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Bienvenidos a Tenerife

Im Herbst lockt die größte der sieben Kanareninseln mit mildem Klima plus Sonnenschein. Ob klettern, wandern oder biken, das Urlauber-Paradies Teneriffa bietet abseits des Massentourismus nahezu einsame Naturerlebnisse. Gewusst wo!

Der 2718 m hohe Guajara ist eine Wanderalternative zum vielbesuchten Teide
Wanderung zum Guajara – Der Rückweg führt über eine lose Schotterpiste.

„Den 3.718 Meter hohen Pico del Teide, den höchsten Berg Spaniens, muss man gesehen haben!“, sind wir überzeugt, als wir unsere Reise nach Teneriffa planen. Doch wer sagt denn, dass man ihn auch gleich begehen muss? Dank Carlos – einem waschechten Tinerfeño – und Juliane – einer deutschen Wahltinerfeña – wählen wir eine einsamere Bergwanderalternative: den 2.718 Meter hohen Montaña de Guajara.

Der nach einer unglücklich verliebten Guanchenprinzessin benannte, dritthöchste Berg Teneriffas bildet gleichzeitig den höchsten Berg der Caldera, des Kraterkessels. Dementsprechend bietet das Hochplateau des Guajara bei klarer Wetterlage eine beeindruckende Rundumsicht auf den Pico Teide und Pico Viejo, die vier Kanareninseln El Hierro, La Gomera, La Palma und Gran Canaria sowie auf Las Cañadas, den ältesten Vulkankrater der Insel mit rekordverdächtigen 17 Kilometern Durchmesser.

Auf Teneriffa gibt es an die 30 endemische Pflanzenarten.
Der endemische Echium Wildpretii – auch Natternkopf genannt – blüht von Juni bis August in den Cañadas des Teide.

Im ersten Moment erinnert die Umgebung des Parque Nacional del Teide an eine karge, aber farbenfrohe Mondlandschaft. Ihre bizarren Felsformationen aus Basalt- und Bimsstein, Geröll- und Schlackenhalden schimmern – dank eingelagerter Mineralien und deren Verwitterungsprodukten – von Jadegrün über Rotbraun bis Schwarz. Bei genauerer Betrachtung zeigen sich zudem bis zu dreißig endemische Pflanzenarten. Am bekanntesten davon ist die Tajinaste, Wildprets Natternkopf, die nur im Mai und Juni ihre rote oder blaue Blütenpracht zeigt.

Per Bike unterwegs

Die kanarische Kiefer hat an den Kurztrieben drei lange Nadeln, mit denen sie durchziehende Nebelschwaden „durchkämmt“ und so zusätzlichen Niederschlag durch Kondenswasser erzeugt.
Natur pur: Die Mountainbikeroute bei Villa Flor bietet viele Varianten.

Ein paar Tage später, während unserer Radltour mit Bike-Guide Toni, kommen wir an einem knapp 50 Quadratmeter großen, wilden Tajinaste-Feld vorbei. Toni weist uns auf die außerhalb ihrer Blütezeit stehenden, fast unscheinbaren Pflanzen hin und klärt uns über eine weitere botanische Besonderheit der Insel auf: Die kanarische Kiefer hat an den Kurztrieben drei lange Nadeln, mit denen sie durchziehende Nebelschwaden „durchkämmt“ und so zusätzlichen Niederschlag durch Kondenswasser erzeugt. Außerdem ist diese Kiefer so zäh, dass sie nach einem Waldbrand durchaus wieder austreibt. Vielleicht liegt es aber auch am unerbittlichen Vulkangestein, dass die Kanarenkiefer einen so  starken  Lebenswillen   hat?

Kletterparadies bei Arico

Beim Klettern rund um Arico staunen wir jedenfalls über die unzähligen Wände eruptiven Ursprungs, die noch erobert werden möchten. Die ganze Insel bietet ein Felsen-Paradies, das noch lange nicht zur Gänze erschlossen ist.

Eric erschließt die eine neue Kletterroute im Sector Super Zero bei El Rio.

