EVOLUTIONSBIOLOGIE UNTER NEUER PERSPEKTIVE

Anhand von farbenfrohen Hamletbarschen erforschten Wissenschaftler des GEOMAR Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel und des Smithsonian Tropical Research Institute in Panamaeine der grundlegenden Fragen der Evolutionsbiologie: „Wie können neue Arten im Meer entstehen?“ Dies ist besonders unter dem Aspekt interessant, dass die karibischen Riffbarsche eigentlich nahe beieinander leben und sich auch weiterhin miteinander fortpflanzen können.

Die Forschenden entdeckten bei ihren Untersuchungen, wie die natürliche Selektion auf die Weiterentwicklung von Genen im Bereich der visuellen Wahrnehmung und damit einhergehend der Ausprägung von Farbmustern wirkt. So ist es zumindest bei den Hamlets der Fall, dass die blaue Fischart meistens blaue Partner bevorzugt, während die rote Art eher auf rote Partner anspricht. Das heißt, die einzigartige Farbgebung bedingt auch die Vorliebe für die Ausprägung dieser Farbeigenschaft bei der Partnerwahl.

Dies ist einer der Gründe, warum die Forschung lange vermutete, dass sich neue Arten nur in absoluter Isolation und ohne Kreuzung entwickeln können. Sofern sich in diesem Falle beide Arten untereinander vermischten, ging man davon aus, dass hier die codierten Merkmale zwischen Farb- und Paarungsvorlieben, die sogenannte Kopplung, durch die sexuelle Rekombination – die Neuanordnung von genetischem Material in den Zellen –, zerstört wird. In Folge dessen hätten rote Individuen eine Präferenz für blaue Partner und umgekehrt.

VERWANDTE ARTEN MIT DEUTLICHEN CHARAKTERISTIKA

Ein gestreifter Hamletbarsch (Hypoplectrus puella) vor der Küste Panamas ©Kosmas Hench/GEOMAR

Doch stellten die Wissenschaftler um Oscar Puebla, Professor am GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel, in Zusammenarbeit mit Kolleginnen und Kollegen am Smithsonian Tropical Research Institute (STRI), fest, dass bei der natürlichen Selektion miteinander verwandter Arten codierte Merkmale für Farbmuster und Paarungspräferenzen eben nicht neu kombiniert werden.

Für ihre Untersuchungen hatten die Wissenschaftler einige Hürden zu meistern: „Die erste Herausforderung unserer Studie bestand darin, eine Tiergruppe zu finden, in der sich erst vor kurzer Zeit neue Arten entwickelt haben, die aber deutliche Charakteristika aufweisen“, so Puebla. Genau so eine Gruppe bilden die Hamletbarsche. Mehrere eng verwandte Arten von ihnen leben an den Riffen der gesamten Karibik. Die einzelnen Arten sind genetisch sehr ähnlich. Ihr Hauptunterschied ist das jeweilige Farbmuster, während die Präferenz für verschiedene Farbmuster bei der Paarung die Arten getrennt hält.

IDENTIFIZIERUNG DER GENE

Für die Forschenden galt es zudem, die Gene zu identifizieren, die den Unterschied zwischen den Arten und den Paarungspräferenzen ausmachen. Hierfür sequenzierten die Wissenschaftler zunächst das gesamte Genom von 110 Riffbarschen aus Panama, Belize und Honduras. Im Anschluss untersuchten sie bei den Fischen, worin sich das Genom unterscheidet. Denn alle drei untersuchten Arten leben zusammen in denselben Riffen.

„Dieser umfassende Datensatz ermöglichte es uns, vier eng begrenzte Regionen des Genoms zu identifizieren, die bei allen Arten deutliche Unterschiede aufzeigten, während der Rest des Genoms bei allen Arten kaum Differenzierung zeigte“, erklärt Kosmas Hench, Doktorand am GEOMAR und Erstautor der Studie. Denn genau diese vier Regionen beinhalten die Gene, die die visuelle Wahrnehmung sowie die Farbmuster der Fische beeinflussen.

Obwohl sich die Arten untereinander paaren, zeigen die Daten, dass die Konstellationen der Seh- und Farbmustergene sich nicht verändern. Die entsprechenden Gene sind also gekoppelt (haben codierte Merkmale) und sind so vor sexueller Rekombination (Neuordnung von genetischem Material) geschützt. Das Besondere an dem Ergebnis ist zudem, dass sich die Gene im Fall der Hamletbarsche auf drei verschiedenen Chromosomen befinden. Bisher kannte man solche Gen-Koppelungen nur, wenn die Gen-Sätze auf einem Chromosom sehr nahe beieinander lagen. So konnte das Team zeigen, wie die natürliche Selektion zur Entstehung neuer Formen in einer sehr frühen Phase der Artenbildung beitragen kann.

WEITERE FORSCHUNGEN

Die Wissenschaftler vermuten, dass ihre Ergebnisse auch noch auf andere Arten übertragbar sind. Doch dafür bedarf es zusätzlicher Untersuchungen, weshalb als nächster Schritt weitere der bisher 19 beschriebenen Hamlet-Arten erforscht werden sollen. Damit wollen die Wissenschaftler herausfinden, ob sich das gefundene Muster allgemein durch die Familie der Hamletbarsche zieht, oder ob es einen Spezialfall der drei untersuchten Arten darstellt.

Grundsätzlich ist übrigens denkbar, dass die natürliche Selektion auch bei anderen Faktoren, die der Partnerwahl dienen, funktioniert. So ist es möglich, dass hier eventuell auch Geruch, Größe oder das Verhalten wirken. Die Studie erschien Anfang März in der Fachzeitschrift Nature Ecology and Evolution.

Bild oben: Professor Oscar Puebla bei Feldarbeiten im Lebensraum der Hamletbarsche vor Puerto Rico ©Kosmas Hench/GEOMAR

Dieser Artikel erschien am 5. März in der Innovation Origins.

ENTWICKLUNG VON SCHNELLLADESYSTEM FÜR PEDELECS

Ob ambitionierter Mountain-Biker oder gemütlicher Stadt-Cruiser: Wer einmal Pedelecs gefahren ist, mag sie nicht mehr missen. Denn zu angenehm ist das Gefühl, jederzeit auf den bequemen Antrieb zurückgreifen zu können. Wenn da nicht das Problem mit dem Laden des Akkus wäre. Derzeit dauert eine vollständige Ladung zwei bis vier Stunden. Das heißt also: man muss eine lange Pause machen, um weiterfahren zu können.

Doch dies könnten sich bald ändern: Das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) und die auf E-Mobility spezialisierte Coboc GmbH & Co. KG arbeiten derzeit an einem Schnellladeverfahren für E-Bikes beziehungsweise Pedelecs für die Stadt. Die elektrisch betriebenen Zweiräder unterscheiden sich übrigens im Antrieb: E-Bikes fahren schon per Knopfdruck los und bei Pedelecs (Pedal Electric Cycle) startet der Antrieb durch das Treten der Pedale.

KOMPAKTER AKKU FÜR DIE STADT

Das Schnellladesystem setzt auf besonders langlebige Lithium-Ionen-Zellen und einen vergleichsweise starken Ladestrom von bis zu zehn Ampere ©Lea de Biasi/Steffen Jokisch, KIT

Bei einem City-Bike reicht meist eine kleinere Batterie mit geringerer Reichweite. Dies macht ein Stadt-Pedelec erstens günstiger als andere elektrisch betriebene Bikes und zweitens schont es die Umwelt. Doch sollten mal weitere Strecken zurückgelegt werden, wäre eine Schnellladung von Vorteil. Gerade bei einer kompletter Akku-Entladung ist das bisher noch nicht möglich. „Deswegen wollen wir ein Schnellladesystem für E-Bikes entwickeln, das kompakt und leistungsfähig ist, aber auch nutzer- und umweltfreundlich“, erklärt Nicolaus Lemmertz, Wissenschaftler am Elektrotechnischen Institut (ETI) des KIT und Leiter des Projektes.

