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FORSCHUNGSPROJEKT „GRÜNELUNGE“ ERFORSCHT DIE RESILIENZ VON BÄUMEN IM URBANEN RAUM

Extreme Wetterverhältnisse machen besonders unseren Bäumen in der Stadt zu schaffen. Denn laut Beobachtungen sind sie, da sie nicht in einer natürlichen, sondern gebauten Umgebung wachsen, anfälliger für die Folgen globaler Erwärmung. Dazu gehören bekanntermaßen Hitzewellen, Dürren, Stürme oder Starkregen. Somit könnten natürliche Prozesse (ökophysiologische Prozesse) wie etwa das Verdunsten von Wasser über die Blätter, also die Transpiration wie auch die Photosynthese, insbesondere bei heimischen Baumarten künftig an Intensität verlieren.

Doch nicht nur das:

Wachsende und immer dichter bebaute Städte, Umweltverschmutzung sowie mechanische und chemische Schäden gefährden die Existenz und Vitalität städtischer Wälder“, erklärt Dr. Somidh Saha, Forstwissenschaftler am Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse (ITAS) des KIT.

Saha ist Leiter des kürzlich gestarteten dreijährigen Forschungsprojekts „Inter- und transdisziplinäre Entwicklung von Strategien zur Erhöhung der Resilienz von Bäumen in wachsenden Städten und urbanen Regionen (GrüneLunge)“.

ÖKOSYSTEMDIENSTLEISTUNGEN DER BÄUME

Die Bäume sind derzeit einem extremen Stress ausgesetzt, die die Gesundheit sowie auch die physiologische Aktivität der Pflanzen beeinflusst. Und das, obwohl wir sie doch so dringend benötigen – auch und gerade in der Stadt. Denn hier machen die Pflanzen nicht nur aus optischen Gründen Sinn. So kühlen sie beispielsweise während Hitzeperioden durch die Abgabe von Feuchtigkeit effektiv ihre Umgebung ab. Zudem bieten sie gleichzeitig den notwendigen Schatten. Auch filtern Bäume die verschmutzte Luft, indem sie CO2 und Abgaspartikel binden. All dies sind Ökosystemdienstleistungen, die angesichts des Klimawandels eine immer größere Bedeutung erhalten. Doch die rasch zunehmende Urbanisierung der Städte wirkt dagegen. Also muss gezielt an dem Erhalt der Grünflächen sowie einer gesunden Pflanzenpopulation in der Stadt gearbeitet werden.

Dies ist auch für die Forschenden der Stadt Karlsruhe der Anlass, im Rahmen des KIT-Projekts „Quartier Zukunft – Labor Stadt“, an kurz- und langfristigen Strategien zur Erhöhung der Resilienz von Bäumen zu forschen. Zumal gerade ihre Region als ‚besonders anfällig‘ für die Folgen des Klimawandels eingestuft wird.

Die Wissenschaftler arbeiten daran, die Pflege und Bewirtschaftung städtischen Grüns an die neuen Herausforderungen anzupassen. Ihr Idealziel ist es, die oben genannten Ökodienstleistung der Bäume sogar noch zu verbessern.

BEGRÜNUNGSKONZEPTE SOLLEN UMGESETZT WERDEN

„In den kommenden drei Jahren wollen wir besser verstehen, wie sich das Wachstum und die Ökosystemleistungen von Stadtbäumen und Stadtwäldern unter dem Einfluss von Luftverschmutzung und Dürre verändern“, so Saha. Messkampagnen in Karlsruhe, der Nachbarstadt Rheinstetten sowie andernorts sollen hier Aufschluss geben. Darauf aufbauend, wollen die Forschenden untersuchen, wie sich die Hitzebelastung in urbanen Räumen mithilfe von Bäumen am effektivsten verringern lässt. Der Blick richtet sich hier zum einen auf die Auswahl von Baumarten, die aufgrund ihrer spezifischen Eigenschaften besonders geeignet sind. Zum anderen wollen die Forscher größere Zusammenhänge betrachten. Hier sollen zugleich naturgemäße wie wirtschaftliche Begrünungskonzepte für Stadtteile, Parks, Straßenzüge und städtische Waldstücke entwickeln werden. Zum Abschluss des Projekts möchten die Wissenschaftler die gewonnenen Erkenntnisse in Karlsruhe und Rheinstetten auch umsetzen.

ÖFFENTLICHKEIT SENSIBILISIEREN

Für ihre Arbeiten koordiniert das ITAS-Team ein interdisziplinär besetztes Projektkonsortium. Partner sind das Zentrum für Medizin-Meteorologische Forschung des Deutschen Wetterdienstes (DWD) und die Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg (FVA) in Freiburg sowie die Städte Karlsruhe (Gartenbauamt und Forstamt) und Rheinstetten (Bauamt). Das Projekt „GrüneLunge“ wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) mit insgesamt 1,4 Millionen Euro gefördert.

Begleitet wird die Forschung von verschiedenen transdisziplinären Aktivitäten im oben schon erwähnten Reallabor Quartier Zukunft – Labor Stadt. So arbeiten die Forschenden mit Bürgerinnen und Bürgern sowie Verantwortlichen in Karlsruhe und Rheinstetten zusammen. Denn das Projekt „GrüneLunge“ zielt darauf ab, einen Dialog und Wissenstransfer zwischen Bürgern, Förstern, Wissenschaftlern und politischen Entscheidungsträgern aus Karlsruhe und Rheinstetten anzustoßen. Somit sollen alle Beteiligten für die wesentliche Bedeutung einer grünen Stadt und deren gesunde Pflanzenpopulation sensibilisiert werden. Die Ergebnisse des Projekts ‚GrüneLunge‘ sind definitv auch für viele weitere Städe dieser Welt interessant.

