eingespart werden. Damit können wir mit unserer Entwicklung einen erheblichen Beitrag zum Klimaschutz leisten.“

ZWEI NACHFÜLL-OPTIONEN

Zum Nachfüllen der Ladestation stehen zwei verschiedene Varianten zur Verfügung: So könnte sie einerseits auf einen klassischen Tank zurückgreifen. An der Station selbst soll dabei Platz für 2.000 L ‒ also ca. 200 Ladevorgänge ‒ zur Verfügung stehen. Auch könnte der Tank separat, z. B. unter der Erde platziert werden. Die eigentliche Ladestation umfasst dann 2 x 1 x 1,5 m (H x B x T). Angeliefert wird das Material klassisch über Tanklaster.

Bei der zweiten Variante steht der Kraftstoff in Patronen à 35 L zur Verfügung. Diese besitzen einen Verschluss, der automatisch beim Einsetzen geöffnet wird. Ähnlich einer DHL-Packstation oder eines Amazon Lockers verfügt die Ladestation über ein Schließfachsystem. So können die Patronen von verschiedenen Lieferdiensten wie DHL, UPS, Hermes usw. an die Station geliefert werden.

HINTERGRUND

Die Gründer Alexander Sohl (CEO) und Holger Adler (CTO) lernten sich durch Ihre gemeinsame Leidenschaft HiFi kennen. Holger ist übrigens auch Gründer vpn Voxativ, einer der weltweit führenden High-End Marken im Bereich Lautsprecherboxen. Der Markteintritt für die mobilen Säulen ist für Mitte 2020 geplant. Derzeit ist das 2018 gegründete Unternehmen übrigens auf der Suche nach Ingenieuren sowie auch Kapitalgebern.

KI-BASIERTES KAMERA-SYSTEM MIT 180°-BLICKWINKEL ZUR RUNDUMÜBERWACHUNG

Zugegeben: Der Gedanke ist gewöhnungsbedürftig – eine Kamera, die zum Beispiel daheim eine Rundumüberwachung anbietet. Während aktuelle Smart-Home-Komponenten auf eine kontinuierliche Internetverbindung angewiesen sind, setzt das Kamera-System des Chemnitzer Start-ups 3dvisionlabs GmbH ‒ bei dem ein einziger Sensor einen kompletten Raum vollständig in 3D erfasst ‒, auf eine unabhängige Lösung. Die Chemnitzer integrierten die leistungsfähige Auswertungshardware direkt in das Gerät. Denn die Gründer Lars Meinel, Michel Findeisen und Markus Heß sind sich des notwendigen Schutzes der Privatsphäre bewusst. „… unser Development Kit zeigt: HemiStereo ist Privacy-by-Design. Durch die Integration der 3D-Messung und der Auswertung der sensiblen Bilddaten im Gerät selbst wird die Privatsphäre der Nutzer erheblich besser gewahrt, als wenn ein Cloud-Dienst zum Einsatz kommt“, erklärt Meinel das neuartige System. Die Echtzeit-Auswertung vor Ort geschieht in einem kompakten Edge-Computing-Device durch Algorithmen mit Künstlicher Intelligenz (KI). Somit gelangen zumindest die rohen Bilddaten nicht ins Netz. Das macht dieses Analysesystem zur Erfassung von Räumen sowie menschlichem Handeln so überzeugend.

Founders 3dvisionlabs ©3dvisionlabs

THEMA „SELBSTBESTIMMTES ALTERN“ ALS IDEENGEBER

Die drei Jungunternehmer waren zuvor an der TU Chemnitz als wissenschaftliche Mitarbeiter der Professur für Digital- und Schaltungstechnik (Fakultät für Informations- und Elektrotechnik) an mehreren industriellen und wissenschaftlichen Forschungsprojekten beteiligt. Die Idee zum 3D-Kamera-System entstand dabei in Zusammenhang mit der Entwicklung von unterstützenden Technologien für das gesunde und selbstbestimmte Altern. Hier erkannten die Wissenschaftler das Problem, dass viele der herkömmlichen Systeme technisch zu aufwändig und kostspielig waren, um praxistauglich zu sein. Für ein System, das beispielsweiseeine gestürzte Personen in einer Wohnung erkennt, müssten in jedem Raum mehrere Kameras installiert werden. Zudem wäre eine komplexe Infrastruktur zur internen Verbindung notwendig.

Latest Sensor HS-DK1 ©3dvisionlabs

Mithilfe der neuen 3D-Kamera-Technik der Chemnitzer soll diese Hürde nun überwunden werden. So ist durch den Einsatz von drei besonders weitwinkligen Kameras in einem Gerät pro Raum nur noch ein einziger Sensor zur Personenerkennung nötig. Im Inneren des Gerätes wertet eine Software die erfassten Daten, wie etwa Koordinaten und 3D-Bilder, aus. Dies bietet im Vergleich zur Auswertung von einfachen 2D-Bildinformationen erhebliche Vorteile bei der Genauigkeit der Erfassung. Zudem besitzt der Sensor eine Art selbstlernenden Algorithmus, der darauf trainiert ist, nach dem Identifizieren eines Menschen, diesen auch im Raum zu „verfolgen“. Anhand der Silhouette und der Positionen von Körperteilen analysiert der Algorithmus die menschliche Haltung. Das ermöglicht ihm in Echtzeit einen Sturz auszuwerten und entsprechend zu agieren. So sendet der Sensor im Notfall sofort per SMS oder Smartphone-App ein Alarmsignal an beispielsweise Verwandte bzw. Kümmerer des Betroffenen. Oder er nutzt als intelligente Komponente eines Hausautomatisierungssystems vorhandene Möglichkeiten der Alarmierung wie beispielsweise das Absetzen einer Information an den Hausnotrufdienst.