Das neue Schnellladeverfahren soll auf Lithium-Ionen-Zellen mit hoher Lebensdauer basieren. Zudem soll es über einen vergleichsweise starken Ladestrom von bis zu zehn Ampere verfügen und an normalen 230-Volt- Steckdosen  bei einem komplett leeren Akku  in weniger als einer Stunde aufgeladen werden können. Die Zwischenladung wäre dann entsprechend kürzer.

Zudem soll das Batterie-Managementsystem eine Diagnosefunktion erhalten. Dieses soll während der Nutzung des E-Bikes die gemessenen Daten über eine Internet-of-Things-Lösung (IoT) erfassen, analysieren und in die interne Cloud des Radherstellers Coboc streamen. Die Daten geben Aufschluss über den Ladezustand der Batterie, den sogenannten State of Charge (SOC), sowie ihren Gesamtzustand im Vergleich zu einem neuen Akku, also den State of Health (SOH). Beide Kennwerte bedingen einander.

Die Ergebnisse der Datenauswertung werden dem Nutzer sowie Hersteller grafisch aufbereitet zur Verfügung gestellt. Dies ermöglicht eine kontinuierliche Optimierung des E-Bikes, eine entsprechende Anpassung des Gesamtsystems und im Sinne einer vorausschauenden Wartung auch stets aktuelle Informationen über den Batteriestatus.

VOLLINTEGRIERTER EINBAU

Der Akku soll übrigens vollintegriert im Rahmen verbaut werden. Dies hilft Gewicht und somit Kosten zu sparen. Auch ermöglicht diese Bauweise eine bessere Wärmeabfuhr. Doch der größte Vorteil ist sicher die höhere Betriebssicherheit. Denn es werden weniger Stecker und Kontaktstellen, die zu Bruch und Korrosion führen können, benötigt. Einziger Nachteil ist, dass der Austausch des Akkus durch den Nutzer nicht möglich ist.

Innerhalb des Projektverbunds übernimmt das KIT unter anderem die Auswahl und Bewertung der infrage kommenden Lithium-Ionen-Zellen. Auch ist das Institut für die Lebensdaueruntersuchung ausgewählter Zellen sowie die Entwicklung des Schnellladeverfahrens und eines Diagnosesystems, das den Lade- sowie Gesamtzustand der Batterie (SOC und SOH) umfasst, verantwortlich.

GEFÖRDERT VOM BMWI

Coboc hingegen obliegt die Anforderungsanalyse und Entwicklung des Betriebs-Managementsystems. Auch zeichnet sich das Unternehmen für die Implementierung des IoT-Systems mit dem dazugehörigen Server Back End sowie die Hardware und deren Integration im Elektrofahrrad verantwortlich. „Durch den Vertrieb von E-Bikes mit einem solchen smarten System können wir nicht nur unseren Marktanteil erhöhen, sondern auch für mehr Nachhaltigkeit sorgen“, betont Coboc-Geschäftsführer David Horsch. Das Projekt wird im Rahmen des Zentralen Innovationsprogramms Mittelstand des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi)gefördert und läuft noch bis Ende September 2021.

In dieser Zeit werden an einem Prototypen erste Feldtests durchgeführt. Zwar ist noch kein genauer Markteinführungstermin bekannt, doch er wird sicherlich im Anschluss an das Projekt angestrebt.  Übrigens: Wer die Reichweite seines Akkus erhöhen möchte, der kann sich mit vorauschauendem Verhalten behelfen. Dazu gehören zum Beispiel auf ausreichend Reifendruck zu achten, möglichst wenig Gewicht zu transportieren, im gemäßigten Modus anzufahren und auch eine möglichst ebene Fahrtstrecke zu wählen. Und, gut zu wissen: Wenn der Akku nicht ständig komplett entladen wird, hält er länger.

Bild oben: Das KIT entwickelt zusammen mit dem Unternehmen Coboc ein Schnellladesystem für Pedelecs ©ChristianMetzler

Dieser Artikel erschien am 4.3.2019 in der Innovation Origins.

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FORSCHUNGSPROJEKT: ERNEUERBARE ENERGIE CHEMISCH SPEICHERN

Im Jahre 2050 sollen 80 Prozent des Stroms in Deutschland aus erneuerbaren Energiequellen stammen. Wobei hier Sonne, Wind und Biomasse als die wichtigsten Energielieferanten gelten. Doch sie stehen nicht gleichmäßig zur Verfügung. Denn an wind- und sonnenreichen Tagen fällt mehr Strom an, als in die Netze eingespeist werden kann. Diese fluktuierende Verfügbarkeit ist im Rahmen der Energiewende eine der größten Herausforderungen. Doch lässt sich die Überproduktion aus Windkraft- und Photovoltaikanlagen in Energieträgern wie Wasserstoff oder Kohlenwasserstoffen chemisch speichern. So könnte die elektrische Energie zu einem späteren Zeitpunkt wieder zur Verfügung stehen. Für die Umwandlung der Energieträger in Speichermoleküle wie Methan, Kohlenwasserstoffe oder Alkohole sind Katalysatoren, elektrochemische Zellen und Reaktoren notwendig. Diese müssten in dynamischen Reaktionsbedingungen eingesetzt werden. Wie sich der Einfluss wechselhafter Gegebenheiten von außen – eben durch das Schwanken von Windstärke und Sonneneinstrahlung – auf die katalytischen Reaktionssysteme auswirkt, wurde bislang kaum betrachtet. Denn die chemischen Reaktoren wurden bis jetzt meist stationär betrieben.

„Man weiß jedoch, dass sich die Struktur fester Katalysatoren und damit ihre katalytische Wirkung mit den Reaktionsbedingungen stark ändern kann. Dies ist wissenschaftlich hochspannend“, erklärt Professor Jan-Dierk Grunwaldt von den Instituten für Technische Chemie und Polymerchemie (ITCP) sowie für Katalyseforschung und -technologie (IKFT) des KIT.

RENOMMIERTE FORSCHUNGSEINRICHTUNGEN AUS GANZ DEUTSCHLAND

Mit dem Namen „Schwerpunktprogramm 2080 – Katalysatoren und Reaktoren unter dynamischen Betriebsbedingungen für die Energiespeicherung und -wandlung (SPP 2080, DynaKat)“ ist im Februar 2019 das deutschlandweite, interdisziplinäre Forschungsprogramm der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gestartet. Die DFG fördert das auf insgesamt sechs Jahre angelegte Schwerpunktprogramm DynaKat zunächst für drei Jahre mit 8,5 Millionen Euro.

Die Koordination obliegt als projektstärkstem Partner dem Karlsruher Institut für Technologie (KIT). Zudem sind zahlreiche weitere renommierte Forschungseinrichtungen in ganz Deutschland beteiligt. Darunter das Forschungszentrum Jülich, die TU München und mehrere Max-Planck-Institute wie das Berliner Fritz-Haber-Institut. Insgesamt zwölf große Forschungskonsortien untersuchen in interdisziplinären Verbünden grundlegende und methodische Herausforderungen des dynamischen Betriebs. Die überregionalen Forschungsprojekte untergliedern sich wiederum in 34 Teilprojekte.

DYNAMISCHE BEDINGUNGEN GRUNDLEGEND VERSTEHEN UND VERBESSERN

Die rasante Entwicklung bei spektroskopischen Methoden und im Bereich der Modellierung kombiniert mit neuen Ansätzen im Material- und Reaktordesign bieten für die Forschung exzellente Voraussetzungen. Neuere Untersuchungen belegen zudem, dass sich die Struktur fester Katalysatoren – und damit auch die katalytische Wirkung mit den Reaktionsbedingungen -, stark ändern kann. Dabei besteht zum einen das Potenzial, durch dynamischen Betrieb die Ausbeute der erwünschten Reaktionsprodukte zu erhöhen und Katalysatoren in Ruhephasen zu reaktivieren. Zum anderen müssen die nanostrukturierten Katalysatoren stabilisiert werden. Für eine effiziente Nutzbarmachung dynamischer Reaktionsbedingungen bedarf es daher eines grundlegenden Verständnisses aller beteiligten Prozesse – von der atomaren Skala des Katalysators bis hin zu dreidimensionalen Konzentrations- und Temperaturverteilungen im technischen Reaktor.