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CROWD OIL: KRAFTSTOFF AUS DER KLIMAANLAGE

Wenn man von dem Konzept hört, fragt man sich, wieso vorher noch nie jemand auf die Idee gekommen ist: Die Herstellung eines synthetischen Kraftstoffes aus der Klimaanlage. Mit der Umsetzung könnten gleich mehrere, aktuelle Brennpunkte gelöst werden. Zum einen würden wir etwas unabhängiger von den begrenzten Ressourcen der fossilen Brennstoffe werden. Doch der Gedanke dahinter kam noch von einer ganz anderen Seite:

Wenn wir den erneuerbaren Wind- und Solarstrom sowie Kohlenstoffdioxid direkt aus der Umgebungsluft nutzen, um Kraftstoffe herzustellen, dann können wir große Mengen an Treibhausemissionen vermeiden“, so Professor Roland Dittmeyer vom Institut für Mikroverfahrenstechnik (IMVT) des KIT.

Denn die Wissenschaftler des Gemeinschaftsprojekts vom KIT und der University of Toronto (UoT)möchten mit ihrem Forschungsvorhaben einen Beitrag zur Verhinderung der katastrophalen Auswirkungen des Klimawandels leisten. Um dies zu erreichen müssen die Mobilität, die Stromerzeugung sowie auch die Gebäudebewirtschaftung umgestaltet werden.

CROWD OIL STATT CRUDE OIL

Ihre Idee ist, ein Verfahren zu entwickeln, das aus Kohlendioxid (CO2) und dem Wasser aus der Umgebungsluft von Klima- und Lüftungsanlagen synthetische Kraftstoffe herstellt. Das heißt, sie möchten kompakte Anlagen bauen, die direkt in Gebäuden CO2 aus der Umgebungsluft abtrennen, somit synthetische Kohlenwasserstoffe herstellen, die sich dann wiederum als erneuerbares, synthetisches Öl nutzen lassen. Ihr Motto lautet dabei „crowd oil statt crude oil“.

Das Forscherteam rund um Dittmeyer und Professor Geoffrey Ozin von der UoT schlägt vor, die Herstellung synthetischer Energieträger dezentral zu organisieren. Sie denken hier vor allem daran, bestehende Lüftungs- und Klimaanlagen von Gebäuden, wie zum Beispiel denen der drei größten Supermarktketten in Deutschland, zu koppeln. Immerhin wären das an die 25.000 Filialen. Laut dem Entwicklungsteam sind die notwendigen Technologien dafür im Wesentlichen schon vorhanden. Durch eine thermische als auch stoffliche Integration ließe sich mit ihrem Konzept eine hohe Kohlenstoffausnutzung sowie auch Energieeffizienz erreichen. Dazu Dittmeyer:

Wir wollen die Synergien zwischen der Lüftungs- und Klimatechnik auf der einen und der Energie- und Wärmetechnik auf der anderen Seite nutzen, um Kosten und Energieverluste bei der Synthese zu senken. Darüber hinaus könnten durch ‚crowd oil’ viele neue Akteure für die Energiewende mobilisiert werden. Wie gut das funktionieren kann, haben wir bei den privaten Photovoltaik-Anlagen gesehen.“

SIGNIFIKANTE SENKUNG DER NUTZUNG FOSSILER BRENNSTOFFE

Für die Umwandlung des CO2 würden allerdings große Mengen an elektrischem Strom zur Herstellung von Wasserstoff beziehungsweise Synthesegas benötigt. Dieser Strom sollte CO2-frei sein. Er darf also nicht aus fossilen Quellen kommen. Somit sei auch ein forcierter Ausbau der erneuerbaren Stromerzeugung, unter anderem auch der gebäudeintegrierten Photovoltaik, notwendig, ist Dittmeyer überzeugt.

Als Beispiel für die Vision der dezentralen, an Gebäudestrukturen gekoppelten, sogenannten Konversionsanlagen, legen die Wissenschaftler quantitative Betrachtungen von Bürogebäuden, Supermärkten und Energiesparhäusern vor. Anhand ihrer Berechnungen gehen sie davon aus, dass in Deutschland durch den Einsatz von crowd oil ein signifikanter Anteil an fossilen Energieträgern ersetzt werden könnte.

Zum Beispiel würde allein die Menge an CO2, die potenziell bei den etwa 25.000 Supermärkten der drei größten Lebensmittelhändler abgeschieden werden könnte, ausreichen, um etwa 30 Prozent des Kerosinbedarfs oder rund acht Prozent des Dieselbedarfs in Deutschland zu decken.

VORUNTERSUCHUNGEN AUS KOPERNIKUS-PROJEKT P2X

Das Team kann übrigens für seine Berechnungen unter anderem auf Voruntersuchungen zu einzelnen Prozessschritten und Prozesssimulationen aus dem Kopernikus-Projekt P2Xzurückgreifen. Auf dieser Grundlage rechnen die Wissenschaftler mit einer Energieeffizienz – das bedeutet in diesem Zusammenhang der Anteil der aufgewendeten elektrischen Energie, die in chemische Energie umgewandelt werden kann – von etwa 50 bis 60 Prozent. Darüber hinaus erwarten sie eine Kohlenstoffeffizienz – also der Anteil der aufgewendeten Kohlenstoffatome, die sich im produzierten Kraftstoff wiederfinden – von etwas 90 bis annähernd 100 Prozent. Um diese Simulationsergebnisse bestätigen zu können, bauen die Forscher des IMVT zusammen mit Projektpartnern derzeit einen voll integrierten Prozess auf. Dieser soll einen geplanten CO2-Umsatz von 1,25 Kilogramm pro Stunde haben.

WEITERHIN REDUKTION VON ROHÖLBEDARF NOTWENDIG

Nichtsdestotrotz kann das vorgeschlagene Konzept – auch bei flächendeckender Einführung – den heutigen Bedarf an Rohölprodukten nicht vollständig decken. Somit ist auch die Reduktion des Bedarfs eine weitere Notwendigkeit. Dies könnte beispielsweise durch neue Mobilitätskonzepte und auch durch den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs möglich werden.