VERSCHIEDENE EINSATZBEREICHE DENKBAR

Die neuartige Kamera-Technologie erlaubt in Verbindung mit KI-Methoden zahlreiche neue Möglichkeiten der Digitalisierung. Neben der Anwendung im Bereich Smart-Home ist ihr Einsatz auch in der Gebäudeautomatisierung, zur Unterstützung von Sicherheitspersonal im Bereich Security sowie von Kaufhausdetektiven im Bereich Einzelhandel möglich. Derzeit ist jeweils ein Prototyp des Systems bei einer SB-Bank in Karlsruhe und bei einer Berliner Filiale einer großen Supermarkt-Kette im Einsatz. Bei letzterer wird übrigens gerade getestet, ob sogar die Produkte im Einkaufskorb zu erkennen sind. „Durch das Feedback unserer Partner sind wir in der Lage, unser Produkt vor der öffentlichen Einführung ausgiebig zu testen und zu verbessern“, erklärt Meinel.

Application ©3dvisionlabs

Technisch ist die Anwendung auf jeden Fall schon umsetzbar. Doch wartet das Unternehmen noch auf Zertifizierungen, um mit der Lösung am Markt starten zu können. Die Jungunternehmer hoffen darauf, ein an Entwickler gerichtetes Development Kit ab Sommer 2019 zur Marktreife zu bringen.

Zunächst sind vor allem Forschungsinstitute, Universitäten und Einzelhändler an dem neuen 3D-Kamera-System interessiert. Doch das Unternehmen zeigt weitere Anwendungsbereiche auf: So könnte die Kamera kassenloses Einkaufen im Supermarkt möglich machen. Dabei würde das System erfassen, welche Produkte aus dem Regal genommen werden. Abrechnen könnte der Einzelhandel dann automatisch über ein Online-Bezahlsystem. So könnten ganze Retailsysteme kostensparend abgedeckt werden.

DIE KOSTEN SOLLTEN SICH ZUKÜNFTIG AMORTISIEREN

Trotz des Einsatzes von drei Kameras wird bei dem Chemnitzer System nur ein einziger Sensor pro Raum benötigt. Dies macht einerseits die Entwicklung einer kostengünstigeren Lösung möglich. Jedoch bedeutet auf der anderen Seite die Cloudunabhängige Technologie wiederum auch einen höheren Preis bei der eingesetzten Hardware. Denn auf dem Gerät ist dadurch eine höhere Rechenleistung nötig.

Deshalb befindet sich also der Preis von 2000 Euro aktuell noch sozusagen in einer Patt-Situation, wobei gerade für den Homebereich zukünftige Nutzerkosten von wenigen hundert Euro für ein entsprechendes Notfallsystem anvisiert werden.

Das Start-up zählt übrigens zu einer von zahlreichen erfolgreichen Ausgründungen aus der TU Chemnitz. Dank der Unterstützung durch das Gründernetzwerk SAXEED sowie einer Förderung über das EXIST-Gründerstipendium war anfangs der Schritt in die Existenzgründung möglich. Nun erhielt das Start-up eine sechsstellige Fördersumme vom Technologiegründerfonds Sachsen (TGFS). Mit dem Kapital des TGFS will 3dvisionlabs zunächst Personal in Vertrieb und Entwicklung aufbauen, um in mehreren Pilotprojekten die wirtschaftlichen Vorteile der neuen Technik zu beweisen. Außerdem soll die erste kommerzielle Serienversion des Produktes in den Markt eingeführt werden.

KARLSRUHER START-UP MACHT LABELING IN DER KI EFFIZIENTER

Je besser selbständig fahrende Autos ihre Umgebung wahrnehmen, desto sicherer werden sie. Deshalb arbeiten derzeit alle Automobilhersteller daran, die KI mit einer großen Menge an Bildern und Videoaufnahmen zu trainieren. Damit der Algorithmus einzelne Bildelemente – etwa als Baum, Fußgänger oder Straßenschild –, erkennt, werden diese markiert. Bisher wurden die Objekte auf den Bildern von Menschen in Handarbeit gekennzeichnet. Dieses Verfahren heißt Labeling. „Große Firmen wie Tesla beschäftigen dafür tausende Arbeiter in Nigeria oder Indien, das Verfahren ist mühsam und zeitaufwendig“, beschreibt Informatiker Philip Kessler die aktuelle Vorgehensweise.

Kessler gründete im Jahre 2017 zusammen mit Marc Mengler das Start-up understand.ai. Ihr Ziel, Algorithmen möglichst effizient zu trainieren, haben sie nun erreicht:

Bei understand.ai verwenden wir Künstliche Intelligenz, die es ermöglicht, diese Kennzeichnung zehn Mal schneller und präziser auszuführen“, so Kessler.

Team understand.ai ©understand.ai

QUALITÄTSKONTROLLE DURCH DEN MENSCHEN

Obwohl der Prozess der Bildbearbeitung größtenteils hochautomatisiert sei, übernehme der Mensch am Schluss die Qualitätskontrolle. Die Kombination von Technik und menschlicher Sorgfalt sei insbesondere bei sicherheitskritischen Themen wie dem autonomen Fahren wichtig, betont der Experte. Die auch „Annotationen“ genannten Markierungen in den Bild- und Videodarstellungen müssen pixelgenau mit der realen Umgebung übereinstimmen. Je besser die Qualität der bearbeiteten Bilddaten, desto besser der Algorithmus, der damit trainiert.