„Wir wollen Veränderungen des Materials der Katalysatoren unter dynamischen Bedingungen grundlegend verstehen und verbessern“, beschreibt Dr. Erisa Saraçi, wissenschaftliche Mitarbeiterin am IKFT das Projekt. Dafür werden alle beteiligten Prozesse untersucht, von den Vorgängen auf der atomaren Ebene des Katalysators bis zur räumlichen Verteilung der Stoffkonzentrationen und Temperaturen auf Reaktorebene. Für ein grundlegendes Verständnis der Prozesse und um neue Ansätze im Material- und Reaktordesign zu entwickeln, kommen klassische etablierte Experimente ebenso zum Einsatz wie neueste spektroskopische Methoden und Möglichkeiten der Modellierung.

Der zu erwartende Erkenntnisgewinn soll künftig den effizienten Betrieb katalytischer Systeme unter dynamischen Bedingungen ermöglichen. Das grundlegende Verständnis hierfür wird am Beispiel von Reaktionen zur Energiespeicherung und -wandlung erarbeitet und schafft die Basis für zukünftige technische Anwendungen.

Schematische Darstellung und Überblick über die wissenschaftliche Arbeit im SPP 2080: Mit erneuerbaren Energien werden aus Kohlendioxid und Wasser durch Elektrolyse und katalytische Umsetzung Chemikalien und Kraftstoffe hergestellt. Grafik und ©: Arbeitsgruppe Grunwaldt, KIT

Charakteristisch für alle untersuchten Systeme ist, dass die Dynamik systematisch im Zeitbereich zwischen Sekunden und Tagen von außen aufgeprägt wird. Entweder weil die aufgeprägte Dynamik nur mit großem Aufwand vermieden werden kann (z. B. schwankendes Angebot an elektrischer Energie), oder weil durch den dynamischen Betrieb begründete Vorteile für die Raum-Zeit-Ausbeuten oder Selektivitäten der katalytischen Reaktionen erwartet werden.

OFFEN FÜR NACHWUCHSWISSENSCHAFTLER UND WEITERE FORSCHUNGEN

Die Ergebnisse sind aber auch interessant für andere Bereiche wie Abgaskatalyse,  Selektivoxidationen, Brennstoffzellen, Batterien oder Photokatalyse. Diese Anwendungen sind jedoch ebenso wie rein physikalisch-chemische Studien nicht Gegenstand des Forschungsprojekts. Denn das interdisziplinäre Forschungsvorhaben ist in der Technischen Chemie bzw. der Chemischen Reaktionstechnik lokalisiert und explizit offen für weitere Gebiete der Chemie, Physik oder Materialwissenschaften, die zur Thematik beitragen.

Das Einbeziehen des wissenschaftlichen Nachwuchses spielt im DFG-Schwerpunktprogramm DynaKat ebenfalls eine wichtige Rolle. So steht interessierten Studierenden und Promovierenden ein Blockkurs am KIT zum Thema „Technologien und Ressourcen für Erneuerbare Energien: Von Wind und Solar zu Chemischen Energieträgern“ offen.

„In der Forschung kommt man ohne Netzwerke und Teamarbeit nicht voran, da die einzelnen Teildisziplinen sehr komplex sind“, so Sebastian Weber, Doktorand am IKFT/ITCP. Gerade für den wissenschaftlichen Nachwuchs seien der Austausch und das Zusammenbringen unterschiedlicher Expertisen wertvoll, betonen Saraçi und Weber. „Es geht darum, Kompetenzen zu bündeln und das Themengebiet deutschlandweit voranzutreiben, um darin international führend zu werden“, so Programmkoordinator Grunwaldt.

Bild oben: Energie aus erneuerbaren Quellen speichern – das ist eine der Herausforderungen der Energiewende. ©Pascal Armbruster, KIT

Dieser Artikel erschien am 1.3.2019 in der Innovation Origins.

HOLZBRILLE: NACHHALTIG UND EXKLUSIV

Eine Brille aus Massivholz? Geht das überhaupt? – Na klar, denn „geht nicht gibt´s nicht“ dachten sich findige Designer aus Freising in Oberbayern. In Zusammenarbeit mit der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf sowie dank des Know-hows des Traditionsunternehmens Frank Instrumentenbau entwickelte das Start-up Freisicht Eyewear die sogenannte Woodflex-Technologie zur Modifikation von Holz. Sie schafften somit die Basis zum Design einer eleganten Holzbrille.

Durch das zum Patent angemeldete Verfahren ist es erstmals möglich, eine Brille aus einem einzigen Stück Massivholz individuell zu gestalten. Es werden weder Schichtholz noch Materialmischungen verwendet. Der Optiker erwärmt letztendlich das Brillengestell mittels Ventilette – ein in der augenoptischen Werkstatt übliches Heißluftgerät – und passt es ergonomisch auf die Gesichtsgeometrie des Kunden an. Denn das erwärmte Holz erreicht durch die Hitze eine gewisse Teigigkeit, lässt sich dadurch verformen und erstarrt nach dem Erkalten wieder. Damit auch die Verglasung risikofrei bleibt, ist ein Schließblock in das Gestell eingearbeitet. Dieser wird per Schlitzschraubendreher geöffnet, so dass die Gläser eingesetzt werden können. Sobald die Schrauben wieder zugedreht sind, ist der feine Spalt kaum mehr zu sehen.

EIGENSCHAFTEN WIE JEDES BRILLENGESTELL

Holzbrille von Freisicht hat ähnliche Eigenschaften wie eine herkömmliche Brille aus Acetat oder Metall ©Freisicht-Eyewear
Dank der Woodflex-Technologie lässt sich das Holz verformen – nach dem Erkalten erstarrt es wieder ©Freisicht-Eyewear

Die Holzbrille von Freisicht hat ähnliche Eigenschaften wie eine herkömmliche Brille aus Acetat oder Metall. Doch sie überzeugt zudem durch ihren exklusiven Charakter sowie durch ihre Nachhaltigkeit. Denn die Fassungen werden in reinster Handarbeit direkt vor Ort in Freising hergestellt. Zudem nutzen die Brillen-Pioniere ausschließlich heimische Holzarten wie Walnuss und Ahorn. Die Holzoberfläche wird so behandelt, dass eine einfache Verschmutzung leicht abzuputzen ist. Auch sind die Brillen vor Schweiß und Feuchtigkeit geschützt. Individuelle Maserungen und Patina zaubern aus jedem Stück ein Unikat. Passend dazu werden die Brillen mit edlen Brillenetuis aus Eichenholz geliefert. Sie geben dem Designerstück nicht nur einen perfekten Schutz, sondern sie glänzen auch mit allerhöchsten Qualitätsansprüchen. Besonders schön: Die Etuis werden in den Steinhöringer-Werkstätten für Menschen mit Behinderung gefertigt.

AUSZEICHNUNG

Übrigens wurden die Freisinger Holzbrillendesigner Ende Januar beim bayerischen Gründerwettbewerb PlanB mit dem ersten Platz gekürt. Hier werden insbesondere Geschäftsideen für die biobasierte Wirtschaft ausgezeichnet. Mit dem Sieg sicherte sich das Start-up ein Preisgeld von 5.500 Euro und eine Startereinheit im Straubinger Gründerzentrum BioCubator. „Wir werden das Preisgeld für die Weiterentwicklung des Unternehmens einsetzen“, freut sich Wittmann über die Auszeichnung, „das ist eine wunderbare Chance für uns, noch mehr Menschen von den Möglichkeiten des Werkstoffs Holz zu überzeugen und auch viele weitere Kunden und Fans zu gewinnen.“

Bild oben: Mit der Holzbrille zum Erfolg: Das Freisinger Start-up Freisicht-Eyewear wurde beim Gründerwettbewerb Plan B mit dem ersten Platz gekürt. Von li. nach re: Sebastian Wittmann, Founder & CEO; Thomas Winter, Design; Linus Frank, Founder & CTO ©Freisicht-Eyewear

Dieser Artikel erschien am 28.2.2019 in der Innovation Origins.