Begeistert nehmen wir die Chance wahr, bei einer Routenerschließung dabei zu sein. Erik, unser ecuadorianischer Kletterführer, hat dafür Sector Super Zero bei El Rio ausgesucht. Geduldig unterstützt er mich zunächst, bis ich in der 30 Meter hohen Wand meine Fotoposition eingenommen habe. Dann geht der Profi mit Bohrmaschine, Hammer, Bohrhaken und Schlingen ausgerüstet ans Werk. Im jungfräulichen Fels entscheidet sich Erik zielsicher für die erste Hakenposition. Nun wird geputzt, gebohrt, geharzt und gehämmert. Schon sitzt der erste Routenfixpunkt. Oben angekommen hat Erik auch schon einen Namen für sein Meisterstück: „Falsos Retos“ – die trügerische Herausforderung. Wieder zurück auf dem Boden beobachte ich, wie Pablo seine Klemmkeile in die Route „Abuso de confianza“ – den Vertrauensbruch – einbringt. Welch passender Namen für diese schwierigen Felsen!

Das El Dorado für Wassersport

Kiten bei über 30 Knoten mit Böen über 40 kn ist eine echte Herausforderung. Foto: Ideenschmiede Berg, Petra Thaller

Teneriffa bietet nicht nur Bergfreunden unvergessliche Abenteuer: Die Insel ist für ihre hervorragenden Kitebedingungen bekannt. Dass es aber gleich mit über 30 Knoten hackt, wenn ich mal aufs Wasser möchte, ist wirklich nicht nett. Frustriert schaue ich mir meinen 6er Kite an und plane ein neues Tagesprogramm. Doch Stationsleiter Björn von der Kitschule El Médano hat glücklicherweise einen rettenden Tipp parat: „Verlänger deine Steuerleinen und du hast deinen Schirm wieder locker unter Kontrolle – und das, ohne den Adjuster zu nutzen. Den brauchst du noch, falls der Wind zulegt“, warnt er mich. Gesagt getan. Und siehe da: Ich erlebe den besten Kitetag meines Lebens.

Abends kreisen meine Gedanken. Ist dieses Fleckchen Erde wirklich nur eine Urlaubsinsel? Hier gibt es so viele Möglichkeiten. Kein Wunder, dass so viele Ausländer hier wohnen. Nun gut, aussteigen werde ich nicht, aber ich komme wieder – keine Frage!

Info:

Spanisches Fremdenverkehrsamt, Myliusstraße 14, 60323 Frankfurt, T. 0049/(0)69/72 50-33, www.webtenerife.de

Tenerife Outdoor, Avda. Mencey de Abona 49 bajo, 38600 Granadilla, T. 0034/(0)922/77 09 66, www.tenerifeoutdoor.com

Klein und Fein

Wer Urlaub in familiärer Atmosphäre bevorzugt, ist in einer Finca perfekt untergebracht. Frisch renoviert, gemütlich und mit viel Liebe – und selbstverständlich allem Komfort – ausgestattet ist z.B. die Finca Lisa in Arico.

Klein und fein: die Finca Lisa in Arico.

Auf dem etwa 4.000 Quadratmeter großen Grundstück befindet sich ein Ferienhaus für bis zu 4 Personen sowie das Wohnhaus der Gastgeber mit zwei Appartements für jeweils 1-2 Personen und einem bis zu 4 Personen. Ein kleiner Sole-Pool und ein gemeinsamer Grillplatz sorgen für persönliches Ambiente. Die Vermieter Karin und Pippo sprechen deutsch, italienisch, spanisch und englisch.

Arico ist der perfekte Ausgangspunkt für zahlreiche Boulder- und Kletterpartien. Preis: ab 30,00 € / Tag Finca Lisa, Calle El Fronton 42, La Sabinita, 38589 Arico, T. 0034/(0)676/47 36 99, www.finca-lisa.com

Biken

Für Biker hat die Kanareninsel Teneriffa dank ihres milden Klimas und dem 3.718 Meter hohen Teide das ganze Jahr über jede Menge Spaß zu bieten. Die meisten Radler tummeln sich – nicht zu Unrecht – im grünen Norden der Insel. Doch wir haben uns ganz bewusst im Süden umgeschaut. Radeln auf der Insel hat einfach überall seinen Reiz. Wer kein eigenes Bike dabei hat, der findet beim Bike Point in El Médano eine gute Auswahl. Die Radspezialisten bieten zudem einen Lieferservice sowie auch geführte Touren an.