Zusammenfassend kann gesagt werden: Die Bausteine, um Anlagen zur CO2-Abtrennung zu fertigen, sind heute schon vorhanden. Doch bedarf es noch großer Forschungs- und Entwicklungsanstrengungen sowie der Anpassung rechtlicher und gesellschaftlicher Rahmenbedingungen, um die deutsch-kanadische Vision in die Praxis umzusetzen.

Die gesamte Studie ist in der Nature Communications nachzulesen.

FORSCHUNGSPROJEKT ZU UMWELTFREUNDLICHEN UND LEISTUNGSFÄHIGEN NATRIUM-IONEN-BATTERIEN

Eine nachhaltige Energiespeicherung ist die zentrale Motivation, die hinter dem gerade gestarteten Forschungsprojekt „Transition“ ‒ bei dem umweltfreundliche, hochleistungsfähige sowie kostengünstige Natrium-Ionen-Batterien entwickelt werden sollen ‒, steckt. Denn die Märkte für Elektromobilität und stationäre Energiespeicherung werden im Zuge der Energiewende deutlich wachsen. Entsprechend erfordern sie energieeffizientere und leistungsfähigere Speichertechnologien. Noch gelten Lithium-Ionen-Batterien als einer der größten Erfolge für Energiespeicheranwendungen des letzten Jahrhunderts. Ihr Vorteil: Lithium-Ionen-Batterien sind leicht, kompakt und bieten eine hervorragende Energie- und Leistungsdichte. Somit dominieren sie den Markt für tragbare Elektronik, Hybrid- und Elektrofahrzeuge. Doch sie sind nicht unumstritten:

Angesichts der zunehmend steigenden Nachfrage nach Lithium und den in der Lithium-Technologie eingesetzten Rohstoffen wie Kobalt werden jedoch Bedenken hinsichtlich der zukünftigen und langfristigen Verfügbarkeit der kritischen Rohstoffe und der Kosten laut. In diesem Szenario stellen Natrium-Ionen-Batterien eine alternative, kostengünstige und umweltfreundlichere Energiespeichertechnologie dar“, so Professor Stefano Passerini, Direktor des HIU.

ALTERNATIVE ZU LITHIUM-IONEN-BATTERIEN

Ziel des neuen Forschungsprojekts ist es, die Natrium-Ionen-Batterien der nächsten Generation umweltfreundlich, kostengünstig und hochleistungsfähig zugleich zu gestalten. Denn nur so können sie eine echte Alternative zu Lithium-Ionen-Batterien sein. Um dieses Ziel zu erreichen haben sich Wissenschaftler des Helmholtz-Instituts Ulm (HIU) mit dem Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg (ZSW) und der Friedrich-Schiller-Universität Jena (FSU) zwecks Technologietransfer zusammengeschlossen. Gemeinsam möchten sie leistungsfähige, flüssige und polymere Natrium-Ionen-Batterien entwickeln. Bei diesen soll auf der Kathodenseite Übergangsmetallschichtoxide und auf der Anodenseite Hartkohlenstoff aus Biomasse verwendet werden. Leiter der wissenschaftlichen Gruppen sind Professor Stefano Passerini (HIU), Dr. Margret Wohlfahrt-Mehrens vom Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung (ZSW) und Professor Philipp Adelhelm von der Friedrich-Schiller-Universität Jena (FSU). Neben den drei wissenschaftlichen Partnern ist zudem ein umfassender Industriebeirat am Projekt beteiligt. Gefördert wird das dreijährige Projekt im Rahmenprogramm „Batterien 2020“ durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) mit 1,15 Millionen Euro.

BIOMASSE, POLYMERE ELEKTROLYTE UND KOBALTFREIE KATHODEN

„Dies ist das erste vom BMBF geförderte deutsche Konsortium, das an der Entwicklung hochskalierter Natrium-Ionen-Batterien arbeitet und ein breites Spektrum an Herausforderungen von der Materialentwicklung bis zur Herstellung von Prototypenzellen abdeckt“, so Passerini vom HUI. In dem Projekt wird das Team des HUI an einem innovativen, auf Biomasse basierenden Hartkohlenstoff in Kombination mit wässrigen Bindemitteln und Aluminium als Stromabnehmer forschen.

„Die Entwicklung von hochskalierten Prototypen der Natrium-Ionen-Batterien und das Erreichen der gewünschten Ziele stellen eine große Herausforderung dar, die sich nur in einem Netzwerk mit den komplementären Kompetenzen der Partner bewältigen lässt“, ist Stefano Passerini überzeugt. So wird das Team der Friedrich-Schiller-Universität Jena (FSU) die Forschungsaktivitäten zur Entwicklung fortschrittlicher flüssiger und polymerer Elektrolyte koordinieren. Während das Team des Zentrums für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg (ZSW) die Entwicklung kobaltfreier Kathoden vorantreibt. Mit ihren Forschungsarbeiten hoffen die Wissenschaftler, die internationale Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands zu stärken. So soll seine führende Position auf dem Gebiet der elektrochemischen Energiespeicherung unterstützt werden.

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KARLSRUHER START-UP MACHT LABELING IN DER KI EFFIZIENTER

Je besser selbständig fahrende Autos ihre Umgebung wahrnehmen, desto sicherer werden sie. Deshalb arbeiten derzeit alle Automobilhersteller daran, die KI mit einer großen Menge an Bildern und Videoaufnahmen zu trainieren. Damit der Algorithmus einzelne Bildelemente – etwa als Baum, Fußgänger oder Straßenschild –, erkennt, werden diese markiert. Bisher wurden die Objekte auf den Bildern von Menschen in Handarbeit gekennzeichnet. Dieses Verfahren heißt Labeling. „Große Firmen wie Tesla beschäftigen dafür tausende Arbeiter in Nigeria oder Indien, das Verfahren ist mühsam und zeitaufwendig“, beschreibt Informatiker Philip Kessler die aktuelle Vorgehensweise.