FESTKÖRPERBATTERIE MIT HOHER ENERGIEDICHTE DANK LITHIUM-ANODE

Wissenschaftler des Forschungszentrums Jülich und der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster entwickelten eine neue Festkörperbatterie. Das Besondere: Sie verfügt über eine Anode aus reinem Lithium. Das Alkalimetall gilt als ideales Elektrodenmaterial, da sich mit ihm die höchsten Energiedichten erreichen lassen. Doch da das Metall sehr reaktiv ist, wurde es bisher nicht als Anode verwendet. Die Forschenden tricksten diese Eigenschaft jedoch durch den Einsatz von zwei zusätzlichen Lagen aus einem neuartigen Polymer aus. Diese schützen den keramischen Elektrolyten der Batterie und verhindern somit, dass sich das Metall auf zerstörerische Weise ablagert. In Labortests waren über Hunderte von Ladezyklen möglich, ohne dass die Zellen deutlich an Kapazität verloren.

BEDEUTENDE ZUKUNFT ERWARTET

Feststoffbatterien gelten übrigens als eine bedeutende Entwicklung für die Zukunft. Ihr besonderer Vorteil: Festkörperakkus enthalten keine Flüssigkeiten, die auslaufen oder in Brand geraten können. Aus dem Grund sind sie deutlich sicherer, zuverlässiger und langlebiger als aktuelle Lithium-Ionen-Batterien mit flüssigem Elektrolyt. Gleichzeitig besitzen Festkörperbatterien das Potenzial, mehr Energie auf demselben Raum bei geringerem Gewicht zu speichern. Entsprechend wird erwartet, dass diese Technologie verschiedenen Bereichen zum Durchbruch verhelfen könnte. Mögliche Einsatzszenarien sind die Elektromobilität, aber auch Nischenanwendungen in der Medizin- sowie Raumfahrttechnik sind denkbar.

„Ziel war es, unser Konzept für eine Festkörperbatterie so zu erweitern, dass der stabile Betrieb mit einer Lithium-Anode möglich wird, und das haben wir geschafft“, freut sich Dr. Hermann Tempel vom Jülicher Institut für Energie- und Klimaforschung (IEK-9) über die aktuellen Ergebnisse. Lithium als Anode gilt als Material der Wahl, wenn es darum geht, möglichst hohe Energiedichten zu erzielen. Denn das leichteste Metall ist gleichzeitig auch das elektronegativste aller chemischen Elemente.

Die neue Festkörperbatterie kommt bezogen auf beide Elektroden auf eine Energiedichte von 460 Wh/kg. Im Vergleich mit aktuellen Lithium-Ionen-Batterien ist das ein sehr guter Wert. Hinzu kommen weitere Vorteile, die die Bauweise mit sich bringt. So sind Festkörperbatterien deutlich weniger temperaturempfindlich als herkömmliche Lithium-Ionen-Batterien mit Flüssigelektrolyt. Daher benötigen sie keine Vorrichtungen für das Temperaturmanagement, wie sie bislang in Elektroautos verbaut werden, was zusätzlich Gewicht einsparen dürfte.

POLYMERFOLIE ALS SCHUTZSCHICHT

Aufbau einer Festkörperbatterie mit Hybridelektrolyt ©S. Yu et al., J. Mater. Chem. A, 2019, Advance Article, DOI: 10.1039/C8TA11259B with slight modification (CC BY 3.0)

Möglich wurde die Verwendung einer Anode aus reinem Lithium durch den Einbau einer Polymerfolie zwischen Anode und Elektrolyt. Reines Lithium neigt dazu, beim Laden unkontrollierte Auswüchse auszubilden. Diese sogenannten Dendriten können die Zelle kurzschließen oder sie mechanisch zerstören. In der Anode heutiger Lithium-Ionen-Akkus werden Lithium-Atome daher in einem Speichermedium, meist Graphit, eingelagert. Das Gewicht der Elektrode und der gesamten Batterie erhöht sich dadurch um ein Vielfaches.

„Das Polymer funktioniert wie eine Schutzschicht, die die Verwendung einer Lithium-Anode überhaupt erst möglich macht“, erklärt Tempel. „Sie verhindert, dass der keramische Elektrolyt in direkten Kontakt mit dem metallischen Lithium an der Anode kommt. So werden schädliche Prozesse wie die Dendritenbildung und chemische Veränderungen des keramischen Elektrolyten unterbunden, die die Funktion der Batterie beeinträchtigen.“ Erste Tests im Labor verliefen bereits sehr erfolgreich. Über 500 Lade- und Entladezyklen hinweg ließen sich kaum Performanceeinbußen feststellen.

„Das Besondere an der Zelle ist, dass sie trotz der moderat leitenden Polymere funktioniert; in mancher Hinsicht sogar besser als ohne“, konstatiert Professor Hans-Dieter Wiemhöfer vom Helmholtz-Institut Münster (HI MS), der das spezielle Polymer, das zu der Klasse der Polyphosphazene zählt, entwickelt hat. Wiemhöfer koordiniert das BMBF-Verbundprojekt MEET-HiEnD II, aus dem die neue Batterie hervorgegangen ist.

Die Polymerschicht wird bei der Herstellung flüssig aufgetragen. Sie dringt dabei tief in den porösen keramischen Elektrolyten ein. Das verbessert den Kontakt zwischen dem festen Elektrolyt und der festen Elektrode – bei Festkörperakkus ein häufiges Problem. Mit diesem Verfahren wird kein stabiles und entsprechend schweres Gehäuse benötigt, das die verschiedenen Komponenten mechanisch zusammenpresst und dadurch für eine gute Verbindung sorgt. Das spart ebenfalls Gewicht und trägt dazu bei, die Energiedichte zu erhöhen.

DOPPELTE ENERGIEDICHTE ABER LÄNGERE LADEZEIT

Als zusätzliche Barriere zwischen den einzelnen Komponenten wirken sich die Polymerschichten jedoch auch nachteilig auf die Performance der Batterie aus, insbesondere auf den Stromfluss. Im letzten Jahr hatten Jülicher Wissenschaftler eine gut funktionierende, schnellladefähige Festkörperbatterie vorgestellt, die innerhalb einer halben Stunde ge- und entladen werden kann. Mittels Lithium-Anode und Hybridelektrolyt ist es ihnen nun zwar gelungen, die theoretische Energiedichte zu verdoppeln. Die Ladezeit verlängerte sich dadurch jedoch auf zwei Stunden. Für Festkörperbatterien ist das immer noch ein guter Wert.

Auch andere Aspekte zeigen: Die Batterie ist noch in einem frühen Entwicklungsstadium und nur begrenzt reif für die Praxis. So muss die Zelle im Betrieb momentan auf einer Mindesttemperatur von 50 Grad Celsius gehalten werden, damit der hybride Elektrolyt für Ladungsträger durchlässig bleibt. „Für niedrigpreisige Anwendungen ist das Herstellungsverfahren bis jetzt auch noch zu aufwendig. Die funktionierende Zelle zeigt aber, dass es der Hybridelektrolyt ermöglicht, typische Probleme an den Grenzflächen von Festkörperbatterien zu umgehen“, erklärt Professor Rüdiger-A. Eichel, Institutsleiter am Forschungszentrum Jülich (IEK-9). Für Nischenanwendungen, bei denen Kosten eine nicht so große Rolle spielen, ist die inhärent sichere Batterie mit der hohen Energiedichte möglicherweise jetzt schon interessant. „Aber auch für kostenkritische Anwendungen wie die Elektromobilität birgt der Ansatz großes Potenzial.“

Die Arbeit entstand im BMBF-Verbundprojekt MEET-HiEnD II, in dem die Westfälische Wilhelms-Universität Münster, das Forschungszentrum Jülich und die RWTH Aachen zusammenarbeiten. Die Originalpublikation wurde in der Ausgabe 8/2019 im Journal of Materials Chemistry Averöffentlicht.