Bike Point El Médano, Calle Villa de la Orotava 10, 38612 El Médano, T. 0034/922/17 62 73, www.bikepointtenerife.com

Kartenempfehlung: Freytag und Berndt; Auto & Freizeit- karte; 1:50.000 2012; Preis: 7,95 €

Tourentipp

kleine/große Vilaflorrunde

Schwierigkeitsgrad: leicht/mittel, Dauer: 2 h (kleine Runde), 4 h (große Runde), Starthöhe: 1.600 m, 300 Hm (kleine Runde) 900 Hm, Distanz: 20 km (kleine Runde), 40 km (große Runde)

Beschreibung: Gestartet wird auf einem der freien Parkplätze 2 Kilometer oberhalb von Vilaflor. Markierun- gen weisen den Weg. Die Route führt größtenteils über eine breite Forststraße. Besonders reizvoll: der Blick auf den Teide sowie auf die benachbarte Kanareninsel Gran Canaria.

Ebenfalls zu empfehlen sind die höchst anspruchsvolle Route „La Escalona – Vilaflor – La Escalona“ oder der fast unendlich scheinende Downhill Teide – El Médano. Genauere Beschreibung unter www.allmountain.de

Klettern

Bei Arico gibt es für jedes Kletterniveau die passende Route. Foto: Petra Thaller, Ideenschmiede Berg

Dank ihres vulkanischen Ursprungs bietet Teneriffa auf fast der gesamten Insel perfekte Kletterbedingungen. Hier hat der Vertikalsportler die Qual der Wahl! Wir haben uns auf das Kletter-Eldorado rund um Arico mit seinen über 230 Routen sowie die unentdeckten Felsen von Sector Super Zero konzentriert.

Unser Tipp: Bouldern und Einklettern in Arico Arriba – hier ist für jede Könnensstufe eine Route zu finden. Das in Fußnähe gelegene Arico Abajo weist nicht nur höhere Felsen, sondern auch jede Menge Überhänge auf. Auffällig am Gestein in beiden Gebieten sind die vielen Fingerlöcher

Wandern

Ob hochalpines Gelände rund um den Teide Nationalpark, wildromantische Wanderwege im Anagagebirge oder auf den Spuren der Guanchen: Teneriffa bietet vom Herbst bis zum späten Frühling abwechslungsreiche Wanderbedingungen mit allen Schwierigkeitsgraden. Dank unterschied- licher Klimazonen und Landschaften hat jedes Gebiet dieser faszinierenden Vulkaninsel seinen eigenen Reiz.

Wanderjule und Carlos verraten uns die besten Wandertipps auf Teneriffa.

Gefragt sind Ausdauer, richtige Ausrüstung und Motivation. Leider gibt es keine ausführlichen Wanderkarten, doch hängen in jeder Gemeinde Übersichtskarten des jeweiligen Gebietes aus. Wege sind in der Regel durch entsprechende Markierungen nach europäischem Standard und auch durch die landestypischen Steinmännchen gekennzeichnet. Im Winter sollte übrigens in höheren Lagen mit Schnee gerechnet werden. Wer mit fachgerechter Unterstützung Historie, Flora und Fauna von Teneriffa vertiefen und gleichzeitig abseits der bekannten Touren wandern möchte, dem sei ein lokaler Wanderführer empfohlen.

Nähere Infos gibt es unter Wanderjule & A Caminar Tenerife, Juliane Heßbrügge & Sylvia Nockemann, Avda Mencey de Abona 49 bajo, 38600 Granadilla, 0034/(0)600/56 26 23, www.a-caminar.com

Einen Überblick über Teneriffa bietet die Kompass-Karte „Teneriffa“, 1:50.000, Kostenpunkt: 8,95 €. An die 70 schöne Wandertouren inkl. GPS-Tracks finden sich im Rother Wanderführer „Teneriffa“; Wolfsperger, Klaus und Miehle-Wolfsperger, Annette; 1:50.000; 11. Aufl. 2012; Kostenpunkt: 14,90 €; enthalten.