WEITERE ANWENDUNGSFELDER DENKBAR

Da man nicht für alle Situationen – zum Beispiel Unfälle – Trainingsbilder bereitstellen kann, bieten wir neuerdings auch aus Realdaten erarbeitete Simulationen an“, so Kessler.

Obwohl sich das Start-up derzeit noch auf das Thema autonomes Fahren fokussiert, planen die Gründer künftig das Bearbeiten von Bilddaten auch auf andere Branchen auszuweiten. So sehen sie weitere Anwendungsgebiete in dem Training von Algorithmen zur Tumorerkennung oder der Auswertung von Luftbildern.

Im Moment gehören führende Automobilhersteller und -zulieferer in Deutschland sowie den USA zu den Kunden von understand.ai. Neben seinem Hauptsitz Karlsruhe ist das junge Unternehmen – es hat übrigens seine Wurzeln am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) ‒,  in Berlin und San Francisco tätig. Derzeit sind mehr als 50 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern beschäftigt. Doch könnten noch mehr werden, denn es gibt noch einige offene Positionen. 2018 erhielten die Karlsruher von einer Runde privater Investoren eine Anschubfinanzierung in Höhe von 2,8 Millionen US-Dollar.

PIONIERGARAGE DES KIT

Der aus Braunschweig stammende Kessler begann 2012 das Informatikstudium am KIT. Hier entdeckte er sein Interesse am Thema Künstliche Intelligenz und Autonomes Fahren beim Entwickeln eines autonomen Modellfahrzeugs in der Hochschulgruppe KITCar. Als „extrem motivierend“ für die eigene Unternehmensgründung beschreibt er die Angebote der Hochschulgruppe Pioniergarage des KIT. Die Einrichtung richtet sich speziell an studentische Entrepreneure. Hinzu kam ein einjähriger Aufenthalt im Silicon Valley bei Mercedes Research im Bereich maschinelles Lernen und Datenanalyse.

„Nirgends lernt man in kürzester Zeit mehr als in einem Start-up, und das Interesse großer Firmen mit Start-ups zusammenzuarbeiten hat in jüngster Zeit deutlich zugenommen“, stellt der 26 Jahre alte Gründer fest. Die erste Welle der Künstlichen Intelligenz, in der sie vorwiegend für Unterhaltungsgeräte und Endverbraucher-Produkte genutzt wurde, habe Deutschland verschlafen.

In der zweiten Welle, in der Künstliche Intelligenz in Industrie und Technik angewandt wird, kann Deutschland sein Potenzial nutzen“, ist Kessler überzeugt.

Mengler hingegen machte seine Master in Entrepreneurship, Machine Learning und Data Science. Er hat bereits einige Startups im Bereich Machine Learning gegründet. Dabei erlebte er, wie viel Aufwand es bedeutet, gute Trainings- und Validierungsdaten für Algorithmen zu erhalten. Grund genug für ihn, eigene Labelingtools zu schreiben und so seine Algorithmen möglichst effizient zu trainieren.

Die beiden Gründer fanden übrigens durch einen gemeinsamen Bekannten aus Berlin zusammen. Dieser suchte Entwickler in Karlsruhe. Da Kessler als Vorstand der Pioniergarage des KIT gut verknüpft war, schrieb der Berliner ihn an. Innerhalb kürzester Zeit schlossen sich Kessler und Mengler als Team zusammen: Denn ihnen war schnell klar, dass sie mit Überzeugung am gleichen Thema arbeiteten und ähnliche Ideen hatten.

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HOLZMARMORIERUNG AUS DEM LABOR

Holz ist ein beliebter Werkstoff für Möbelstücke. Je schöner es marmoriert ist, desto dekorativer macht es sich im Wohnambiente. Die faszinierenden Muster aus Farben und Linien stammen übrigens von Pilzen, die das tote Holz besiedeln. Schon seit der Antike ist beispielsweise die Trüffelbuche mit ihrer einzigartigen Holzmarmorierung ein gesuchter Rohstoff. Das Muster entsteht übrigens durch einen spontanen Schimmelpilzbefall. Das Auffinden eines solch exklusiven Trüffelstückes war bisher mit langen Wartezeiten und vor allem auch mit viel Glück verbunden.

PILZE LERNEN ZEICHNEN

Doch Forscher der Empa-Akademie St. Gallen entwickelten nun ein Verfahren, das die Entstehung der Holzmusterung beschleunigt. Sie luden dafür kurzerhand die Pilze ins Labor ein und brachten ihnen dort das gezielte Zeichnen bei. „Wir konnten in der Natur wachsende Pilzarten identifizieren und analysieren, um jene mit den günstigsten Eigenschaften als Holzveredler auszuwählen“, so Empa-Forscher Hugh Morris von der Abteilung „Applied Wood Materials“.

Empa-Forscher wählten im Labor jene Pilzkulturen aus, die die interessantesten Linien zeichnen konnten ©Empa

Der Brandkrustenpilz etwa, oder die Schmetterlingstramete, hinterlassen mit dem Farbstoff Melanin pigmentierte schwarze Linien. Gleichzeitig bleichen sie das umliegende Holz dank ihres Enzyms Laccase aus.

So entsteht ein Muster mit besonders starkem Kontrast im Holz“, erklärt Morris.