Bild oben: Die Komponenten der Lithium-Festkörperbatterie mit Hybridelektrolyt noch im Laborstadium ©Forschungszentrum Jülich / T.Schlößer

Dieser Artikel erschien am 27.2.2019 in der Innovation Origins.

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CO2-AUFNAHME BEI JUNGEN WÄLDERN UM 25 PROZENT ERHÖHT

Ein internationales Forscherteam, darunter Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT), stellt unsere bisherigen Annahmen zur CO2-Aufnahme von Wäldern auf den Kopf: Nicht die Photosynthese allein ist für die Kohlenstoffsenken verantwortlich, sondern auch das Alter des Waldes.

Kohlenstoffsenken sind Ökosysteme, die große Mengen an Kohlenstoff binden und so die CO2-Ansammlung in der Atmosphäre – und damit den Klimawandel – verlangsamen.  So gilt der Wald diesbezüglich als ein bedeutender Filter für unsere Erde. Er reinigt die Luft von Staubpartikeln. Er produziert Sauerstoff. Er ist sozusagen unsere grüne Lunge.

KOHLENSTOFFSENKEN BEGRENZT

Bisher ging man davon aus, dass der hauptsächliche Prozess für die CO2-Aufnahme ein Verstärken der Photosynthese ist. Dieser begründet sich wiederum durch den Anstieg von Kohlendioxid in der Atmosphäre. Demnach sind die Senken dynamisch. Ihre Kapazität kann regional wachsen, aber auch schrumpfen. Dichte tropische Wälder in der Nähe des Äquators beispielsweise nehmen große Mengen COauf. Deshalb sprach man bis dato insbesondere dem Regenwald die elementare Aufgabe der Kohlenstoffdioxid-Reduktion zu.

Doch die Umweltforschenden fanden nun heraus, dass sich die weltweit größten Kohlenstoffsenken in jungen, nachwachsenden Wäldern befinden. Und zwar in Wäldern, die jünger als 140 Jahre sind.

„Diese Senken, die vom Waldwachstum abhängen, sind grundsätzlich begrenzt. Erreichen die Wälder ein bestimmtes Alter, sinkt ihre CO2-Aufnahme und die so wichtigen Kohlenstoffsenken verschwinden – außer es kommt zu einer weiteren Aufforstung“, so Professorin Almut Arneth vom Institut für Meteorologie und Klimaforschung – Atmosphärische Umweltforschung (IMK-IFU), Campus Alpin des KIT. „Die Ergebnisse der Studie sind ein wichtiger Beitrag zum Verständnis des Klimasystems und helfen uns gleichzeitig, fundierte Entscheidungen über die Forstwirtschaft zu treffen.“ Denn sie zeigen, wie viel CO2 nachwachsende Wälder in Zukunft binden könnten. „Allerdings ist die Menge an Kohlendioxid, die Wälder generell aus der Atmosphäre entfernen können, begrenzt. Deshalb müssen wir unsere Emissionen durch fossile Brennstoffe unbedingt reduzieren“, betont die Professorin.

ERGEBNIS BASIERT AUF VERGLEICH VON DATENSÄTZEN

Für seine bahnbrechenden Erkenntnisse analysierte ein internationales Forschungsteam, darunter Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT), eine Kombination aus Daten- und Computermodellen von globalen Wäldern neu. Mit dem Blick auf die Datensätze zum Alter der Wälder konnten die Experten nachvollziehen, wie viel CO2 etablierte Waldflächen, mit einem Alter von mindestens 140 Jahren, zwischen den Jahren 2001 bis 2010 aufnahmen. Der Vergleich mit jüngeren Wäldern ‒ die zum Beispiel auf vorherigen landwirtschaftlich genutzten oder abgeholzten Flächen nachwachsen ‒ zeigte: der Alterseffekt macht rund 25 Prozent der CO2-Aufnahme von Wäldern aus. Denn die Gebiete nehmen nicht nur aufgrund der erhöhten Photosynthese große Mengen CO2 aus der Atmosphäre auf, sondern vor allem aufgrund ihres jungen Bestehens. Dies trifft insbesondere auf die Wälder mittlerer und hoher Breiten zu. Dazu gehören beispielsweise Landflächen in den östlichen Bundesstaaten der USA, die Siedler bis Ende des 19. Jahrhunderts als Ackerland nutzten, oder Wälder in Kanada, Russland und Europa, die beispielsweise durch Waldbrände zerstört wurden. Aber auch große Aufforstungsprogramme in China leisten einen wichtigen Beitrag zu dieser Kohlenstoffsenke.

Finanziert wurde diese interessante Forschung von der Europäischen Kommission. Die Ergebnisse sind aktuell in den Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America (PNAS) nachzulesen.

Dieser Artikel erschien am 26.2.2019 in der Innovation Origins.

FORSCHUNGSPROJEKT: MARKTREIFE FÜR LASERBASIERTE OBERFLÄCHENBEARBEITUNG

Unter dem Namen LAMPAS (High throughput Laser structuring with Multiscale Periodic feature sizes for Advanced Surface Functionalities) forscht derzeit ein internationales Expertenteam der TU Dresden an laserbasierter Oberflächenbearbeitung. Das Ziel: Das vielversprechende, neue Verfahren soll zur Marktreife gebracht werden. Zudem wollen die Wissenschaftler der Fakultät Maschinenwesen einen Weltrekord in der Fertigungsgeschwindigkeit aufstellen. „Wir sind sicher, dass die Ergebnisse wegweisend für verschiedene Industrien sein werden und freuen uns daher sehr, dass wir europaweit die führenden Partner für das Forschungsvorhaben gewinnen konnten“, so Professor Andrés Fabian Lasagni, Koordinator des Forschungsprojektes und Inhaber der Professur für Laserbasierte Methoden der großflächigen Oberflächenstrukturierung. Mögliche Anwendungsbereiche sehen die Forschenden in der Medizintechnik, Automobilindustrie sowie Energieforschung.

VORBILD LOTOSEFFEKT

Lotoseffekt des Schmetterlingsflügels als Vorbild für die Forschungsarbeiten ©Pixabay

Inspiriert wurden die Wissenschaftler von der Natur. Der selbstreinigende Lotoseffekt, den man auch vom Schmetterlingsflügel her kennt, basiert auf einer mikro- beziehungsweise nanostrukturierten Oberfläche. Entsprechend möchten die Laserexperten durch großflächige, filigrane Gravuren per Laser die Funktionalisierung von unterschiedlichen Oberflächen erreichen und somit eine echte Alternative zu bisherigen Verbundwerkstoffen oder zur Beschichtung von Oberflächen schaffen. Industrielle Anwendungsfelder könnten beispielsweise die Erstellung von antibakteriellen oder leichtreinigenden Oberflächen oder auch eine Anti-Fingerprint-Beschichtung sein.

Das Forscherteam plant, in den nächsten drei Jahren ein laserinterferenzbasiertes Verfahren zu entwickeln, das kostengünstig großflächige Mikro- und Nanostrukturen auf verschiedene Oberflächen bringen kann. Die Herausforderung des Projekts besteht in der Größe der Mikrostrukturen. Sie sind kleiner als ein menschliches Haar. Damit das Verfahren auch für den breiten Markt nutzbar ist, gilt es gleichzeitig die Fertigungsgeschwindigkeit solcher Strukturen zu erhöhen. Dafür wird im Rahmen des Projektes eine neue Laserstrahlquelle entwickelt, die eine Ausgangsleistung von 1.5 Kilowatt besitzt und ultrakurze Laserpulse erzeugt.