Wandertipp

Hotel Parador – Guajara

Starthöhe: ca. 2.150 m, 650 Hm, Dauer insgesamt: 4,5 h, Schwierigkeitsgrad: mittel

Beschreibung: Anfahrt mit dem Auto über die TF21 bis zum Hotel Parador im Teide Nationalpark. Hier gibt es Parkmöglichkeiten. Alternativ fahren die Buslinien 342 und 348 bis zum Startpunkt der Wanderung am kleinen Kreisverkehr. Von da geht´s in südlicher Richtung über ein Lavafeld direkt auf den Guajara zu. Grüne Markierungen weisen den Weg über Lavafelder, durch einen Bimssteinsattel bis zu den Serpentinen und schließlich auf den etwas steileren Grat – der auch ein paar leichte Klettereinlagen über Felsblöcke fordert – bis auf das Hochplateau des Guajara. Oben angekommen lädt ein kleiner Schutzwall zum Picknick ein. Der Abstieg erfolgt in Richtung Osten. Dabei an Wegkreuzungen immer links halten. Sobald der Fahrweg No 4 erreicht ist, geht es noch ca. 4 Kilometer Richtung Parkplatz. Interessante Wan- derung, die einen faszinierenden Rundumblick bietet. Diese Tour erfordert Trittsicherheit und Schwindelfreiheit.

Im Süden der Insel gibt es zahlreiche schöne Wanderungen, zum Beispiel durch den Barranco Tamadaya, der für die Wasserversorgung Aricos von Bedeutung ist, oder Rund um den Roque Imoque.

Bunte bemalte Fischerboote – wie hier in El Medano – prägen das Landschaftsbild an Teneriffas Straßenkreuzungen.

Dieser Artikel erschien in der Allmountain 5/2012.

 

Majella Nationalpark – Ökotourismus mit Stil

Man nehme eine grandiose Natur, mische sie mit einem Hauch von Nachhaltigkeit dall`Italiano und gebe eine gute Portion an unvergesslichen Erlebnissen hinzu: Fertig ist das perfekte Erholungspaket. Tiefe Schluchten, karge Mondlandschaften und Jahrtausende alte Spuren menschlicher Existenz – Majella, das Muttergebirge der Abruzzen zeichnet sich durch viele Extreme aus. Ihre mächtige Wirkung vereint sie zu einem großen Ganzen: Der Rückbesinnung auf den Ursprung.

Abruzzen - Majella Nationalpark
Blick in die faszinierende Bergwelt des Majella-Gebirgszuges @Almut Otto

„Das hat Stil!“, ist der erste Eindruck, den ich vom Majella Nationalpark habe. Ich sitze mit zwei Kolleginnen und unseren Guides John und Giovanni im der Gaststube des dezent mit Antiquitäten dekorierten Agrotourismusbetriebes „Il Portone“. Während ich die köstlichen – natürlich vom Wirt selbst zubereiteten Antipasti genieße – lasse ich meinen Blick über die Einrichtung schweifen: hölzerne Schneeschuhe und alte Spindeln kann ich noch als solche erkennen. Aber was bitte ist das für ein eigenartiges Zupfinstrument in Zither-Optik? „Das ist eine ´Chitarra pergli Spaghetti´, eine Spaghettimaschine,“ klärt mich Giovanni auf, „der Teig wird über das Gitter gelegt und dann mit einem Nudelholz durch die eng beieinander liegenden Saiten gepresst. Und schon haben die Pasta eine gleichmäßige Form.“ Sehr praktisch!

Ein Platz für Eremiten

Das Majellamassiv zieht nicht nur mich unweigerlich in seinen Bann. Schon seit Jahrtausenden übt der auch als Mutterberg bekannte Gebirgszug mit seinen majestätischen Gipfeln und imposanten Schluchten eine unglaubliche Faszination auf die Menschen aus: Religionsübergreifend nutzten Glaubensvertreter verschiedenster Richtungen die Einsamkeit dieser fast überirdisch scheinenden Natur um dem Göttlichen näher zu sein. Darum gibt es hier – neben Tibet – die meisten Einsiedeleien der Welt.

Abruzzen - Majella Nationalpark
Hier wohnte einst Papst Zöletin V. – heute darf sich jeder für ein paar Tage in diese traumhafte Einsamkeit zurückziehen. @Almut Otto

Grund genug, die Spuren der Eremiten zu erkunden. Unsere erste kleine Tour führt über schmale, gut beschilderte Pfade zur spektakulären Eremitage San Bartolomeo di Legio. Wie ein Adlerhorst thront die in den Fels gehauene Kapelle über der Schlucht von Santo Spirito. Hier also ist der Ort, zu dem sich Papst Zölestin V. – der legendäre Papst, der keiner werden wollte und der erste, der zurück getreten ist – erstmals zurückgezogen hatte. Wer für ein paar Tage der Alltagshektik entfliehen möchte, darf diese heilige Stätte übrigens als Übernachtungsplatz nutzen, sofern das Lager anschließend wieder besenrein hinterlassen wird.

Ob einer von uns an Klaustrophobie leidet, möchte John wissen. Der Gang zur nächsten Eremitage erfordere etwas Mut. Mit einem etwas mulmigen Gefühl wandern wir durch das grüne Orfento Tal. Der Weg führt durch einen märchenhaften Buchenwald, der urplötzlich einen atemberauenden Blick auf eine unendlich scheinende, dicht bewachsene Schlucht freigibt. Von Zeit zu Zeit, so die Legende, soll sich am tiefen Ende der Schlucht eine Pforte öffnen und einen unermesslichen Schatz freigeben. Doch wer nicht schnell genug ist, den sperre die Schlucht auf immer und ewig ein. Bisher hat es noch kein menschliches Wesen geschafft, lebend dieser Verlockung zu entkommen.

Abruzzen - Majella Nationalpark
Der Weg zur Eremitage wird immer niedriger – die Zweizimmer-Einsiedelei erreicht man nur im Kriechgang. @Almut Otto

Da scheint der Eingang zur Eremitage San Giovanni dell Orfento ja fast ein Kinderspiel: Zwanzig Stufen führen seitlich zu einer in den Fels gehauenen, immer niedriger werdenden Passage hinauf. Nun heißt es auf den Boden legen und über den aalglatt polierten, knapp menschenbreiten Stein robben. Rechts geht´s fünfzehn Meter ungesichert in die Tiefe. Konzentriert arbeite ich mich durch das steinerne Nadelöhr. Schließlich wollte der heilige Baumeister San Giovanni, dass man sich seinem Rückzugsort wie eine Schlange nähere. Die Mühe lohnt: Stolz sehe ich mich in der gerade einmal menschenhohen Behausung um. Ein kleiner Altar lädt zum Meditieren ein. Durch die kleine Zweizimmerhöhle – die wohl schon in der Bronzezeit Menschen beherbergt hat – führt ein ausgeklügeltes Wasserleitungssystem, das Regenwasser in einer Zisterne sammelt.

Auf dem Rückweg versinke ich in Gedanken. Berge – wer meint, dass immer nur der höchste Gipfel das Ziel sein kann, wird im Majellapark eines Besseren belehrt. Ohne Zweifel bietet der 2793 Meter hohe Monte Amaro eine grandiose Aussicht und sollte auf jeden Fall erklommen werden. Doch es muss nicht immer nur höher, schneller und weiter sein. Ein Gang zurück – den Blick auf das Wesentliche gerichtet – scheint manchmal angemessen.

Dank einer vorausschauenden Politik und vorbildlicher Rekultivierung einheimischer Arten haben die Abruzzen ihren ursprünglichen Charakter erhalten können. Derzeit steht etwa ein Drittel des Gebiets unter Naturschutz. Erst seit wenigen Jahren erschließt ein bewusst sachte inszenierter Tourismus ausgewählte Abschnitte für die Öffentlichkeit. Das Ergebnis ist eine fast vollkommen intakte Bergwelt mit einer außergewöhnlichen Flora und Fauna. Und modernen, traditionsbewussten Menschen, die diesen Schatz zu erhalten wissen. Molte grazie a voi!

Hintergrundinfos

Allgemein

Majella National Park

Der im Jahr 1991 gegründete Majella Nationalpark verläuft größtenteils über bergiges Gelände von knapp 74.095 Hektar. Dementsprechend liegen auch etwa 55 % des Parks oberhalb von 2000 m. Trotz Jahrtausende alter geschichtlicher Traditionen – erste archäologische Funde reichen bis in die Altsteinzeit zurück – konnte sich das Labyrinthartige Gebiet mit seinen tiefen Schluchten eine unglaubliche Artenvielfalt erhalten. Dementsprechend wurden im Park 2114 Pflanzenarten, davon 142 endemische Pflanzen nachgewiesen. Zudem leben hier 45 Prozent der in Italien vorkommenden Säugetierarten. So unter anderem mit vier Rudeln der kurz vor dem Aussterben bedrohte apenninische Wolf , 30 bis 50 marsikanische Braunbären sowie Rotwild, Gämsen desweiteren auch 130 Vogelarten wie Königs- und Steinadler, Wander- und Lannerfalken.

Der Park ist über die Orte Sulmona, Pescocostanzo und Guardiagrele erreichbar. Am Parkeingang widmen sich Besucherzentren wie das Paolo Barasso in Caramanico Terme, Maurizio Locati in Lama die Peligni, S. Eufemia a Maiella im gleichnamigen Ort unterschiedlichen Themen wie dem heimischen Wolf, der Gämse, den Braunbären, der Archäologie und der Botanik.

Kontakt: Majella Nationalpark, Via Badia n. 28, 67039 Sulmona (AQ), T. +39/0864/25701, F. +39/0864/2570450, www.parcomajella.it

Anreise: per Flugzeug nach Rom oder Pescara, von dort mit einem Mietwagen zu den Orten Sulmona bzw. Guardiagrele

 Beste Reisezeit: Ganzjährig! Wobei sich die jeweiligen Jahreszeiten für unterschiedliche Aktivitäten eignen: Während sich der Sommer für höhere Gebirgswanderungen anbietet, laden Frühjahr und Herbst zu Wanderungen und Radtouren in niedrigeren Höhen, zu Eremitagen und zu Städtetouren ein. Im Winter heißt es dann Skifahren, Langlaufen und Touren gehen.

Übernachten und Essen

Agriturismo Il Portone

Abruzzen - Majella Nationalpark
Hier lässt es sich gut wohnen. @Almut Otto

Der stilvoll eingerichtete, hervorragend restaurierte, alte Biobauernhof liegt in den grünen Hügeln des Majellanationalparks, nicht weit vom Blockhaus entfernt. Insgesamt stehen neun, mit antiken Möbeln dekorierte, fast hochherrschaftliche Zimmer sowie eine Wohnung mit zwei Doppelzimmern zur Verfügung. Besonderheiten: Fahrradverleih, Kochkurse und es dürfen Haustiere mitgebracht werden. Internet vorhanden.

Il Portone, C. da San Martino 2,  65020 Abbateggio (PE), T. +39/085/8543512, www.borgosanmartino.eu

Agriturismo Pietrantica

Urlaub auf dem Bio-Bauernhof dall‘Italiano: Gegessen wird mit der ganzen Familie. Mutter Marisa kocht hervorragend. Meist gibt es selbst angebaute Produkte. Besonders zu empfehlen sind ihre Dinkelgerichte, deren Samen Schwiegervater Paolino schon vor Jahrzehnten wohlweislich zur Seite gelegt hat, um sie später einmal zu rekultivieren. Ehemann Camillo arbeitet nebenher bei der Bergrettung. Er kennt sich im Majellagebirge sehr gut aus. Die Zimmer sind einfach, aber mit allem ausgestattet. Insgesamt stehen im ganzen Dorf acht Appartements zur Verfügung.

Agriturismo Pietrantica, Marisa und Camillo Sanelli, C. da Decontra n°21, Caramanico Terme (PE), T. + F. +39/085/922188, www.agripietrantica.com

Locanda del Barone

Ein hervorragend geführter Familienbetrieb, in dem Essen zelebriert wird: Der Vater kocht einmalig, der Sohn könnte auch in einem Sternerestaurant servieren und die Mutter sorgt rundum für eine heimelige Atmosphäre. Käse und Fleisch – zum Beispiel Wildschein – werden übrigens von der Familie selbst verarbeitet. Die sechs Zimmer sind großräumig und komfortabel ausgestattet. Locanda del Barone, Contrada Casa del Barone, 65023 Caramanico Terme (PE), T. +39/085/92584, F. +39/085/4969787, www.locandadelbarone.it

Kulinarisches

Abruzzen - Majella Natioanlpark
Antonio beim Eismachen – unbedingt das Erdbeereis probieren. @Almut Otto

In San Valentino steht eine der besten Eisdielen Italiens: La Gelateria di San Valentino. Inhaber Antonio hat schon mehrere nationale Auszeichnungen erhalten. Seine Spezialität ist Erdbeereis, doch auch seine der Jahreszeit entsprechende Haselnussvariante – natürlich ohne künstliche Aromen, Zusatz- und Farbstoffe – ist Spitzenklasse. Die Cafébar hat von Mitte November bis Ende Oktober geöffnet. La Gelateria di San Valentino, Via Cupoli, 1/3, 65020 San Valentino (PE), T. +39/085/8574229

Info Wandern

Abruzzen - Majella Nationalpark
Wandervergnügen im Majella-Park. @Almut Otto

Das Majella-Gebirge bietet an die 120 Wanderwege in unterschiedlichsten Schwierigkeitsgraden. Bemerkenswert ist, dass alle Wege an naturwissenschaftlich, kulturell oder historisch bedeutenden Orten vorbeiführen. Je nach Kondition und Zeit bieten sich einstündige Spaziergänge bis zu Mehrtagestouren an. Ob auf den Spuren der Heiligen, der einmaligen Flora und Fauna oder eine anspruchsvolle Bergwanderung im Zentralmassiv oder der Majellakette – jede Tour hat ihren eigenen Reiz. Besonders Eindrucksvoll ist eine Wanderung durch die wilde Orfento Schlucht. Weitere Informationen hierzu gibt es vor Ort in den drei Informationsbüros des Parks.

Wanderkarte Majella (Blatt 13) 1:25:000 Edizioni Il Lupo, ISBN 9788888450179, 13,90 €

Info Biken

Dank einer interaktiven Karte und GPS Daten unter www.besuchabruzzo.de kann sich jeder seine Wunschroute schon vor dem Urlaub heraussuchen. Als Ausgangspunkt eignet sich für Touren durch den Majella Park der Ort Scanno, der auch in Reichweite Parco Nazionale D‘Abruzzo und Sirente-Velino liegt. In Scanno findet in diesem Jahr übrigens erstmals das X -Terra Italy Event statt.

Gerade für Mehrtagestouren bietet sich eine organisierte Reise mit einheimischem Guide an, der nicht nur Hotels vorbestellt sondern auch die geheimen Schleichwege der Hirten kennt. Giovanni Nori ist einer der wenigen deutschsprachigen Guides in den Abruzzen. Er fährt nicht nur Bike, sondern organisiert auch Wanderungen.

Monti e mare, Giovanni Nori, Via Gran Sasso D’Italia 24, 66020 San Giovanni, Teatino, Telefon: +39/348/44 51 772, http://www.monti-e-mare.de

Info Klettern

Im Majellanationalpark gibt es vor allem in Roccamorice hervorragende Klettermöglichkeiten. Hier bieten an die 300 Routen mit Schwierigkeitsgraden von 4 – 8 Spaß für alle Könnensstufen. Beste Anlaufstelle für Material und Schulung ist Giampiero Di Federico, Martino 33, Abbateggio/PE, T. +39/340/665 0939, http://www.monteabruzzo.it

Info weitere Aktivitäten

Abruzzen - Majella Nationalpark
Unvergesslich: Der Ausritt durch unberührte Natur. @Almut Otto

Fernab von Straßenverkehr und Zivilisation bietet ein Ausritt zu Pferde einen einmaligen Perspektivenwechsel. Ob ein mehrtägiger Ausflug auf den Spuren der Transhumanz – der Wanderviehwirtschaft – oder ein Tagesritt am Fuße des Monte Amaro: Reiten im Majellapark ist ein einmaliges Erlebnis.

Parco Equituristico Majella Morrone, Frank Montefusco / Claudia Maria Sartone, Mobil Frank +39 3296158826 oder Mobil Claudia +39/329/6158824, www.parcoequituristicomajella.it

Text und Fotos: Almut Otto

geschrieben für das Allmountain Magazin/2013