Je nach Kombination der eingesetzten Pilzspezies gestalten sich die Linien mal wild und ungestüm oder auch geometrisch präzise. Dann wieder schlängeln sie sich unruhig aufeinander zu und trennen kleine Parzellen auf ihrem hellen Untergrund ab. An anderen Stellen fließen die dunklen Zeichnungen ruhig und gelassen als Mahnmal einer Grenze, die keiner der Beteiligten überschreiten mag.

MUSTER SIND DEMARKATIONSLINIEN

Pilze tragen im Holz ein Gefecht um Territorium und Ressourcen aus. Dieses grenzt sich mit dunkel pigmentierten Linien deutlich voneinander ab. Die feinen Fäden der Pilzgemeinschaft schützen mit diesen Demarkationslinien ihre Kolonie zum einen vor anderen Pilzen. Zum anderen sorgt die Pigmentgrenze dafür, dass Bakterien und Insekten fernbleiben. Somit bleibt dem Lebensraum ein ideales Maß an Feuchtigkeit erhalten.

Besonders vorteilhaft an den im Empa-Labor verwendeten Pilzen ist deren sanfter Biss: Denn trotz des ausgeprägten Zeichentalents zernagen die ausgewählten Kandidaten ihren Untergrund kaum.

Das Holz wird zwar von den Pilzen großzügig mit Pigmenten versorgt, behält aber seine Stabilität und Form bei“, so der Biologe.

Harthölzer wie Buche, Esche und Ahorn eignen sich zur Behandlung mit den Pilzkulturen am besten. Dass der Prozess je nach gewünschtem Ergebnis gesteuert werden kann, liegt jedoch nicht nur an der Art der verwendeten Fäulniserreger. Die Forscher entwickelten zudem ein Verfahren, bei dem das Holz bereits innerhalb von Wochen zur Verarbeitung bereitsteht. Grund ist unter anderem, dass die gewählten Pilzarten bei deutlich geringerer Feuchtigkeit im Holz zur Tat schreiten. Daher muss der Rohstoff nach seiner Veredlung und vor der Verarbeitung zum Möbel nicht erst langwierig, kosten- und energieintensiv getrocknet werden.

INDUSTRIEPARTNER FERTIGT MÖBEL

Gemeinsam mit der Koster Holzwelten AG in Arnegg (SG) arbeiten die Forscher nun daran einen effizienten und ökologisch nachhaltigen Produktionsweg zu implementieren. Hierzu gehört natürlich auch die Nutzung von regionalem Holz. „Buchenholz ist ein in der Schweiz häufiges, aber für Möbeldesigner uninteressantes Hartholz“, erklärt Koster. Mit Marmorholz aus einheimischer Buche könne man jedoch am Schweizer Holzmarkt, dessen jährlicher Umsatz rund drei Milliarden Franken betrage, gesuchte Produkte anbieten. Zusätzlich zu Möbeln, Parkettböden und Küchenfronten kann Marmorholz auch für dekorative Objekte und Musikinstrumente verwendet werden. Mit der neuen Technologie lassen sich diese Einzelstücke nun schneller, nachhaltiger und mit dem gewünschten Muster herstellen.

Doch die Forscher haben noch ein weiteres Ziel: Morris ist sich sicher, dass er den Pilzen demnächst sogar das Schreiben von Worten „beibringen“ kann.

KLIMAWANDEL BEDROHT ÜBERLEBEN DER DELFINE

Shark Bay in Westaustralien Anfang 2011: Eine Hitzewelle lässt die Wassertemperaturen um mehr als 4 Grad über den langjährigen Durchschnitt steigen. Als Folge der langanhaltenden Hitzeperiode sterben zunächst große Teile der Seegraswiesen. Auch die Fischbestände in dem zum UNESCO-Weltkulturerbe zählenden Küstengebiet reduzieren sich auffällig. Forscherinnen und Forscher der Universität Zürich (UZH) stellten nun fest, dass sich diese Umweltschädigung auch auf das Überleben und die Fortpflanzung von Delfinen auswirkte. So brachten die Delfine in Westaustralien nach der Hitzewelle im Meer deutlich weniger Junge zur Welt als in den Jahren zuvor.

NEGATIVER EINFLUSS DER HITZEWELLE BEISPIELLOS

Die Wissenschaftler nutzten für ihre Untersuchungen Langzeitdaten von über Hundert Tieren aus den Jahren 2007 bis 2017. Ihr Ergebnis ist alarmierend: Die Überlebensrate der Delfine sank nach der Hitzewelle 2011 um 12 Prozent. Zudem hatten die Delfinweibchen weniger Kälber — ein Phänomen, das bis 2017 anhielt.

Das Ausmaß des negativen Einflusses der Hitzewelle hat uns überrascht“

…, so Sonja Wild, ehemalige Doktorandin an der Universität Leeds und Erstautorin der Studie. „Äußerst ungewöhnlich ist insbesondere, dass sich der Fortpflanzungserfolg der Weibchen selbst nach sechs Jahren noch nicht normalisiert hatte.“ Für den geringeren Fortpflanzungserfolg gibt es mehrere mögliche Erklärungen, die die Forscher im Detail jedoch nicht untersuchten. So könnten eine Vernachlässigung der Kälber, eine erhöhte Neugeborenensterblichkeit oder eine Verzögerung der Geschlechtsreife aufgrund der Hitzewelle eine Ursache dafür sein.