Kessler gründete im Jahre 2017 zusammen mit Marc Mengler das Start-up understand.ai. Ihr Ziel, Algorithmen möglichst effizient zu trainieren, haben sie nun erreicht:

Bei understand.ai verwenden wir Künstliche Intelligenz, die es ermöglicht, diese Kennzeichnung zehn Mal schneller und präziser auszuführen“, so Kessler.

Team understand.ai ©understand.ai

QUALITÄTSKONTROLLE DURCH DEN MENSCHEN

Obwohl der Prozess der Bildbearbeitung größtenteils hochautomatisiert sei, übernehme der Mensch am Schluss die Qualitätskontrolle. Die Kombination von Technik und menschlicher Sorgfalt sei insbesondere bei sicherheitskritischen Themen wie dem autonomen Fahren wichtig, betont der Experte. Die auch „Annotationen“ genannten Markierungen in den Bild- und Videodarstellungen müssen pixelgenau mit der realen Umgebung übereinstimmen. Je besser die Qualität der bearbeiteten Bilddaten, desto besser der Algorithmus, der damit trainiert.

WEITERE ANWENDUNGSFELDER DENKBAR

Da man nicht für alle Situationen – zum Beispiel Unfälle – Trainingsbilder bereitstellen kann, bieten wir neuerdings auch aus Realdaten erarbeitete Simulationen an“, so Kessler.

Obwohl sich das Start-up derzeit noch auf das Thema autonomes Fahren fokussiert, planen die Gründer künftig das Bearbeiten von Bilddaten auch auf andere Branchen auszuweiten. So sehen sie weitere Anwendungsgebiete in dem Training von Algorithmen zur Tumorerkennung oder der Auswertung von Luftbildern.

Im Moment gehören führende Automobilhersteller und -zulieferer in Deutschland sowie den USA zu den Kunden von understand.ai. Neben seinem Hauptsitz Karlsruhe ist das junge Unternehmen – es hat übrigens seine Wurzeln am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) ‒,  in Berlin und San Francisco tätig. Derzeit sind mehr als 50 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern beschäftigt. Doch könnten noch mehr werden, denn es gibt noch einige offene Positionen. 2018 erhielten die Karlsruher von einer Runde privater Investoren eine Anschubfinanzierung in Höhe von 2,8 Millionen US-Dollar.

PIONIERGARAGE DES KIT

Der aus Braunschweig stammende Kessler begann 2012 das Informatikstudium am KIT. Hier entdeckte er sein Interesse am Thema Künstliche Intelligenz und Autonomes Fahren beim Entwickeln eines autonomen Modellfahrzeugs in der Hochschulgruppe KITCar. Als „extrem motivierend“ für die eigene Unternehmensgründung beschreibt er die Angebote der Hochschulgruppe Pioniergarage des KIT. Die Einrichtung richtet sich speziell an studentische Entrepreneure. Hinzu kam ein einjähriger Aufenthalt im Silicon Valley bei Mercedes Research im Bereich maschinelles Lernen und Datenanalyse.

„Nirgends lernt man in kürzester Zeit mehr als in einem Start-up, und das Interesse großer Firmen mit Start-ups zusammenzuarbeiten hat in jüngster Zeit deutlich zugenommen“, stellt der 26 Jahre alte Gründer fest. Die erste Welle der Künstlichen Intelligenz, in der sie vorwiegend für Unterhaltungsgeräte und Endverbraucher-Produkte genutzt wurde, habe Deutschland verschlafen.

In der zweiten Welle, in der Künstliche Intelligenz in Industrie und Technik angewandt wird, kann Deutschland sein Potenzial nutzen“, ist Kessler überzeugt.

Mengler hingegen machte seine Master in Entrepreneurship, Machine Learning und Data Science. Er hat bereits einige Startups im Bereich Machine Learning gegründet. Dabei erlebte er, wie viel Aufwand es bedeutet, gute Trainings- und Validierungsdaten für Algorithmen zu erhalten. Grund genug für ihn, eigene Labelingtools zu schreiben und so seine Algorithmen möglichst effizient zu trainieren.

Die beiden Gründer fanden übrigens durch einen gemeinsamen Bekannten aus Berlin zusammen. Dieser suchte Entwickler in Karlsruhe. Da Kessler als Vorstand der Pioniergarage des KIT gut verknüpft war, schrieb der Berliner ihn an. Innerhalb kürzester Zeit schlossen sich Kessler und Mengler als Team zusammen: Denn ihnen war schnell klar, dass sie mit Überzeugung am gleichen Thema arbeiteten und ähnliche Ideen hatten.

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ENTWICKLUNG VON SCHNELLLADESYSTEM FÜR PEDELECS

Ob ambitionierter Mountain-Biker oder gemütlicher Stadt-Cruiser: Wer einmal Pedelecs gefahren ist, mag sie nicht mehr missen. Denn zu angenehm ist das Gefühl, jederzeit auf den bequemen Antrieb zurückgreifen zu können. Wenn da nicht das Problem mit dem Laden des Akkus wäre. Derzeit dauert eine vollständige Ladung zwei bis vier Stunden. Das heißt also: man muss eine lange Pause machen, um weiterfahren zu können.

Doch dies könnten sich bald ändern: Das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) und die auf E-Mobility spezialisierte Coboc GmbH & Co. KG arbeiten derzeit an einem Schnellladeverfahren für E-Bikes beziehungsweise Pedelecs für die Stadt. Die elektrisch betriebenen Zweiräder unterscheiden sich übrigens im Antrieb: E-Bikes fahren schon per Knopfdruck los und bei Pedelecs (Pedal Electric Cycle) startet der Antrieb durch das Treten der Pedale.