EU FORSCHUNGSPROJEKT „HORIZON2020“

Das Forscherteam um den Laseringenieur Lasagni zählte beim EU-Forschungswettbewerb „Horizon2020“ in der Kategorie Informations- und Kommunikationstechnologien (ICT-04-2018, Förderkennzeichen 825132) zu den besten Teilnehmern. Deshalb wird das Projekt im Rahmen des Horizon 2020-Programms mit mehr als 5,1 Mio. Euro von der Europäischen Union (EU) gefördert. In den nächsten drei Jahren forschen die Wissenschaftler der TU Dresden zusammen mit internationalen Partnern aus Industrie und Forschung, u.a. Bosch, Trumpf, Bosch-Siemens-Hausgeräte (BSH), Next Scan Technology, Near Infrared Technologies (NIT), Lasea und European Photonics Industry Consortium (EPIC) an dem Projekt.

Bild oben: Die Mikrostrukturen – hier ein Beispiel einer mit einem Laser bearbeiteten Metalloberfläche für selbstreinigende Oberflächen –  sind eine große Herausforderung. Der Abstand der einzelnen Strukturelemente (Abstand „Berg“ zu „Berg“) beträgt 10 Mikrometer. Zum Vergleich: Ein menschliches Haar hat einen Durchmesser von 50-80 Mikrometern ©TU Dresden

Dieser Artikel erschien am 25.2.2019 in der Innovation Origins.

FLÜSSIGES ERDGAS ALS ANTRIEB IM TRANSPORTVERKEHR

Diese Woche verkündete die EU-Kommission demnächst neue CO2-Vorgaben für den Transportverkehr einführen zu wollen. So soll zukünftig der durchschnittliche Kohlendioxid-Ausstoß neuer Fahrzeuge von 2030 an um 30 Prozent niedriger liegen, als derzeitig der Fall. Bis 2025 sollte der Wert um 15 Prozent sinken. Zudem möchte Brüssel Anreize für den Einsatz emissionsfreier oder zumindest emissionsarmer Fahrzeuge schaffen. Um das umsetzen zu können, hieße es für alle Beteiligten einiges in die Wege zu leiten. Welche Rolle zur Reduktion von Treibhausgas-Emissionen der alternative Kraftstoff LNG im Straßengüterverkehr und in der maritimen Schifffahrt spielen könnte, untersucht eine Studie des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) sowie der TU Hamburg (TU HH), die in dieser Woche veröffentlicht wurde. Sie könnte Anhaltspunkte für die Umsetzung der angepeilten Pläne bieten. Denn die Wissenschaftler erforschten das Potenzial von flüssigem Erdgas bzw. LNG (Liquefied Natural Gas) als zukünftigen Antrieb für Lkw‘s und Schiffe. Demnach können im Jahr 2040 im europäischen Straßengüterfernverkehr bis zu 4,7 Millionen Tonnen und im weltweiten Schiffsverkehr etwa 132 Millionen Tonnen Treibhausgas-Emissionen per Jahr eingespart werden. Zwar ist auch der Einsatz von Erdgas nicht unumstritten, doch ist der Blick in die Studie durchaus interessant.

PRO-LNG-SZENARIO

Die Forscher entwickelten für ihre Studie ein Pro-LNG-Szenario. Dieses zeigt auf, wie sich der Kraftstoff LNG bei Seeschiffen (weltweit) und schweren Lkw (innerhalb Europa) bis zum Jahr 2040 im Gütertransportmarkt etablieren könnte. Die berechneten Einsparungen von Treibhausgas-Emissionen beziehen sich dabei auf die gesamte Produktionskette (Well-to-Wheel oder WtW). So berechneten die DLR-Wissenschaftler vom Institut für Verkehrsforschung, dass bis 2040 etwa 17 Prozent der schweren Lkw im europäischen Fernverkehr mit LNG angetrieben werden könnten. Die Forscher nahmen unter anderem an, dass der spezifische Kraftstoffbedarf eines neuen LNG-Lkw im Jahr 2040 infolge von Technologieentwicklungen noch um mehr als 30 Prozent effizienter werden könnte. Um die Emissionen weiter zu senken, könnte zudem das Erdgas Biomethan oder Methan, das aus erneuerbaren Energien gewonnen wird, beigemischt werden. Somit würden, wenn dem fossilen LNG zudem 30 Prozent erneuerbares LNG aus Biomasse oder Reststoffen beigemischt wird, im Szenariojahr 2040 insgesamt etwa 10 Millionen Tonnen Emissionen jährlich eingespart werden. „Neben den Anstrengungen zur Optimierung der Dieseltechnik müssen wir künftig auch einen Fokus auf die Nutzung von alternativen Antrieben und Kraftstoffen sowie erneuerbaren Energien legen. Nur so kann der Straßengüterverkehr dazu beitragen, Treibhausgas-Emissionen einzusparen“, so DLR-Projektleiter Andreas Lischke.

TECHNOLOGIEENTWICKLUNG ABGESCHLOSSEN

Lischke ergänzt: „Die Vorteile von LNG sind, dass die erforderliche Technologieentwicklung bereits abgeschlossen ist, heute schon Serien-Lkw angeboten werden und die notwendige LNG-Infrastruktur aufgebaut werden kann.“ Im Gegensatz zu Technologien wie Brennstoffzellen oder Elektromobilität könnten demnach Erfolge mit dem Einsatz von LNG im Straßengüterfernverkehr schneller und kostengünstiger erzielt werden. Einen weiteren Vorteil, so heißt es in einer Pressemitteilung, böten die leiseren Motoren. So ist es beispielsweise in den Niederlanden schon erlaubt, dass Lkw mit LNG-Antrieb auch nachts in bewohnten Gebieten Lieferfahrten durchführen dürfen.

INFRASTRUKTUR MUSS AUFGEBAUT WERDEN

„Obwohl bereits drei europäische Fahrzeughersteller LNG-Lkw anbieten und obwohl der Tankstellen-Bestand in einigen EU-Mitgliedsländern wächst, bedarf es weiterer Anstrengungen seitens Industrie und Politik, um die Verfügbarkeit von LNG so zu gestalten, dass es eine attraktive, flächendeckende Alternative für die Nutzer wird“, erläutert Lischke den aktuellen Stand. Derzeitige Spitzenreiter sind Spanien mit 37 LNG-Tankstellen, Italien mit 31 und Frankreich mit 27. In Deutschland bieten lediglich drei öffentliche Tankstellen flüssiges Erdgas an. Die EU-Rahmenrichtlinie gibt den Aufbau der Kraftstoffinfrastruktur für alternative Kraftstoffe bis 2025 vor. Zwei Initiativen haben den Aufbau von LNG-Tankstellen in Deutschland angekündigt.

LNG ALS KRAFTSTOFF FÜR SCHIFFE

Für die Schifffahrt zeigen die Ergebnisse der Studie den Einsatz von LNG-Motoren als eine zeitnahe Alternative zum Diesel-Motor auf. Das International Transport Forum (ITF)  ermittelte, dass die Schifffahrt im Jahre 2015 etwa 71 Prozent der globalen Güterverkehrsleistung erbrachte. Diese Transportleistung soll sich bis zum Jahr 2050 noch verdreifachen. Aufgrund ständig steigender Auflagen für die Luftschadstoffemissionen rücken deshalb alternative Kraftstoffe für Schiffe zunehmend in den Fokus.

Derzeit müssen die Abgase von Diesel-Motoren bei Schiffen nur in wenigen Meeresgebieten Schadstoffgrenzwerte erfüllen. So unterliegen auch deren Treibhausgas-Emissionen keiner Regulierung. Doch es wird an Veränderungen durch weitere Regulierungen gearbeitet. LNG als Schiffskraftstoff setzt bei der Verbrennung deutlich weniger Luftschadstoffe wie Stickstoffoxide und kaum Feinstaub-Partikel, aber auch weniger Treibhausgas-Emissionen frei. LNG kann sich im Schiffsverkehr unter entsprechenden Rahmenbedingungen vor allem bei Containerschiffen, Kreuzfahrtschiffen und Fähren sowie bei Tankern durchsetzen. Bis Ende des Jahres 2018 verkehrten weltweit 125 mit LNG angetriebene Seeschiffe sowie 230 große LNG-Transportschiffe. Bis Mitte der 2020er Jahre erwarten die Forscher einen LNG-Schiffsbestand von etwa 400 Schiffen. Im Szenariojahr 2040 halten sie etwa 6000 Schiffe für möglich.