NICHT ALLE DELFINGRUPPEN GLEICH BETROFFEN

Interessanterweise wirkte sich die Hitzewelle nicht auf alle Delfingruppen gleich aus. So waren Delfine, die Schwämme als Werkzeuge benutzen – eine Technik die kulturell erlernt ist und Delfinen hilft, Nahrung in tieferen Gewässern zu finden –, nicht so stark betroffen, wie Tiere, die diese Technik nicht beherrschen. „Wir gehen jedoch davon aus, dass diese plötzlichen Klimaereignisse auf lange Sicht sogar bei Tiergruppen, die sich neuen Umweltbedingungen normalerweise relativ gut anpassen, äußerst negative Auswirkungen haben können“, so Wild.

PROBLEMATISCH FÜR DAS GANZE MEERES-ÖKOSYSTEM

Die Forschenden der UZH zeigen in ihrer Studie zum ersten Mal, dass marine Hitzewellen nicht nur niedrigstehende Tiere innerhalb von Nahrungsketten bedrohen, sondern auch erhebliche Langzeitkonsequenzen für Tiere an der Spitze haben.

Marine Hitzewellen werden aufgrund des Klimawandels in Zukunft gehäuft auftreten“, so Studienleiter Michael Krützen, Professor am Anthropologischen Institut der UZH. „Dies ist nicht nur problematisch für die langfristige Perspektive von Delfinpopulation[en], sondern für die gesamten Ökosysteme des Meeres.“

Die Studie wurde aus Mitteln der Schweizerischen Nationalfonds, der National Geographic Society, der SeaWorld Research and Rescue Stiftung, der W.V. Scott Stiftung sowie der A.H. Schultz Stiftung gefördert.

MEEREISSCHMELZE SCHWÄCHT TRANSPOLARDRIFT MIT FOLGEN FÜR ÖKOLOGISCHE PROZESSE IN DER ARKTIS

Wir alle wissen mittlerweile: Das Eis der Arktis schmilzt. Doch welche verheerenden Auswirkungen dies hat, wird erst jetzt durch verschiedene Forschungen so langsam klar. Eine aktuelle Studie des Alfred-Wegener-Instituts, dem Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) bringt nun neue, erschreckende Erkenntnisse ans Licht: Die Transpolardrift wird mit gravierenden Folgen für ökologische Prozesse geschwächt. Denn heutzutage erreichen nur noch 20 Prozent des Meereises ‒ es entsteht in den flachen, russischen Randmeeren des Arktischen Ozeans ‒, tatsächlich die zentrale Arktis. 80 Prozent schmelzen schon vorher. Somit geht dem Nordpolarmeer ein wichtiges Transportmittel für Nährstoffe, Algen und Sedimente verloren, berichten die Wissenschaftler.

Zwei Hauptströmungen bewegen das Packeis in der Arktis weiter: der Beaufortwirbel, eine Zirkulation im Uhrzeigersinn, und die Transpolardrift, welches Meereis weiter von den flachen sibirischen Schelfen Richtung Framstrasse trägt. (Grafik: R. Botev, modifiziert durch T. Krumpen)

EIS SCHMILZT SCHON IN DER KINDERSTUBE

Die Barentssee, der Karasee, der Laptewsee und der Ostsibirischen See gelten als Kinderstube des Meereises. Hier wird es im Winter nämlich am laufenden Band produziert. Verantwortlich dafür sind extrem niedrige Lufttemperaturen von bis zu minus 40 Grad Celsius. Hinzu kommt ein starker, ablandiger Wind. Letzterer schiebt das im Flachwasserbereich gebildete junge Eis auf das Meer hinaus. Im Verlauf des Winters wird das junge Meereis dann von der Transpolardrift erfasst. Diese ist eine der zwei Hauptströmungen des Arktischen Ozeans. Sie transportiert die Eisschollen innerhalb von zwei bis drei Jahren aus dem sibirischen Teil des Nordpolarmeeres quer durch die zentrale Arktis bis in die Framstraße. Erst hier fängt das Meereis schließlich an zu schmelzen. Vor zwei Jahrzehnten noch trat rund die Hälfte des Eises die transarktische Reise aus den russischen Schelfmeeren an. Mittlerweile aber sind es nur noch 20 Prozent. Die restlichen 80 Prozent des jungen Eises schmelzen schon bevor es älter als ein Jahr ist und die zentrale Arktis erreichen konnte.

EISFREIER SOMMER IN DER ARKTIS

Zu diesem besorgniserregenden Ergebnis kommen die Wissenschaftler des AWI, nachdem sie die Wanderung des Meereises mit Hilfe von Satellitendaten für den Zeitraum von 1998 bis 2017 verfolgten und analysierten. „Unsere Studie zeigt extreme Veränderungen in der Arktis: Das Meereis in der Karasee, der Laptewsee und der Ostsibirischen See schmilzt mittlerweile so schnell und flächendeckend, dass der Eisnachschub für die Transpolardrift nachhaltig abnimmt. Jenes Eis, welches heutzutage die Framstraße erreicht, wird zum größten Teil nicht mehr in den Randmeeren gebildet, sondern stammt aus der zentralen Arktis…“

Wir werden derzeit Zeuge, wie ein wichtiger Transportstrom abreißt und die Welt einem meereisfreien Sommer in der Arktis einen großen Schritt näherkommt“

…, beschreibt Erstautor Dr. Thomas Krumpen, Meereisphysiker am Alfred-Wegener-Institut die Situation.

Bestätigt wird dieser Trend durch die Ergebnisse von Meereisdicken-Messungen in der Framstraße. Diese werden von AWI-Meereisphysikern regelmäßig durchgeführt. „Eis, das heutzutage die Arktis durch die Framstraße verlässt, ist rund 30 Prozent dünner als noch vor 15 Jahren. Gründe dafür sind zum einen die steigenden Wintertemperaturen in der Arktis sowie eine deutlich früher einsetzende Schmelzsaison. Zum anderen wurde dieses Eis eben nicht mehr in den Schelfmeeren gebildet, sondern viel weiter nördlich. Es hatte demzufolge deutlich weniger Zeit, durch die Arktis zu treiben und zu mächtigerem Packeis heranzuwachsen“, erklärt Krumpen.