KOMPAKTER AKKU FÜR DIE STADT

Das Schnellladesystem setzt auf besonders langlebige Lithium-Ionen-Zellen und einen vergleichsweise starken Ladestrom von bis zu zehn Ampere ©Lea de Biasi/Steffen Jokisch, KIT

Bei einem City-Bike reicht meist eine kleinere Batterie mit geringerer Reichweite. Dies macht ein Stadt-Pedelec erstens günstiger als andere elektrisch betriebene Bikes und zweitens schont es die Umwelt. Doch sollten mal weitere Strecken zurückgelegt werden, wäre eine Schnellladung von Vorteil. Gerade bei einer kompletter Akku-Entladung ist das bisher noch nicht möglich. „Deswegen wollen wir ein Schnellladesystem für E-Bikes entwickeln, das kompakt und leistungsfähig ist, aber auch nutzer- und umweltfreundlich“, erklärt Nicolaus Lemmertz, Wissenschaftler am Elektrotechnischen Institut (ETI) des KIT und Leiter des Projektes.

Das neue Schnellladeverfahren soll auf Lithium-Ionen-Zellen mit hoher Lebensdauer basieren. Zudem soll es über einen vergleichsweise starken Ladestrom von bis zu zehn Ampere verfügen und an normalen 230-Volt- Steckdosen  bei einem komplett leeren Akku  in weniger als einer Stunde aufgeladen werden können. Die Zwischenladung wäre dann entsprechend kürzer.

Zudem soll das Batterie-Managementsystem eine Diagnosefunktion erhalten. Dieses soll während der Nutzung des E-Bikes die gemessenen Daten über eine Internet-of-Things-Lösung (IoT) erfassen, analysieren und in die interne Cloud des Radherstellers Coboc streamen. Die Daten geben Aufschluss über den Ladezustand der Batterie, den sogenannten State of Charge (SOC), sowie ihren Gesamtzustand im Vergleich zu einem neuen Akku, also den State of Health (SOH). Beide Kennwerte bedingen einander.

Die Ergebnisse der Datenauswertung werden dem Nutzer sowie Hersteller grafisch aufbereitet zur Verfügung gestellt. Dies ermöglicht eine kontinuierliche Optimierung des E-Bikes, eine entsprechende Anpassung des Gesamtsystems und im Sinne einer vorausschauenden Wartung auch stets aktuelle Informationen über den Batteriestatus.

VOLLINTEGRIERTER EINBAU

Der Akku soll übrigens vollintegriert im Rahmen verbaut werden. Dies hilft Gewicht und somit Kosten zu sparen. Auch ermöglicht diese Bauweise eine bessere Wärmeabfuhr. Doch der größte Vorteil ist sicher die höhere Betriebssicherheit. Denn es werden weniger Stecker und Kontaktstellen, die zu Bruch und Korrosion führen können, benötigt. Einziger Nachteil ist, dass der Austausch des Akkus durch den Nutzer nicht möglich ist.

Innerhalb des Projektverbunds übernimmt das KIT unter anderem die Auswahl und Bewertung der infrage kommenden Lithium-Ionen-Zellen. Auch ist das Institut für die Lebensdaueruntersuchung ausgewählter Zellen sowie die Entwicklung des Schnellladeverfahrens und eines Diagnosesystems, das den Lade- sowie Gesamtzustand der Batterie (SOC und SOH) umfasst, verantwortlich.

GEFÖRDERT VOM BMWI

Coboc hingegen obliegt die Anforderungsanalyse und Entwicklung des Betriebs-Managementsystems. Auch zeichnet sich das Unternehmen für die Implementierung des IoT-Systems mit dem dazugehörigen Server Back End sowie die Hardware und deren Integration im Elektrofahrrad verantwortlich. „Durch den Vertrieb von E-Bikes mit einem solchen smarten System können wir nicht nur unseren Marktanteil erhöhen, sondern auch für mehr Nachhaltigkeit sorgen“, betont Coboc-Geschäftsführer David Horsch. Das Projekt wird im Rahmen des Zentralen Innovationsprogramms Mittelstand des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi)gefördert und läuft noch bis Ende September 2021.

In dieser Zeit werden an einem Prototypen erste Feldtests durchgeführt. Zwar ist noch kein genauer Markteinführungstermin bekannt, doch er wird sicherlich im Anschluss an das Projekt angestrebt.  Übrigens: Wer die Reichweite seines Akkus erhöhen möchte, der kann sich mit vorauschauendem Verhalten behelfen. Dazu gehören zum Beispiel auf ausreichend Reifendruck zu achten, möglichst wenig Gewicht zu transportieren, im gemäßigten Modus anzufahren und auch eine möglichst ebene Fahrtstrecke zu wählen. Und, gut zu wissen: Wenn der Akku nicht ständig komplett entladen wird, hält er länger.

Bild oben: Das KIT entwickelt zusammen mit dem Unternehmen Coboc ein Schnellladesystem für Pedelecs ©ChristianMetzler

Dieser Artikel erschien am 4.3.2019 in der Innovation Origins.

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CO2-AUFNAHME BEI JUNGEN WÄLDERN UM 25 PROZENT ERHÖHT

Ein internationales Forscherteam, darunter Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT), stellt unsere bisherigen Annahmen zur CO2-Aufnahme von Wäldern auf den Kopf: Nicht die Photosynthese allein ist für die Kohlenstoffsenken verantwortlich, sondern auch das Alter des Waldes.

Kohlenstoffsenken sind Ökosysteme, die große Mengen an Kohlenstoff binden und so die CO2-Ansammlung in der Atmosphäre – und damit den Klimawandel – verlangsamen.  So gilt der Wald diesbezüglich als ein bedeutender Filter für unsere Erde. Er reinigt die Luft von Staubpartikeln. Er produziert Sauerstoff. Er ist sozusagen unsere grüne Lunge.