HINTERGRUND

Über ein Viertel der Treibhausgas-Emissionen der EU im Verkehr werden durch schwere Lkw verursacht. Diese Bilanz konnte in den vergangenen Jahren kaum gesenkt werden. Die Schifffahrt verursacht aktuell etwa drei Prozent der weltweiten Treibhausgas-Emissionen. Auch sie muss umweltverträglicher werden, wenn die Klimaziele erreicht werden sollen. Dieselmotoren sind immer noch der Standardantrieb für Schiffe und Lkw. Als potenziell umweltfreundlichere Kraftstoffalternative gilt verflüssigtes Erdgas. In Zukunft könnte durch LNG im Schiffsverkehr sowie Straßengüterfernverkehr gesamt jährlich bis zu 136,7 Millionen Tonnen direkter Treibhausgas-Emissionen eingespart werden. Dies zeigen die Ergebnisse einer Studie zum Einsatz von LNG im Fernverkehr bei Lkw und Schiffen. Die Studie wurde im Auftrag von Shell in Zusammenarbeit mit dem DLR sowie der TU HH durchgeführt und gerade veröffentlicht. Die vollständige Studie ist hiernachzulesen.

Bild oben: Über ein Viertel der Treibhausgas-Emissionen der EU im Verkehr werden durch schwere Lkw verursacht © Pixabay

Dieser Artikel erschien am 24.2.2019 in der Innovation Origins.

FORSCHUNG: 3D-TECHNOLOGIEN ZUM DRUCK VON NANO- BIS MAKROSTRUKTUREN

m Exzellenzcluster „3D Matter Made to Order” (3DMM2O) wollen Forschende des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) und der Universität Heidelberg der additiven Fertigung völlig neue Impulse geben: Ziel ist die Entwicklung von 3D-Technologien, die einen flexiblen, digitalen Druck ermöglichen. Zudem sollen mit neuartigen Tischgeräten das Erstellen von Strukturen von der molekularen bis hin zur makroskopischen Ebene umgesetzt werden. Denn mit additiven Verfahren ist inzwischen fast jede beliebige Struktur umsetzbar. Diese könnten zum Beispiel im Nanobereich ‒ je nach verwendeter „Tinte“ ‒, unterschiedlichste Funktionen erfüllen. Beispiele wären hier hybride, optische Chips oder auch Biogerüste für Zellgewebe.

„Der 3D-Druck bietet gerade im Mikro- und Nanobereich enorme Möglichkeiten. Die Herausforderungen, um diese zu erschließen, sind jedoch ebenso gewaltig“, so Martin Wegener, Professor am Institut für Angewandte Physik und Direktor am Institut für Nanotechnologie des KIT sowie Sprecher des Exzellenzclusters 3DMM2O. Gefragt sind vor allem Technologien und Verfahren, die auf der Basis digitaler Konstruktionsdaten bereits kleinste Strukturen schnell und qualitativ hochwertig umsetzen können. „Hier setzen wir mit unserem Cluster an. Wir wollen die 3D-Fertigung und Materialverarbeitung vom Molekül bis zur Makrostruktur vollständig digitalisieren und neue Fertigungstechnologien für konkrete Anwendungsfelder entwickeln.“

„Ohne neuartige Tinten und Photolacke aus der Chemie heraus wird dies nicht gehen. Anwendungen in der Biologie erfordern beispielsweise Materialien, die gleichsam auf Knopfdruck wieder abbaubar sind unter physiologischen Bedingungen, wie auch elektrisch leitfähige Materialien, die in 3D mit Nanometerpräzision verdruckbar sind“, ergänzt Uwe Bunz, Professor für Organische Chemie an der Universität Heidelberg, Mitglied des dortigen Centre for Advanced Materials CAM und ebenfalls Sprecher von 3DMM2O.

ZUSAMMENARBEIT VON DREI FORSCHUNGSBEREICHEN

Die additiven Prozesse und Technologien, die Anwendungen in den Bereichen Material- und Lebenswissenschaften ermöglichen, sollen zukünftig feiner, schneller und vielfältiger sein. Um dies zu erreichen setzen die Forschenden aus Natur- und Ingenieurwissenschaften in drei ineinandergreifenden Forschungsfeldern an. So entstehen im Feld „Technologien“ neuartige Werkzeuge. Diese sollen Strukturen bis zu zehn Nanometer fertigen. Auch wird mit ihnen ein schnellerer, präziserer Druck mit unterschiedlichen Tinten und Photolacken angepeilt. Diese wiederum werden von den Wissenschaftlern aus dem Bereich „Molekulare Materialien” entwickelt. Die so maßgeschneiderten, künstlichen Materialien sollen ein breites Spektrum an Eigenschaften aufweisen und sich kombinieren lassen. Das Forschungsfeld „Applikationen“ bringt die Forschung schließlich in die Anwendung. Hier liegt der Fokus auf den Bereichen Optik und Photonik, Material- sowie Lebenswissenschaften. So können beispielsweise die gedruckten 3D-Strukturen die Leistung optischer Chips für die Informationsverarbeitung verbessern oder in künstlichen Retinae zum Einsatz kommen.

„Unser Ansatz besteht darin, digitale Informationen in maßgeschneiderte, funktionale Materialien, Geräte und Systeme zu übersetzen“, so Wegener. Langfristiges Ziel von 3DMM2O ist es, eine Art Tischgerät zu bauen, das keine besonderen räumlichen Voraussetzungen, wie etwa eine große Produktionshalle, Vakuum oder bestimmte Temperaturen, erfordert. „Wir wollen bisher unzugängliche wissenschaftliche Anwendungen quasi für zu Hause erschließen und den 3D-Druck auf Knopfdruck ermöglichen“, erklärt Wegener.

HINTERGRUND

3DMM2O konnte sich 2018 in der Förderlinie „Exzellenzcluster“ der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) durchsetzen. Insgesamt stehen für diese Förderlinie jährlich rund 385 Millionen Euro zur Verfügung. Die Carl-Zeiss-Stiftung fördert das Cluster zusätzlich über sechs Jahre hinweg mit acht Millionen Euro. Diese Mittel fließen in ein Doktoranden-Stipendienprogramm, eine neue Professur am CAM, ein neues Nutzerlabor am KIT und in eine begleitende „Vision Assessment“-Studie, welche die gesellschaftlichen und ethischen Implikationen der Visionen von 3DMM2O erforschen soll.

HEIKA GRADUIERTENSCHULE „FUNCTIONAL MATERIALS“

Ein zentrales Strukturelement des Clusters ist die HEiKA (Heidelberg Karlsruhe Strategic Partnership) Graduiertenschule mit dem Forschungsbereich „Functional Materials“. Diese umfasst alle gemeinsamen bilateralen Aktivitäten des KIT und der Universität Heidelberg. Die Graduiertenschule bindet Masterstudierende, Doktorandinnen und Doktoranden in das stark interdisziplinäre Forschungsgebiet ein. Hierbei spielt ein breites Modulprogramm eine wichtige Rolle. Die Carl-Zeiss-Stiftung fördert jährlich bis zu vier Masterstudierende, die eine Promotion im Forschungsumfeld von 3DMM2O anstreben. Zusätzlich unterstützt die Stiftung bis zu 20 Doktorandinnen und Doktoranden bei ihrer Dissertation in den Themenbereichen des Clusters.