KÜSTENFERNE EISSCHOLLEN MIT WENIGER PARTIKELN

Jene Eisschollen, welche die Transpolardrift heute noch bis in die Framstraße trägt, werden größtenteils auf hoher See, also in küstenfernen Regionen des Arktischen Ozeans gebildet. Im Gegensatz zum Eis aus den Schelfmeeren enthalten sie daher deutlich weniger Partikel wie zum Beispiel Algen, Schweb- und Nährstoffe. Denn Wellen, Wind und Gezeiten wirbeln in flachen Küstenzonen deutlich mehr Partikel vom Meeresboden auf als auf hoher See. Außerdem tragen Flüsse wie die Lena und der Jenissei viele Schwebstoffe und Mineralien ‒ die dann beim Gefrieren des Wassers im Eis eingeschlossen werden ‒, in den Küstenbereich ein.

Eiskerne, anhand derer sich die Menge an eingeschlossenem Material bestimmen lässt, zeigen die Folgen des sich ändernden Eis- und Stofftransports für das Ökosystem Arktis ©Alfred-Wegener-Institut / Mario Hoppmann

Transportierte das Meereis aus den Schelfmeeren diese mineralische Fracht früher bis in die Framstraße, so entlassen die schmelzenden Schollen diese heute vorab, und zwar schon auf ihrem Weg in die zentrale Arktis. In der Framstraße dagegen kommt weniger ‒ und auch anders zusammengesetztes ‒, Material an. Diese Erkenntnis resultiert unter anderem aus Sinkstoffanalysen, die AWI-Biologen seit etwa zwei Jahrzehnten in der Framstraße durchführen.

Anstelle sibirischer Mineralien landen mittlerweile mehr Überreste abgestorbener Algen und Kleinstlebewesen in unseren Sedimentfallen“

…, so Co-Autorin Eva-Maria Nöthig.

Langfristig sei zu erwarten, dass die Veränderung des Partikeltransportes durch das Meereis die biogeochemischen Kreisläufe und ökologischen Prozesse im zentralen Arktischen Ozean nachhaltig verändern werde.

WEITERE FORSCHUNGEN BEI MOSAIC-EXPEDITION

Die Entwicklung des Meereises und die ökologischen Prozesse im Arktischen Ozean sind Forschungsfragen, die neben weiteren Themen ab September auf der MOSAiC-Expedition untersucht werden sollen. Hierfür wird dann der deutsche Eisbrecher Polarstern in die Arktis aufbrechen. Ein Jahr lang planen die Wissenschaftler mit dem Forschungsschiff fest eingefroren im arktischen Eis durch das Nordpolarmeer zu driften. Insgesamt 600 Menschen aus 17 Ländern nehmen an der Expedition teil. Versorgt werden sie von weiteren Eisbrechern und Flugzeugen. Zudem wird ein Vielfaches an Wissenschaftlern mit den Daten arbeiten, um die Klima- und Ökosystemforschung auf ein neues Niveau zu heben. Geleitet wird diese übrigens größte Arktis-Forschungsexpedition aller Zeiten vom Alfred-Wegener-Institut.

KOSMETIK 4.0: PERSONALISIERTE HAUTCREME AUS MINIFABRIK DIREKT AM POS

Eine personalisierte Hautcreme ganz nach individuellem Typ gilt als Nonplusultra in der Kosmetik. Denn, so Dr. Lars Rüther, Molekularbiologe bei der Dermatest GmbH und Mitgründer des Start-ups Skinmade GmbH: „Ein Produkt von der Stange kann nie so gut wirken wie ein personalisiertes. Möglicherweise enthält die Standard-Pflege Inhaltsstoffe in einer Konzentration, die man gar nicht benötigt. In der Folge kann es zu Über- oder Unterpflegung kommen.“ Experten nennen eine Reihe von extrinsischen und intrinsischen Faktoren, die den Hauttyp beeinflussen. Dazu gehören die UV-Strahlung, Ernährungs- und Trinkverhalten, Schlafgewohnheiten, Jahreszeit und Stress sowie auch der Hormonhaushalt und Gene. All diese Punkte wirken darauf ein, wie fettig, feucht oder trocken unsere Haut ist. Es kann also diese „eine Hautcreme für alle“ nicht geben.

CYBERPHYSISCHES PRODUKTIONSSYSTEM

Und seit kurzem muss es das auch nicht mehr. So scheint die Herstellung einer personalisierten Hautcreme mittlerweile weder viel zu teuer noch allzu kompliziert zu sein. Denn das Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung (IPA) entwickelte eine Art Minifabrik, in der die Creme in nur sieben Minuten typgerecht produziert wird. Mit der überschaubaren Größe eines zweitürigen Kleiderschranks bietet das cyberphysische Produktionssystem nichtdestotrotz eine vollständig ausgestattete Beauty-Fabrik. In seinem Inneren befinden sich nämlich von einer Messstation zur Analyse des Feuchtigkeits- und Fettgehalts der Haut, über eine Produktionsstraße mit kompletter Maschinensteuerung, den Rohstoffen, Tiegeln und Deckeln bis hin zur Bestellfunktion per Touchscreen und dem Auslieferungsfach alle notwendigen Faktoren für den reibungslosen Ablauf von der Entwicklung bis zum Verkauf.