KOHLENSTOFFSENKEN BEGRENZT

Bisher ging man davon aus, dass der hauptsächliche Prozess für die CO2-Aufnahme ein Verstärken der Photosynthese ist. Dieser begründet sich wiederum durch den Anstieg von Kohlendioxid in der Atmosphäre. Demnach sind die Senken dynamisch. Ihre Kapazität kann regional wachsen, aber auch schrumpfen. Dichte tropische Wälder in der Nähe des Äquators beispielsweise nehmen große Mengen COauf. Deshalb sprach man bis dato insbesondere dem Regenwald die elementare Aufgabe der Kohlenstoffdioxid-Reduktion zu.

Doch die Umweltforschenden fanden nun heraus, dass sich die weltweit größten Kohlenstoffsenken in jungen, nachwachsenden Wäldern befinden. Und zwar in Wäldern, die jünger als 140 Jahre sind.

„Diese Senken, die vom Waldwachstum abhängen, sind grundsätzlich begrenzt. Erreichen die Wälder ein bestimmtes Alter, sinkt ihre CO2-Aufnahme und die so wichtigen Kohlenstoffsenken verschwinden – außer es kommt zu einer weiteren Aufforstung“, so Professorin Almut Arneth vom Institut für Meteorologie und Klimaforschung – Atmosphärische Umweltforschung (IMK-IFU), Campus Alpin des KIT. „Die Ergebnisse der Studie sind ein wichtiger Beitrag zum Verständnis des Klimasystems und helfen uns gleichzeitig, fundierte Entscheidungen über die Forstwirtschaft zu treffen.“ Denn sie zeigen, wie viel CO2 nachwachsende Wälder in Zukunft binden könnten. „Allerdings ist die Menge an Kohlendioxid, die Wälder generell aus der Atmosphäre entfernen können, begrenzt. Deshalb müssen wir unsere Emissionen durch fossile Brennstoffe unbedingt reduzieren“, betont die Professorin.

ERGEBNIS BASIERT AUF VERGLEICH VON DATENSÄTZEN

Für seine bahnbrechenden Erkenntnisse analysierte ein internationales Forschungsteam, darunter Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT), eine Kombination aus Daten- und Computermodellen von globalen Wäldern neu. Mit dem Blick auf die Datensätze zum Alter der Wälder konnten die Experten nachvollziehen, wie viel CO2 etablierte Waldflächen, mit einem Alter von mindestens 140 Jahren, zwischen den Jahren 2001 bis 2010 aufnahmen. Der Vergleich mit jüngeren Wäldern ‒ die zum Beispiel auf vorherigen landwirtschaftlich genutzten oder abgeholzten Flächen nachwachsen ‒ zeigte: der Alterseffekt macht rund 25 Prozent der CO2-Aufnahme von Wäldern aus. Denn die Gebiete nehmen nicht nur aufgrund der erhöhten Photosynthese große Mengen CO2 aus der Atmosphäre auf, sondern vor allem aufgrund ihres jungen Bestehens. Dies trifft insbesondere auf die Wälder mittlerer und hoher Breiten zu. Dazu gehören beispielsweise Landflächen in den östlichen Bundesstaaten der USA, die Siedler bis Ende des 19. Jahrhunderts als Ackerland nutzten, oder Wälder in Kanada, Russland und Europa, die beispielsweise durch Waldbrände zerstört wurden. Aber auch große Aufforstungsprogramme in China leisten einen wichtigen Beitrag zu dieser Kohlenstoffsenke.

Finanziert wurde diese interessante Forschung von der Europäischen Kommission. Die Ergebnisse sind aktuell in den Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America (PNAS) nachzulesen.

Dieser Artikel erschien am 26.2.2019 in der Innovation Origins.

FORSCHUNG: 3D-TECHNOLOGIEN ZUM DRUCK VON NANO- BIS MAKROSTRUKTUREN

m Exzellenzcluster „3D Matter Made to Order” (3DMM2O) wollen Forschende des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) und der Universität Heidelberg der additiven Fertigung völlig neue Impulse geben: Ziel ist die Entwicklung von 3D-Technologien, die einen flexiblen, digitalen Druck ermöglichen. Zudem sollen mit neuartigen Tischgeräten das Erstellen von Strukturen von der molekularen bis hin zur makroskopischen Ebene umgesetzt werden. Denn mit additiven Verfahren ist inzwischen fast jede beliebige Struktur umsetzbar. Diese könnten zum Beispiel im Nanobereich ‒ je nach verwendeter „Tinte“ ‒, unterschiedlichste Funktionen erfüllen. Beispiele wären hier hybride, optische Chips oder auch Biogerüste für Zellgewebe.

„Der 3D-Druck bietet gerade im Mikro- und Nanobereich enorme Möglichkeiten. Die Herausforderungen, um diese zu erschließen, sind jedoch ebenso gewaltig“, so Martin Wegener, Professor am Institut für Angewandte Physik und Direktor am Institut für Nanotechnologie des KIT sowie Sprecher des Exzellenzclusters 3DMM2O. Gefragt sind vor allem Technologien und Verfahren, die auf der Basis digitaler Konstruktionsdaten bereits kleinste Strukturen schnell und qualitativ hochwertig umsetzen können. „Hier setzen wir mit unserem Cluster an. Wir wollen die 3D-Fertigung und Materialverarbeitung vom Molekül bis zur Makrostruktur vollständig digitalisieren und neue Fertigungstechnologien für konkrete Anwendungsfelder entwickeln.“

„Ohne neuartige Tinten und Photolacke aus der Chemie heraus wird dies nicht gehen. Anwendungen in der Biologie erfordern beispielsweise Materialien, die gleichsam auf Knopfdruck wieder abbaubar sind unter physiologischen Bedingungen, wie auch elektrisch leitfähige Materialien, die in 3D mit Nanometerpräzision verdruckbar sind“, ergänzt Uwe Bunz, Professor für Organische Chemie an der Universität Heidelberg, Mitglied des dortigen Centre for Advanced Materials CAM und ebenfalls Sprecher von 3DMM2O.