MATERIALMIX UND BEWEGLICHE MIKROSTRUKTUREN

Die Forschenden des KIT und der Carl Zeiss AG entwickelten gemeinsam ein System, mit dem sie mehrfarbig fluoreszierende Sicherheitsmerkmale dreidimensional additiv herstellen können. Damit lassen sich beispielsweise Geldscheine, Pässe und Markenprodukte vor Fälschung schützen. Grundlage ist die 3D-Laserlithografie, bei der ein Laserstrahl computergesteuert einen flüssigen Fotolack durchfährt und das Material nur am Fokuspunkt des Laserstrahls aushärtet. Die Wissenschaftler bauten dafür eine selbst entwickelte, mikrofluidische Kammer in das Lithografiegerät. Mit dieser können sie nun verschiedenste Materialien verdrucken. So setzt ein einziges Gerät dreidimensionale Mikro- und Nanostrukturen aus mehreren Materialien in einem Prozessschritt um.

Das direkte Laserschreiben ermöglicht bereits jetzt routinemäßig präzise Strukturen auf der Mikroskala. Für Anwendungen in der Biomedizin wäre es jedoch vorteilhaft, wenn die gedruckten Objekte nicht starr sind, sondern bewegliche Systeme wären, die nach dem 3D-Druck schaltbar sind. Forschende des KIT konnten nun dreidimensionale Strukturen aus Hydrogelen erstellen, die durch den Einfluss von Temperatur oder Licht ihre Form stark verändern. Diese sind in wässriger Umgebung funktionsfähig und damit ideal für Anwendungen in Biologie und Biomedizin.

Bild oben: Der 3D-Druck ermöglicht viele große und sehr kleine Anwendungen: Mit spezieller Tinte können etwa Biogerüste für Zellgewebe entstehen ©Martin Bastmeyer, KIT

Dieser Artikel erschien am 22.2.2019 in der Innovation Origins.

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BLUTTEST ZUR DIAGNOSE VON BRUSTKREBS

Brustkrebs gehört in Deutschland zu den häufigsten Krebserkrankungen bei Frauen. Ungefähr 70.000 sind im Jahr 2018 neu erkrankt. Das sind etwa 30 Prozent der Krebsneuerkrankungen insgesamt. Doch bei einer frühzeitigen Erkennung besteht mit 95 Prozent eine sehr hohe Heilungschance. Zur Früherkennung wurden bis jetzt das Mammographie-Screening, MRT, die Tast- und Selbstuntersuchung der Brust sowie Ultraschall eingesetzt. Forscher des Universitäts-Frauenklinikums Heidelberg stellten heute ein neues Verfahren in der Brustkrebsdiagnostik vor: Mit Hilfe eines Bluttests soll diese deutlich verbessert werden.

„Der von unserem Forscherteam entwickelte Bluttest ist eine neue, revolutionäre Möglichkeit, eine Krebserkrankung in der Brust nicht-invasiv und schnell anhand von Biomarkern im Blut zu erkennen“, so Prof. Dr. Christof Sohn, Geschäftsführender Ärztlicher Direktor der Heidelberger Uni-Klinik.

Prof. Dr. Sarah Schott, Sektionsleiterin Translationale Frauenheilkunde und Leiterin für Familiäre Krebserkrankungen der Klinik, verantwortete das Projekt gemeinsam mit Prof. Dr. Sohn. Sie ergänzt: „Das neue blutbasierte Verfahren ist deutlich weniger belastend für Frauen, weil es weder schmerzhaft ist noch mit einer Strahlenbelastung einhergeht.“

LIQUID BIOPSY

Denn auf Basis der sogenannten „Liquid Biopsy“ ist es nun möglich, die Erkrankung anhand von Biomarkern zu diagnostizieren. So können Informationen über eine Erkrankung aus Körperflüssigkeiten wie beispielsweise Blut, Urin oder Speichel gewonnen werden. Hierfür werden Botenstoffe von Tumorzellen in der Flüssigkeitsprobe untersucht. Für den aktuellen Test sind nur wenige Milliliter Blut notwendig. In diesem können von an Brustkrebs erkrankten Frauen 15 verschiedene Biomarker (miRNA und Methylierungsmarker) identifiziert werden. Mit deren Hilfe sind wiederum auch kleine Tumore nachweisbar. Die Durchführung des Tests ist in jedem Labor möglich. Er erweitert das Diagnosespektrum der bislang durchgeführten, optischen Verfahren.

Durchführbar ist der Test bei Frauen aller Altersgruppen. Doch besonders profitieren jüngere Frauen unter 50 Jahren davon. Aber auch für Frauen mit familiärer Hochrisikosituation für eine Brustkrebserkrankung, bei denen eine Mammografie beispielsweise aufgrund des dichten Brustdrüsengewebes wenig Aussage liefert oder aufgrund anderer Risikofaktoren herkömmliche bildgebende Verfahren kontraindiziert sind, ist er eine gute Alternative. Hier konnte eine Sensitivität von 80 bis 90 Prozent erreicht werden. Die Sensitivität gibt an, zu welchem Prozentsatz erkrankte Patientinnen durch den Test tatsächlich erkannt werden.

DIAGNOSE VON WEITEREN KREBSARTEN WIRD ERFORSCHT

Das Universitätsklinikum Heidelberg gilt als eines der bedeutendsten medizinischen Zentren in Deutschland. Insbesondere ist es auch für seine Krebsforschung und -therapie bekannt. Schon seit Jahren wird am Klinikum im Bereich Liquid Biopsy geforscht. Im Jahr 2016 meldeten die Wissenschaftler das dem Test zugrunde liegende Verfahren als Patent an. So wurden erste Fördermittel gewonnen. Seitdem arbeiteten die Forscher daran das Verfahren zu verfestigen und weiterzuentwickeln sowie die Genauigkeit in diversen Untersuchungen zu bestätigen.

Untersucht wurde in den letzten 12 Monaten eine Kohorte von über 900 Frauen mit über 500 Brustkrebspatientinnen und 400 gesunden Frauen. Die Studie ist auf eine Teilnehmerzahl von 2.000 ausgelegt und wird als Multizenterstudie fortgeführt. Aktuelle Ergebnisse zeigen bei den 500 Brustkrebspatientinnen insgesamt eine Sensitivität von 75 Prozent. Wobei hier altersabhängige Unterschiede festgestellt wurden: bei den unter 50‑jährigen zeigte sich eine Sensitivität von 86 Prozent bzw. bei den über 50-jährigen von 60 Prozent.

Ziel der fortlaufenden Studie ist es, die Aussagekraft, Sensitivität und Einsatzmöglichkeit durch zukünftige Analysen weiter zu spezifizieren und zu verbessern. Auch wird der Einsatz bei weiteren Krebsarten, so z. B. Eierstockkrebs, erforscht. Die derzeitigen Zwischenergebnisse erreichen eine Sensitivität von bis zu 80 Prozent bei den rund 200 untersuchten Patientinnen.

PERSONALISIERTE CHEMOTHERAPIE MÖGLICH

Neben der Erkennung einer Krebserkrankung kann der Bluttest zur Analyse weiterer Daten dienen. So soll zukünftig anhand von Biomarkern auch eine Metastasenbildung oder ein Rezidiv frühzeitiger erkannt werden. Auch soll der Test bei der Langzeitüberwachung eingesetzt werden. Daneben dienen die gewonnenen Informationen auch der Therapie: Die Biomarker können Auskunft darüber geben, ob eine Behandlung anspricht oder eine Therapieresistenz eintritt. Die ersten Erkenntnisse deuten darauf hin, dass das individuelle Ansprechen auf eine Chemotherapie über Liquid Biopsy überwacht werden kann und so eine langfristig personalisiertere Chemotherapiebehandlung möglich wird.

Um die notwendigen Zertifizierungen voranzutreiben und die Marktreife sicherzustellen, gründeten die Wissenschaftler nun eine Gesellschaft mit dem Namen HeiScreen GmbH. Die Gesellschaft soll die Markteinführung des Verfahrens voranbringen und Vertriebskanäle entwickeln. Die CE-Zertifizierung hat bereits begonnen, um den Bluttest noch in diesem Jahr in die klinische Anwendung zu bringen.

Bild oben: Prof. Dr. Sarah Schott und Prof. Dr. Christof Sohn von der Universitäts-Frauenklinik ©Universitätsklinikum Heidelberg

Dieser Artikel erschien am 21.2.2019 in der Innovation Origins.