Die voll ausgerüstete Beauty-Fabrik braucht nicht viel Platz ©Fraunhofer IPA/Rainer Bez

Schon im März 2018 hatten sich Viktor Balzer, Wissenschaftler am IPA und Rüther mit der Skinmade GmbH, einer Ausgründung des Fraunhofer-Instituts für Produktionstechnik und Automatisierung IPA, selbstständig gemacht. Ihre personalisierte Kosmetikproduktion  steht mittlerweile im Douglas-Flagship-Store auf der Zeil in Frankfurt, im Douglas-Concept Store Hamburg-Eppendorf und im Breuningerland in Sindelfingen bei Stuttgart.

BIOMARKER GEBEN INFOS ÜBER HAUTZUSTAND

Zur Herstellung der Hautcreme wird zunächst an Stirn, Wange und unterhalb des Mundwinkels der Feuchtigkeits- und Fettgehalt der Haut ermittelt. Bei dieser Hautanalyse werden Biomarker gemessen, die den aktuellen Hautzustand anzeigen. Dazu gehören die Hautfeuchtigkeit, der Fettgehalt sowie auch die Elastizität der Haut. Selbstlernende Algorithmen und eigens programmierte neuronale Netze werten dann das Messergebnis aus und berechnen, welche Inhaltsstoffe die personalisierte Creme in welcher Konzentration enthalten sollte. Die hierfür erforderlichen KI-Trainingsdaten haben Balzer und seine Kolleginnen und Kollegen ebenfalls aufbereitet. Eine Cloudlösung steuert das komplette Produktionssystem. Nach abgeschlossener Auswertung und Analyse werden die Messergebnisse an die Maschinensteuerung übertragen und die Creme namens „Skinmade Personal Skin Care“ produziert.

Die Hautpflege aus der Minifabrik ist frei von überflüssigen Inhaltsstoffen und auf den aktuellen Hautzustand abgestimmt. Natürlich erfüllt sie auch alle Bedingungen der EU-Kosmetikverordnung und ist selbstverständlich dermatologisch überprüft. Die Kundin kann sogar Duft und Textur der Gesichtscreme wählen. Das fertige Produkt wird in einem Tiegel mit 30 Millilitern geliefert. Kostenpunkt: 40 Euro. „Je nach Anwendungshäufigkeit reicht der Inhalt für vier bis sechs Wochen“, so Balzer. Danach sei eine erneute Messung ratsam, um zu sehen, wie sich der Hautzustand zwischenzeitlich verändert hat und ob das Produkt angepasst werden sollte.

MASS-PERSONALIZATION IN LOSGRÖSSE 

Hintergrund des Projekts ist der Trend zur sogenannten „Mass-Personalization“. Das heißt: Die massenhafte Herstellung personalisierter Produkte. Die Prozessindustrie steht nämlich vor der besonderen Herausforderung, immer kleinere Stückzahlen und dabei gleichzeitig Produkte mit größerem Variantenreichtum hervorbringen zu müssen. „Aus produktionstechnischer Sicht geht es im Prinzip um die Massenfertigung in Losgröße 1. Also darum, individuelle Produkte profitabel herzustellen“, so Balzer. Das Forscherteam rund um den Wirtschaftsingenieur hat ein Patent entwickelt, das die Losgrößen 1-Produktion bei zugleich positiven Skalen- und Verbundeffekten, sprich bei sinkenden Stückkosten, ermöglicht.

Wir heben den eigentlichen Widerspruch zwischen maßgeschneiderten Produkten und hohen Stückkosten auf. So kann ein verhältnismäßig geringer Endverbraucherpreis realisiert werden. Natürlich verraten wir nicht, wie unser Patent funktioniert. Nur so viel sei gesagt: Die erforderlichen Abläufe dosieren, homogenisieren und reinigen sind in einem Prozessschritt integriert. Daher können wir sehr schnell fertigen“, erläutert Balzer.

Dabei gelingt es den Unternehmern, geringste Konzentrationen präzise – bis zu 3 Mikroliter genau – zu dosieren. Ein weiterer Baustein des Erfolgs ist das spezielle Know-how in puncto Dermopharmazie, also der Wirkung von Inhaltsstoffen auf wichtige Biomarker.

Insgesamt stecken fünf Jahre Forschung, zahlreiche Tests mit Probanden sowie das Know-how eines multidisziplinären Teams aus IT-Spezialisten, Ingenieuren, Maschinenbauern, Dermatologen, Pharmazeuten und Biologen in diesem neuartigen Produktionssystem.

ZUKUNFT WIRD NOCH KOMFORTABLER

Bis Ende 2019 soll es die Beauty-Fabrik in weiteren deutschen Großstädten mit Douglas-Filialen geben. Und wer möchte, kann sich künftig auch zuhause messen lassen: Beraterinnen kommen auf Buchungsanfrage mit einer mobilen Messstation zur Kundin. Die Daten werden nach der Messung in der Cloud ausgewertet. Die dann fertig hergestellte Hautcreme wird per Post versandt.

Ab 2020 soll ein Minihautmessgerät samt App den Einkauf nochmals erleichtern. Damit kann die Kundin die Haut-Messung eigenständig zuhause durchführen. Die Daten werden per App an Skinmade übermittelt.