ZUSAMMENARBEIT VON DREI FORSCHUNGSBEREICHEN

Die additiven Prozesse und Technologien, die Anwendungen in den Bereichen Material- und Lebenswissenschaften ermöglichen, sollen zukünftig feiner, schneller und vielfältiger sein. Um dies zu erreichen setzen die Forschenden aus Natur- und Ingenieurwissenschaften in drei ineinandergreifenden Forschungsfeldern an. So entstehen im Feld „Technologien“ neuartige Werkzeuge. Diese sollen Strukturen bis zu zehn Nanometer fertigen. Auch wird mit ihnen ein schnellerer, präziserer Druck mit unterschiedlichen Tinten und Photolacken angepeilt. Diese wiederum werden von den Wissenschaftlern aus dem Bereich „Molekulare Materialien” entwickelt. Die so maßgeschneiderten, künstlichen Materialien sollen ein breites Spektrum an Eigenschaften aufweisen und sich kombinieren lassen. Das Forschungsfeld „Applikationen“ bringt die Forschung schließlich in die Anwendung. Hier liegt der Fokus auf den Bereichen Optik und Photonik, Material- sowie Lebenswissenschaften. So können beispielsweise die gedruckten 3D-Strukturen die Leistung optischer Chips für die Informationsverarbeitung verbessern oder in künstlichen Retinae zum Einsatz kommen.

„Unser Ansatz besteht darin, digitale Informationen in maßgeschneiderte, funktionale Materialien, Geräte und Systeme zu übersetzen“, so Wegener. Langfristiges Ziel von 3DMM2O ist es, eine Art Tischgerät zu bauen, das keine besonderen räumlichen Voraussetzungen, wie etwa eine große Produktionshalle, Vakuum oder bestimmte Temperaturen, erfordert. „Wir wollen bisher unzugängliche wissenschaftliche Anwendungen quasi für zu Hause erschließen und den 3D-Druck auf Knopfdruck ermöglichen“, erklärt Wegener.

HINTERGRUND

3DMM2O konnte sich 2018 in der Förderlinie „Exzellenzcluster“ der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) durchsetzen. Insgesamt stehen für diese Förderlinie jährlich rund 385 Millionen Euro zur Verfügung. Die Carl-Zeiss-Stiftung fördert das Cluster zusätzlich über sechs Jahre hinweg mit acht Millionen Euro. Diese Mittel fließen in ein Doktoranden-Stipendienprogramm, eine neue Professur am CAM, ein neues Nutzerlabor am KIT und in eine begleitende „Vision Assessment“-Studie, welche die gesellschaftlichen und ethischen Implikationen der Visionen von 3DMM2O erforschen soll.

HEIKA GRADUIERTENSCHULE „FUNCTIONAL MATERIALS“

Ein zentrales Strukturelement des Clusters ist die HEiKA (Heidelberg Karlsruhe Strategic Partnership) Graduiertenschule mit dem Forschungsbereich „Functional Materials“. Diese umfasst alle gemeinsamen bilateralen Aktivitäten des KIT und der Universität Heidelberg. Die Graduiertenschule bindet Masterstudierende, Doktorandinnen und Doktoranden in das stark interdisziplinäre Forschungsgebiet ein. Hierbei spielt ein breites Modulprogramm eine wichtige Rolle. Die Carl-Zeiss-Stiftung fördert jährlich bis zu vier Masterstudierende, die eine Promotion im Forschungsumfeld von 3DMM2O anstreben. Zusätzlich unterstützt die Stiftung bis zu 20 Doktorandinnen und Doktoranden bei ihrer Dissertation in den Themenbereichen des Clusters.

MATERIALMIX UND BEWEGLICHE MIKROSTRUKTUREN

Die Forschenden des KIT und der Carl Zeiss AG entwickelten gemeinsam ein System, mit dem sie mehrfarbig fluoreszierende Sicherheitsmerkmale dreidimensional additiv herstellen können. Damit lassen sich beispielsweise Geldscheine, Pässe und Markenprodukte vor Fälschung schützen. Grundlage ist die 3D-Laserlithografie, bei der ein Laserstrahl computergesteuert einen flüssigen Fotolack durchfährt und das Material nur am Fokuspunkt des Laserstrahls aushärtet. Die Wissenschaftler bauten dafür eine selbst entwickelte, mikrofluidische Kammer in das Lithografiegerät. Mit dieser können sie nun verschiedenste Materialien verdrucken. So setzt ein einziges Gerät dreidimensionale Mikro- und Nanostrukturen aus mehreren Materialien in einem Prozessschritt um.

Das direkte Laserschreiben ermöglicht bereits jetzt routinemäßig präzise Strukturen auf der Mikroskala. Für Anwendungen in der Biomedizin wäre es jedoch vorteilhaft, wenn die gedruckten Objekte nicht starr sind, sondern bewegliche Systeme wären, die nach dem 3D-Druck schaltbar sind. Forschende des KIT konnten nun dreidimensionale Strukturen aus Hydrogelen erstellen, die durch den Einfluss von Temperatur oder Licht ihre Form stark verändern. Diese sind in wässriger Umgebung funktionsfähig und damit ideal für Anwendungen in Biologie und Biomedizin.

Bild oben: Der 3D-Druck ermöglicht viele große und sehr kleine Anwendungen: Mit spezieller Tinte können etwa Biogerüste für Zellgewebe entstehen ©Martin Bastmeyer, KIT

Dieser Artikel erschien am 22.2.2019 in der Innovation Origins.

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Gratwanderungen: Künstliche Intelligenz in der Medizin

Die Entschlüsselung des menschlichen Erbguts gibt noch immer Rätsel auf. Ein entscheidendes Hilfsmittel könnte dabei Künstliche Intelligenz sein. Mit ihr scheinen neue therapeutische Ansätze für schwerwiegende Krankheiten möglich. Aber eben auch nichtmedizinische „Verbesserungen“ des Erbguts. Seit diesem Jahr erforschen Wissenschaftler des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) welche Anwendungen in der Medizin realistisch sind. Aber auch welche ethischen Fragen aufkommen werden.

„Die moderne Genomforschung will verstehen und vorhersagen, wie genetische Unterschiede zwischen Menschen komplexe Merkmale, wie zum Beispiel Dispositionen für häufige Krankheiten, bestimmen“, so Harald König, Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse (ITAS) des KIT. Zwar schreiten die Möglichkeiten der Analyse des Erbguts rasch voran. Doch bleibt das Wissen darüber, wie unser Erbgut solche Merkmale bestimmt, bislang meist auf Korrelationen beschränkt. Eine entscheidende Weiterentwicklung verspricht nun der Einsatz von fortgeschrittenen Formen Maschinellen Lernens: „Insbesondere das sogenannte Deep Learning könnte es ermöglichen, menschliche Genome nicht nur wie bisher zu ‚lesen‘, sondern die komplexen biophysikalischen Zusammenhänge und Mechanismen zu verstehen, die dafür sorgen, aus genetischen Anlagen körperliche Merkmale hervorzubringen“, so König.

THERAPIEN GEGEN KREBS ODER DEMENZ

Die neuen Ansätze machen sich die Kombination von Künstlicher Intelligenz und rasch fortschreitenden Techniken der Genomanalyse (einschließlich Einzelzellanalysen) sowie automatisierte Laborplattformen zunutze. Letztere können sehr große Mengen von Daten zu Genomveränderungen und verschiedenen zellulären Prozessen wie dem Ablesen von Genen oder dem Auftreten verschiedener Proteinformen unter verschiedenen Bedingungen liefern. „Das Ergebnis könnte ein enormer Wissenssprung – von Korrelationen hin zu ursächlichen Zusammenhängen – sein, der ganz neue Anwendungsmöglichkeiten verspricht“, so König. Mit solchen Ansätzen verbinde sich beispielsweise die Hoffnung auf neue, ungleich effektivere Therapieansätze für Krebs, Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Demenz. Diese „precision medicine“ könnte maßgeschneidert für verschiedene Gruppen von Patienten, Krankheitsvarianten oder -stadien eingesetzt werden.

Das Forschungsteam, an dem neben der Technikfolgenabschätzung des KIT auch das Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung (ISI) beteiligt ist, will analysieren, welche Anwendungen in der Praxis kurz- bis mittelfristig realistisch sind. Gleichzeitig liegt der Fokus auf den vielfältigen gesellschaftlichen und politischen Implikationen, mit denen das neue Wissen verbunden ist. So könnte die Medizin der Zukunft für eine alternde Gesellschaft enormen makroökonomischen und sozialen Nutzen haben. Zudem könnten manche der Ansätze, wie gen- und zellbasierte Therapien, jedoch auch mit sehr hohen Kosten einhergehen. Somit werden Fragen nach der Finanzierung von Forschung und Entwicklung sowie der Zugänglichkeit für Patienten aufgeworfen.

PRÄVENTIVE EINGRIFFE IN DIE MENSCHLICHE KEIMBAHN

Das Wissen darüber, welche genetischen Informationen wie „umgeschrieben“ werden müssten, um bestimmte Effekte zu erzielen, wirft zusammen mit jüngsten Verfahren zur Genom-Editierung, wie dem CRISPR-Cas-System, auch ethische Fragen auf. So könnte zumindest international der Trend dahingehen, über seltene Erbkrankheiten hinaus auch häufige Leiden wie Brustkrebs oder Diabetes durch eine „präventive Korrektur“ entsprechender Risikomutationen in der Keimbahn menschlicher Embryonen zu verhindern. „Eine Entwicklung, die im Extremfall dazu führen könnte, dass es künftig eine wachsende Akzeptanz dafür gibt, das menschliche Genom mit nicht-medizinischen Eingriffen zu ‚verbessern‘ “, befürchtet König.

Außerdem müsse sich die Gesellschaft damit auseinandersetzen, wie die Eigentumsrechte von genetischen Daten geregelt und ihre Sicherheit gewährleistet werden kann. Künftig könnte es beispielsweise möglich sein, anhand von Genomsequenzen direkt auf den Phänotyp, also beispielsweise das Aussehen von Personen zu schließen. „Dieses Wissen“, so König, „wäre nicht nur für Strafverfolgungsbehörden äußerst wertvoll.“

OPTIONEN FÜR POLITISCHE ENTSCHEIDUNGSTRÄGER

Aufbauend auf ihrer Technikfolgenabschätzung wollen die Forschenden in den kommenden beiden Jahren Optionen für die Forschungs- und Innovationspolitik erarbeiten. Politischen Entscheidungsträgern wollen sie zudem verschiedene Handlungsmöglichkeiten anbieten. So sollen Wege für einen verantwortungsvollen Umgang mit dieser durch KI und Genomik getriebenen Technologie eröffnet werden.

Das Projekt „Deepen Genomics – Chancen und Herausforderungen der Konvergenz von künstlicher Intelligenz, moderner Humangenomik und Genom-Editierung” ist Teil der Innovations- und Technikanalyse (ITA) des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF). Die aktuellen Forschungsprojekte des Programms werden am 14. und 15. Februar beim ITA-Forum 2019 in Berlin vorgestellt.

Weitere Informationen zu dem Projekt gibt es hier.

Bild oben: Krankheiten behandeln oder das Erbgut „verbessern“? Was KI hier beitragen kann und
welche ethischen Fragen das aufwirft, untersuchen Forschende des KIT © Pixabay

Dieser Artikel erschien am 14.2.2019 in der Innovation Origins.