Auch sind zukünftig weitere personalisierte Produkte in Planung: So soll ein Sortiment aus Cleanser, Tonikum und Serum das Portfolio komplettieren. Ziel ist eine maßgeschneiderte Systempflege, deren Produkte optimal aufeinander abgestimmt sind

ZERSTÖRUNGSFREIE RÜCKGEWINNUNG VON KATHODENMATERIAL AUS LITHIUM-IONEN-BATTERIEN

E-Mobilität – vor allem ermöglicht durch regenerative Energiequellen – ist schon mal ein Schritt in Richtung Verkehrswende. Doch irgendwann ist auch mal ein Akku-Leben beendet. Experten rechnen derzeit damit, dass der Akku eines Elektrofahrzeugs nach 1000 Ladevorgängen ausgetauscht werden muss. Wie es dann mit ihm weitergehen soll, ist bis jetzt noch nicht zufriedenstellend geklärt. Ein Akku könnte recycled werden. Immerhin besitzen Lithium-Ionen-Batterien ein wertvolles Innenleben: Für eine Reichweite von 600 Kilometern benötigt ein Elektrofahrzeug der Oberklasse einen etwa 780 Kilogramm schweren Akku. Diese enorme Leistungsfähigkeit beruht einerseits auf der chemischen Zusammensetzung sowie auch auf dem Design der als Kathode und Anode eingesetzten Materialien. Insbesondere an das Kathodenmaterial – einer hochwertigen Lithium-Nickel-Mangan-Cobalt-Sauerstoffverbindung –, werden dabei spezielle Anforderungen hinsichtlich ihrer Zusammensetzung und Verarbeitung gestellt. Nur so lässt sich die Funktionsweise beim Laden und Entladen des Akkus gewährleisten.

BISHER HOHER AUFWAND BEIM RECYCLING

Zwar gibt es mittlerweile schon einige Recyclingverfahren, doch beruhen diese auf einer vollständigen Zerstörung der in den Akkus enthaltenen Funktionsmaterialien. Hierfür werden sie in energieaufwendigen Hochtemperaturprozessen aufgeschmolzen. Alternativ werden sie nach einer kompletten Vorzerkleinerung in chemischen Behandlungsschritten zu Metallsalzlösungen umgesetzt. Beide Vorgehensweisen erfordern einen enormen Energieeinsatz sowie weitere, aufwendige Rückgewinnungs- und Reinigungsverfahren. Als Endprodukt entstehen dabei reine Metallsalze, die immerhin für die Herstellung von neuem Lithium-Nickel-Mangan-Cobalt-Oxid benötigt werden.

Dabei könnte das Recycling der Akkus noch viel nachhaltiger sein. Zumal insbesondere das Kathodenmaterial nicht nur teuer ist, sondern es auch zu den seltenen Rohstoffen wie Kobalt oder Nickel gehört. Entsprechend erscheint die Rückgewinnung der im Kathodenmaterial enthaltenen Elemente wirtschaftlich. Zudem verringert sie die Abhängigkeit von Rohstoffimporten.

TEILAUTOMATISCHE DEMONTAGE

Grund genug also für ein industriegeführtes Konsortium in Kooperation mit der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus-Senftenberg (BTU) an der qualitätserhaltenden Rückgewinnung des Kathodenmaterials zu arbeiten.

Dazu Chemiker Prof. Dr. Jörg Acker, Projektleiter seitens BTU: „Unser Ziel ist es, gemeinsam mit dem Recycling- und Logistik-Unternehmen Erlos ein aktuell bewährtes Pilotverfahren zur Industriereife zu führen. Mit dem Verfahren werden Lithiumtraktionsakkus teilautomatisiert demontiert und die enthaltenen Batteriezellen anschließend in ihre Bestandteile, wie Kathode und Anode, zerlegt. Das begehrte Kathodenmaterial befindet sich auf Trägerfolien aus Aluminium und wird ebenfalls automatisiert durch ein besonders schonendes Verfahren von den Folien abgetrennt und aufgefangen.“

Dabei werden weitere Akkubestandteile, wie es zum Beispiel der Elektrolyt mit seinen Lithium-Komponenten ist, ohne Gefährdung von Mensch und Umwelt emissions- und verlustfrei zurückgehalten. Für die BTU – hier sind die Fachgebiete Physikalische Chemie und Aufbereitungstechnik beteiligt –, hält das Projekt eine Reihe von besonderen Herausforderungen bereit:

Unser Team arbeitet daran, das Kathodenmaterial ohne eine Qualitätsminderung zurückzugewinnen, die beispielsweise durch mechanische Schädigungen, chemische Veränderungen am Material oder ungewollt ablaufende Nebenreaktionen hervorgerufen werden kann…

…Auch das ursprüngliche Design des Materials muss unbedingt erhalten bleiben, da es entscheidend für die Leistungsfähigkeit ist. Nicht mehr funktionsfähiges Kathodenmaterial wird abgetrennt“, so Prof. Dr. Acker.

SECOND-USE-LITHIUM-AKKUS

Aus dem rückgewonnenen Kathodenmaterial werden Testbatterien verschiedener Größe hergestellt. Projektpartner Hoppecke, einem Spezialisten für Industriebatteriesysteme, wird diese intensiv untersuchen. Von den Messungen des Unternehmens werden Aussagen über die Leistungsfähigkeit des rückgewonnenen Materials und über notwendige Verbesserungen im Prozess abgeleitet. Ziel des Projekts ist die Großserien-Rückgewinnung von qualitativ hochwertigem Kathodenmaterial. Die sogenannten Second-use-Lithium-Akkus sollen für Pkws, aber auch andere industrierelevante Anwendungen, wie beispielsweise Gabelstapler, Flurförderzeuge oder stationäre Speicher, wieder genutzt werden.

Das Projekt wird seit Januar 2019 durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert.