Archiv der Kategorie: Sustainability

AMAZONASWALD KANN RESILIENZ TRAINIEREN – DOCH KLIMAWANDEL UND RODUNG ALS GEFAHR

Keine Frage: beim globalen Klimaschutz hat der Amazonaswald als größter zusammenhängender Regenwald eine bedeutende Rolle inne. Mit einer derzeitigen Fläche von etwa 7.500.000 km² bedeckt er etwa zwei Drittel Südamerikas. Dank seiner Größe gilt das Amazonas-Becken als größte Kohlenstoffsenke der Welt. Denn hier wird ungefähr so viel Kohlenstoff gespeichert, wie in rund zehn Jahren auf der ganzen Erde freigesetzt wird. Wissenschaftler des Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) sowie der Federal University of Santa Catarina (UFSC) haben nun noch eine weitere erstaunliche Eigenschaft entdeckt: Der Amazonaswald kann sozusagen durch wechselhafte Regenfälle trainiert werden. Das heißt, die Regionen des Waldes, in denen die Regenmengen stärker schwanken, sind widerstandsfähiger gegen heutige und zukünftige Klimastörungen.

KOMBINATION AUS ANALYSE UND BEOBACHTUNGSDATEN

„Angesichts der enormen Bedeutung des Amazonas-Regenwaldes für unser Klima und die Artenvielfalt ist es erstaunlich, wie wenig wir immer noch über seine Fähigkeit wissen, sich im Laufe der Zeit an veränderte Umweltbedingungen anzupassen“, stellt Leitautorin Catrin Ciemer vom PIK fest und ergänzt: „Wir haben einen Mechanismus entdeckt, der die Widerstandsfähigkeit des Ökosystems mitbestimmt. Dabei haben wir herausgefunden, dass Regionen des Amazonas-Regenwaldes, die stärker wechselnden Regenmengen ausgesetzt waren, offenbar mehr Widerstandskraft haben gegen Klimastörungen.“

Basierend auf Daten zum Niederschlag und zur Baumbedeckung im brasilianischen Amazonasbecken ermittelten die Wissenschaftler die Stabilität verschiedener Vegetationstypen in Abhängigkeit der Regenmengen und identifizierten auf diesem Weg kritische Schwellenwerte, jenseits derer die Vegetation von einem Wald zu einer Savanne, also einem tropischen Grasland, wechseln kann. In diesem Kontext entdeckten die Forscher nun den oben erwähnten Trainingseffekt.

„Wir konnten dieses bislang unbekannte dynamische Stabilitätsverhalten quantifizieren, indem wir moderne Techniken [mathematische Methoden] der Analyse nicht-linearer Systeme kombiniert haben mit modernsten Beobachtungsdaten [Satellitendaten]“, erklärt Jürgen Kurths, Leiter des PIK-Forschungsbereichs Komplexitätsforschung und Ko-Autor der Studie. Marina Hirota von der UFSC, ebenfalls Ko-Autorin der Untersuchung, ergänzt: „Wir entwickeln und nutzen innovative mathematische Methoden, um reale Probleme zu untersuchen, die enorme Auswirkungen auf Menschen auf dem ganzen Planeten haben. Denn klar ist: der Amazonas-Regenwald ist von großer Bedeutung für globale CO2- und Wasserkreisläufe und steht in Wechselwirkung mit einer Reihe anderer kritischer Elemente [denkbar ist z.B. das südamerikanische Monsunsystem] des Erdsystems.“

GRAVIERENDE ÄNDERUNGEN ERWARTET

So erlaube es der Ansatz zu erkennen, welche Regionen anfälliger für zukünftige Veränderungen des Niederschlags sein könnten, unterstreicht Ricarda Winkelmann, Leiterin des PIK FutureLab ‚Earth Resilience in the Anthropocene‘ und ebenfalls Ko-Autorin der Studie. Weniger ‚trainierte‘ Regionen, die nicht an häufige Änderungen der Niederschläge gewöhnt sind, werden dabei besonders betroffen sein. Die Analyse zeigt, dass in einem Business-as-usual-Szenario in Bezug auf den Ausstoß von Treibhausgasen eine große zusammenhängende Region im südlichen Amazonasgebiet Gefahr laufen könnte, vom Wald zur Savanne zu werden.

Noch ist unklar, wie viel Veränderung die Amazonasregion verkraften kann. So ist der Amazonaswald einerseits ein sehr altes Ökosystem, das sich über Millionen von Jahren entwickelte und sogar Eiszeiten überlebte. Es konnte sich also über lange Zeiträume anpassen. Aber heute ist es fraglich, ob es dem Tempo des fortschreitenden Klimawandels gewachsen ist.

Deshalb sind die Forschenden trotz der positiven Erkenntnis zur Anpassungsfähigkeit in großer Sorge um die Zukunft des Waldes. Denn dem einzigartigen System droht nun durch menschlichen Einfluss und durch den weltweiten Klimawandel ein großflächiges Absterben ‒ mit weitreichenden Folgen für seine Funktion als globale CO2-Senke. Zwar speichert eine wärmere Atmosphäre grundsätzlich mehr Feuchtigkeit, doch wird es im Amazonasbecken wahrscheinlich vermehrt Dürren geben, die die Baumsterblichkeit und das Brandrisiko erhöhen könnten.

Niklas Boers, Koautor der PIK-Studie fügt noch ein weiteres großes Problem, das der Erhaltung des Amazonas Regenwaldes entgegenwirkt, hinzu: So stellen die großflächigen Rodungen, die zur Umwandlung der Naturlandschaft in Weidelandschaft für Rinder zur Fleischerzeugung geschehen, eine ernsthafte Bedrohung für den Regenwald dar. Das bedeutet, dass die aktuelle Forstpolitik Brasiliens und anderer Länder die Frage der Widerstandsfähigkeit des Regenwaldes bedeutungslos machen könnte. „Mit oder ohne Widerstandsfähigkeit gegen Klimastörungen: Es gibt keine Möglichkeit, sich an Motorsägen anzupassen,“ fasst er die aktuelle Situation zusammen.

Die Studie wurde Ende Februar in Nature Geoscience veröffentlicht.

Bild oben: Der Amazonaswald ist resilienter als gedacht ©Pixabay

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CO2-Aufnahme bei jungen Wäldern um 25 Prozent erhöht

FORSCHUNGSPROJEKT: ERNEUERBARE ENERGIE CHEMISCH SPEICHERN

Im Jahre 2050 sollen 80 Prozent des Stroms in Deutschland aus erneuerbaren Energiequellen stammen. Wobei hier Sonne, Wind und Biomasse als die wichtigsten Energielieferanten gelten. Doch sie stehen nicht gleichmäßig zur Verfügung. Denn an wind- und sonnenreichen Tagen fällt mehr Strom an, als in die Netze eingespeist werden kann. Diese fluktuierende Verfügbarkeit ist im Rahmen der Energiewende eine der größten Herausforderungen. Doch lässt sich die Überproduktion aus Windkraft- und Photovoltaikanlagen in Energieträgern wie Wasserstoff oder Kohlenwasserstoffen chemisch speichern. So könnte die elektrische Energie zu einem späteren Zeitpunkt wieder zur Verfügung stehen. Für die Umwandlung der Energieträger in Speichermoleküle wie Methan, Kohlenwasserstoffe oder Alkohole sind Katalysatoren, elektrochemische Zellen und Reaktoren notwendig. Diese müssten in dynamischen Reaktionsbedingungen eingesetzt werden. Wie sich der Einfluss wechselhafter Gegebenheiten von außen – eben durch das Schwanken von Windstärke und Sonneneinstrahlung – auf die katalytischen Reaktionssysteme auswirkt, wurde bislang kaum betrachtet. Denn die chemischen Reaktoren wurden bis jetzt meist stationär betrieben.

„Man weiß jedoch, dass sich die Struktur fester Katalysatoren und damit ihre katalytische Wirkung mit den Reaktionsbedingungen stark ändern kann. Dies ist wissenschaftlich hochspannend“, erklärt Professor Jan-Dierk Grunwaldt von den Instituten für Technische Chemie und Polymerchemie (ITCP) sowie für Katalyseforschung und -technologie (IKFT) des KIT.

RENOMMIERTE FORSCHUNGSEINRICHTUNGEN AUS GANZ DEUTSCHLAND

Mit dem Namen „Schwerpunktprogramm 2080 – Katalysatoren und Reaktoren unter dynamischen Betriebsbedingungen für die Energiespeicherung und -wandlung (SPP 2080, DynaKat)“ ist im Februar 2019 das deutschlandweite, interdisziplinäre Forschungsprogramm der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gestartet. Die DFG fördert das auf insgesamt sechs Jahre angelegte Schwerpunktprogramm DynaKat zunächst für drei Jahre mit 8,5 Millionen Euro.

Die Koordination obliegt als projektstärkstem Partner dem Karlsruher Institut für Technologie (KIT). Zudem sind zahlreiche weitere renommierte Forschungseinrichtungen in ganz Deutschland beteiligt. Darunter das Forschungszentrum Jülich, die TU München und mehrere Max-Planck-Institute wie das Berliner Fritz-Haber-Institut. Insgesamt zwölf große Forschungskonsortien untersuchen in interdisziplinären Verbünden grundlegende und methodische Herausforderungen des dynamischen Betriebs. Die überregionalen Forschungsprojekte untergliedern sich wiederum in 34 Teilprojekte.

DYNAMISCHE BEDINGUNGEN GRUNDLEGEND VERSTEHEN UND VERBESSERN

Die rasante Entwicklung bei spektroskopischen Methoden und im Bereich der Modellierung kombiniert mit neuen Ansätzen im Material- und Reaktordesign bieten für die Forschung exzellente Voraussetzungen. Neuere Untersuchungen belegen zudem, dass sich die Struktur fester Katalysatoren – und damit auch die katalytische Wirkung mit den Reaktionsbedingungen -, stark ändern kann. Dabei besteht zum einen das Potenzial, durch dynamischen Betrieb die Ausbeute der erwünschten Reaktionsprodukte zu erhöhen und Katalysatoren in Ruhephasen zu reaktivieren. Zum anderen müssen die nanostrukturierten Katalysatoren stabilisiert werden. Für eine effiziente Nutzbarmachung dynamischer Reaktionsbedingungen bedarf es daher eines grundlegenden Verständnisses aller beteiligten Prozesse – von der atomaren Skala des Katalysators bis hin zu dreidimensionalen Konzentrations- und Temperaturverteilungen im technischen Reaktor.

„Wir wollen Veränderungen des Materials der Katalysatoren unter dynamischen Bedingungen grundlegend verstehen und verbessern“, beschreibt Dr. Erisa Saraçi, wissenschaftliche Mitarbeiterin am IKFT das Projekt. Dafür werden alle beteiligten Prozesse untersucht, von den Vorgängen auf der atomaren Ebene des Katalysators bis zur räumlichen Verteilung der Stoffkonzentrationen und Temperaturen auf Reaktorebene. Für ein grundlegendes Verständnis der Prozesse und um neue Ansätze im Material- und Reaktordesign zu entwickeln, kommen klassische etablierte Experimente ebenso zum Einsatz wie neueste spektroskopische Methoden und Möglichkeiten der Modellierung.

Der zu erwartende Erkenntnisgewinn soll künftig den effizienten Betrieb katalytischer Systeme unter dynamischen Bedingungen ermöglichen. Das grundlegende Verständnis hierfür wird am Beispiel von Reaktionen zur Energiespeicherung und -wandlung erarbeitet und schafft die Basis für zukünftige technische Anwendungen.

Schematische Darstellung und Überblick über die wissenschaftliche Arbeit im SPP 2080: Mit erneuerbaren Energien werden aus Kohlendioxid und Wasser durch Elektrolyse und katalytische Umsetzung Chemikalien und Kraftstoffe hergestellt. Grafik und ©: Arbeitsgruppe Grunwaldt, KIT

Charakteristisch für alle untersuchten Systeme ist, dass die Dynamik systematisch im Zeitbereich zwischen Sekunden und Tagen von außen aufgeprägt wird. Entweder weil die aufgeprägte Dynamik nur mit großem Aufwand vermieden werden kann (z. B. schwankendes Angebot an elektrischer Energie), oder weil durch den dynamischen Betrieb begründete Vorteile für die Raum-Zeit-Ausbeuten oder Selektivitäten der katalytischen Reaktionen erwartet werden.

OFFEN FÜR NACHWUCHSWISSENSCHAFTLER UND WEITERE FORSCHUNGEN

Die Ergebnisse sind aber auch interessant für andere Bereiche wie Abgaskatalyse,  Selektivoxidationen, Brennstoffzellen, Batterien oder Photokatalyse. Diese Anwendungen sind jedoch ebenso wie rein physikalisch-chemische Studien nicht Gegenstand des Forschungsprojekts. Denn das interdisziplinäre Forschungsvorhaben ist in der Technischen Chemie bzw. der Chemischen Reaktionstechnik lokalisiert und explizit offen für weitere Gebiete der Chemie, Physik oder Materialwissenschaften, die zur Thematik beitragen.

Das Einbeziehen des wissenschaftlichen Nachwuchses spielt im DFG-Schwerpunktprogramm DynaKat ebenfalls eine wichtige Rolle. So steht interessierten Studierenden und Promovierenden ein Blockkurs am KIT zum Thema „Technologien und Ressourcen für Erneuerbare Energien: Von Wind und Solar zu Chemischen Energieträgern“ offen.

„In der Forschung kommt man ohne Netzwerke und Teamarbeit nicht voran, da die einzelnen Teildisziplinen sehr komplex sind“, so Sebastian Weber, Doktorand am IKFT/ITCP. Gerade für den wissenschaftlichen Nachwuchs seien der Austausch und das Zusammenbringen unterschiedlicher Expertisen wertvoll, betonen Saraçi und Weber. „Es geht darum, Kompetenzen zu bündeln und das Themengebiet deutschlandweit voranzutreiben, um darin international führend zu werden“, so Programmkoordinator Grunwaldt.

Bild oben: Energie aus erneuerbaren Quellen speichern – das ist eine der Herausforderungen der Energiewende. ©Pascal Armbruster, KIT

Dieser Artikel erschien am 1.3.2019 in der Innovation Origins.

CO2-AUFNAHME BEI JUNGEN WÄLDERN UM 25 PROZENT ERHÖHT

Ein internationales Forscherteam, darunter Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT), stellt unsere bisherigen Annahmen zur CO2-Aufnahme von Wäldern auf den Kopf: Nicht die Photosynthese allein ist für die Kohlenstoffsenken verantwortlich, sondern auch das Alter des Waldes.

Kohlenstoffsenken sind Ökosysteme, die große Mengen an Kohlenstoff binden und so die CO2-Ansammlung in der Atmosphäre – und damit den Klimawandel – verlangsamen.  So gilt der Wald diesbezüglich als ein bedeutender Filter für unsere Erde. Er reinigt die Luft von Staubpartikeln. Er produziert Sauerstoff. Er ist sozusagen unsere grüne Lunge.

KOHLENSTOFFSENKEN BEGRENZT

Bisher ging man davon aus, dass der hauptsächliche Prozess für die CO2-Aufnahme ein Verstärken der Photosynthese ist. Dieser begründet sich wiederum durch den Anstieg von Kohlendioxid in der Atmosphäre. Demnach sind die Senken dynamisch. Ihre Kapazität kann regional wachsen, aber auch schrumpfen. Dichte tropische Wälder in der Nähe des Äquators beispielsweise nehmen große Mengen COauf. Deshalb sprach man bis dato insbesondere dem Regenwald die elementare Aufgabe der Kohlenstoffdioxid-Reduktion zu.

Doch die Umweltforschenden fanden nun heraus, dass sich die weltweit größten Kohlenstoffsenken in jungen, nachwachsenden Wäldern befinden. Und zwar in Wäldern, die jünger als 140 Jahre sind.

„Diese Senken, die vom Waldwachstum abhängen, sind grundsätzlich begrenzt. Erreichen die Wälder ein bestimmtes Alter, sinkt ihre CO2-Aufnahme und die so wichtigen Kohlenstoffsenken verschwinden – außer es kommt zu einer weiteren Aufforstung“, so Professorin Almut Arneth vom Institut für Meteorologie und Klimaforschung – Atmosphärische Umweltforschung (IMK-IFU), Campus Alpin des KIT. „Die Ergebnisse der Studie sind ein wichtiger Beitrag zum Verständnis des Klimasystems und helfen uns gleichzeitig, fundierte Entscheidungen über die Forstwirtschaft zu treffen.“ Denn sie zeigen, wie viel CO2 nachwachsende Wälder in Zukunft binden könnten. „Allerdings ist die Menge an Kohlendioxid, die Wälder generell aus der Atmosphäre entfernen können, begrenzt. Deshalb müssen wir unsere Emissionen durch fossile Brennstoffe unbedingt reduzieren“, betont die Professorin.

ERGEBNIS BASIERT AUF VERGLEICH VON DATENSÄTZEN

Für seine bahnbrechenden Erkenntnisse analysierte ein internationales Forschungsteam, darunter Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT), eine Kombination aus Daten- und Computermodellen von globalen Wäldern neu. Mit dem Blick auf die Datensätze zum Alter der Wälder konnten die Experten nachvollziehen, wie viel CO2 etablierte Waldflächen, mit einem Alter von mindestens 140 Jahren, zwischen den Jahren 2001 bis 2010 aufnahmen. Der Vergleich mit jüngeren Wäldern ‒ die zum Beispiel auf vorherigen landwirtschaftlich genutzten oder abgeholzten Flächen nachwachsen ‒ zeigte: der Alterseffekt macht rund 25 Prozent der CO2-Aufnahme von Wäldern aus. Denn die Gebiete nehmen nicht nur aufgrund der erhöhten Photosynthese große Mengen CO2 aus der Atmosphäre auf, sondern vor allem aufgrund ihres jungen Bestehens. Dies trifft insbesondere auf die Wälder mittlerer und hoher Breiten zu. Dazu gehören beispielsweise Landflächen in den östlichen Bundesstaaten der USA, die Siedler bis Ende des 19. Jahrhunderts als Ackerland nutzten, oder Wälder in Kanada, Russland und Europa, die beispielsweise durch Waldbrände zerstört wurden. Aber auch große Aufforstungsprogramme in China leisten einen wichtigen Beitrag zu dieser Kohlenstoffsenke.

Finanziert wurde diese interessante Forschung von der Europäischen Kommission. Die Ergebnisse sind aktuell in den Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America (PNAS) nachzulesen.

Dieser Artikel erschien am 26.2.2019 in der Innovation Origins.

FLÜSSIGES ERDGAS ALS ANTRIEB IM TRANSPORTVERKEHR

Diese Woche verkündete die EU-Kommission demnächst neue CO2-Vorgaben für den Transportverkehr einführen zu wollen. So soll zukünftig der durchschnittliche Kohlendioxid-Ausstoß neuer Fahrzeuge von 2030 an um 30 Prozent niedriger liegen, als derzeitig der Fall. Bis 2025 sollte der Wert um 15 Prozent sinken. Zudem möchte Brüssel Anreize für den Einsatz emissionsfreier oder zumindest emissionsarmer Fahrzeuge schaffen. Um das umsetzen zu können, hieße es für alle Beteiligten einiges in die Wege zu leiten. Welche Rolle zur Reduktion von Treibhausgas-Emissionen der alternative Kraftstoff LNG im Straßengüterverkehr und in der maritimen Schifffahrt spielen könnte, untersucht eine Studie des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) sowie der TU Hamburg (TU HH), die in dieser Woche veröffentlicht wurde. Sie könnte Anhaltspunkte für die Umsetzung der angepeilten Pläne bieten. Denn die Wissenschaftler erforschten das Potenzial von flüssigem Erdgas bzw. LNG (Liquefied Natural Gas) als zukünftigen Antrieb für Lkw‘s und Schiffe. Demnach können im Jahr 2040 im europäischen Straßengüterfernverkehr bis zu 4,7 Millionen Tonnen und im weltweiten Schiffsverkehr etwa 132 Millionen Tonnen Treibhausgas-Emissionen per Jahr eingespart werden. Zwar ist auch der Einsatz von Erdgas nicht unumstritten, doch ist der Blick in die Studie durchaus interessant.

PRO-LNG-SZENARIO

Die Forscher entwickelten für ihre Studie ein Pro-LNG-Szenario. Dieses zeigt auf, wie sich der Kraftstoff LNG bei Seeschiffen (weltweit) und schweren Lkw (innerhalb Europa) bis zum Jahr 2040 im Gütertransportmarkt etablieren könnte. Die berechneten Einsparungen von Treibhausgas-Emissionen beziehen sich dabei auf die gesamte Produktionskette (Well-to-Wheel oder WtW). So berechneten die DLR-Wissenschaftler vom Institut für Verkehrsforschung, dass bis 2040 etwa 17 Prozent der schweren Lkw im europäischen Fernverkehr mit LNG angetrieben werden könnten. Die Forscher nahmen unter anderem an, dass der spezifische Kraftstoffbedarf eines neuen LNG-Lkw im Jahr 2040 infolge von Technologieentwicklungen noch um mehr als 30 Prozent effizienter werden könnte. Um die Emissionen weiter zu senken, könnte zudem das Erdgas Biomethan oder Methan, das aus erneuerbaren Energien gewonnen wird, beigemischt werden. Somit würden, wenn dem fossilen LNG zudem 30 Prozent erneuerbares LNG aus Biomasse oder Reststoffen beigemischt wird, im Szenariojahr 2040 insgesamt etwa 10 Millionen Tonnen Emissionen jährlich eingespart werden. „Neben den Anstrengungen zur Optimierung der Dieseltechnik müssen wir künftig auch einen Fokus auf die Nutzung von alternativen Antrieben und Kraftstoffen sowie erneuerbaren Energien legen. Nur so kann der Straßengüterverkehr dazu beitragen, Treibhausgas-Emissionen einzusparen“, so DLR-Projektleiter Andreas Lischke.

TECHNOLOGIEENTWICKLUNG ABGESCHLOSSEN

Lischke ergänzt: „Die Vorteile von LNG sind, dass die erforderliche Technologieentwicklung bereits abgeschlossen ist, heute schon Serien-Lkw angeboten werden und die notwendige LNG-Infrastruktur aufgebaut werden kann.“ Im Gegensatz zu Technologien wie Brennstoffzellen oder Elektromobilität könnten demnach Erfolge mit dem Einsatz von LNG im Straßengüterfernverkehr schneller und kostengünstiger erzielt werden. Einen weiteren Vorteil, so heißt es in einer Pressemitteilung, böten die leiseren Motoren. So ist es beispielsweise in den Niederlanden schon erlaubt, dass Lkw mit LNG-Antrieb auch nachts in bewohnten Gebieten Lieferfahrten durchführen dürfen.

INFRASTRUKTUR MUSS AUFGEBAUT WERDEN

„Obwohl bereits drei europäische Fahrzeughersteller LNG-Lkw anbieten und obwohl der Tankstellen-Bestand in einigen EU-Mitgliedsländern wächst, bedarf es weiterer Anstrengungen seitens Industrie und Politik, um die Verfügbarkeit von LNG so zu gestalten, dass es eine attraktive, flächendeckende Alternative für die Nutzer wird“, erläutert Lischke den aktuellen Stand. Derzeitige Spitzenreiter sind Spanien mit 37 LNG-Tankstellen, Italien mit 31 und Frankreich mit 27. In Deutschland bieten lediglich drei öffentliche Tankstellen flüssiges Erdgas an. Die EU-Rahmenrichtlinie gibt den Aufbau der Kraftstoffinfrastruktur für alternative Kraftstoffe bis 2025 vor. Zwei Initiativen haben den Aufbau von LNG-Tankstellen in Deutschland angekündigt.

LNG ALS KRAFTSTOFF FÜR SCHIFFE

Für die Schifffahrt zeigen die Ergebnisse der Studie den Einsatz von LNG-Motoren als eine zeitnahe Alternative zum Diesel-Motor auf. Das International Transport Forum (ITF)  ermittelte, dass die Schifffahrt im Jahre 2015 etwa 71 Prozent der globalen Güterverkehrsleistung erbrachte. Diese Transportleistung soll sich bis zum Jahr 2050 noch verdreifachen. Aufgrund ständig steigender Auflagen für die Luftschadstoffemissionen rücken deshalb alternative Kraftstoffe für Schiffe zunehmend in den Fokus.

Derzeit müssen die Abgase von Diesel-Motoren bei Schiffen nur in wenigen Meeresgebieten Schadstoffgrenzwerte erfüllen. So unterliegen auch deren Treibhausgas-Emissionen keiner Regulierung. Doch es wird an Veränderungen durch weitere Regulierungen gearbeitet. LNG als Schiffskraftstoff setzt bei der Verbrennung deutlich weniger Luftschadstoffe wie Stickstoffoxide und kaum Feinstaub-Partikel, aber auch weniger Treibhausgas-Emissionen frei. LNG kann sich im Schiffsverkehr unter entsprechenden Rahmenbedingungen vor allem bei Containerschiffen, Kreuzfahrtschiffen und Fähren sowie bei Tankern durchsetzen. Bis Ende des Jahres 2018 verkehrten weltweit 125 mit LNG angetriebene Seeschiffe sowie 230 große LNG-Transportschiffe. Bis Mitte der 2020er Jahre erwarten die Forscher einen LNG-Schiffsbestand von etwa 400 Schiffen. Im Szenariojahr 2040 halten sie etwa 6000 Schiffe für möglich.

HINTERGRUND

Über ein Viertel der Treibhausgas-Emissionen der EU im Verkehr werden durch schwere Lkw verursacht. Diese Bilanz konnte in den vergangenen Jahren kaum gesenkt werden. Die Schifffahrt verursacht aktuell etwa drei Prozent der weltweiten Treibhausgas-Emissionen. Auch sie muss umweltverträglicher werden, wenn die Klimaziele erreicht werden sollen. Dieselmotoren sind immer noch der Standardantrieb für Schiffe und Lkw. Als potenziell umweltfreundlichere Kraftstoffalternative gilt verflüssigtes Erdgas. In Zukunft könnte durch LNG im Schiffsverkehr sowie Straßengüterfernverkehr gesamt jährlich bis zu 136,7 Millionen Tonnen direkter Treibhausgas-Emissionen eingespart werden. Dies zeigen die Ergebnisse einer Studie zum Einsatz von LNG im Fernverkehr bei Lkw und Schiffen. Die Studie wurde im Auftrag von Shell in Zusammenarbeit mit dem DLR sowie der TU HH durchgeführt und gerade veröffentlicht. Die vollständige Studie ist hiernachzulesen.

Bild oben: Über ein Viertel der Treibhausgas-Emissionen der EU im Verkehr werden durch schwere Lkw verursacht © Pixabay

Dieser Artikel erschien am 24.2.2019 in der Innovation Origins.

EIERSCHALEN ALS ELEKTRODE FÜR ENERGIESPEICHER

Knapp 20 Milliarden Eier werden in Deutschland pro Jahr verbraucht. Und selbstverständlich möchte jeder das Gelbe vom Ei. Dabei bieten auch die Eierschalen ein durchaus interessantes Potenzial: Sie eignen sich als effektives, nachhaltiges Speichermaterial und somit zum Bau eines kostengünstigen sowie gleichzeitig guten Lithium-Ionen-Kondensators. Die Überlegung, Bioabfall sinnvoll weiterzuverwerten, ist ein spannendes Thema. Dazu Professor Maximilian Fichtner vom Helmholtz-Institut Ulm (HIU): „Es gibt überraschenderweise immer wieder neue Beispiele, in denen Naturstoffe gute bis sehr gute Voraussetzungen mitbringen, um daraus Materialien für elektrochemische Speicher herzustellen.“

ELEKTROCHEMISCHE EIGENSCHAFTEN

So bestehen Hühnereierschalen aus einem Verbundwerkstoff mit Calciumcarbonat (CaCO3) und einer proteinreichen Fasermembran. Sie bieten – dank des hohen Anteils an CaCO3 –, somit hervorragende elektrochemische Eigenschaften, mit denen sie Lithium gut speichern können. Zu diesem Ergebnis kommt ein internationales Team, zu dem auch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des HIU gehören. Die Forschenden verwendeten Eierschalenpulver als Elektrode gegen eine metallische Lithium-Anode in einem nichtwässrigen Elektrolyten. Bei über 1000 Lade- und Entladezyklen hielt die Testzelle eine Kapazität von 92 Prozent aufrecht.

HIU
Forschende charakterisieren die Morphologie des Eierschalenmaterials mithilfe eines Rasterelektronenmikroskops @Daniel Messling, HIU/KI

Für ihre Untersuchungen verwendeten die Forschenden sowohl die verkalkte Schale als auch die innere und äußere Schalenmembran. Hierfür wuschen, trockneten und zerkleinerten sie die Schalen zu einem Pulver und erhielten das leitfähige Material. Um die Leistungsfähigkeit des Materials zu verbessern und einen breiten Einsatz zu ermöglichen, sind nun weitere Forschungen und ein detailliertes Verständnis des elektrochemischen und physikalischen Verhaltens des Materials erforderlich, heißt es aus dem Forschungsteam.

KOSTENGÜNSTIG UND GUT

Bislang kommen Eierschalenabfälle in einer Reihe von Anwendungen zum Einsatz. Sie werden in der Biokeramik, in Kosmetika oder in der Farbstoffindustrie genutzt. Auch fungierte die proteinreiche, faserige Eierschalenmembran schon als Separator in Superkondensatoren. Nun wurden die Eierschalen weltweit erstmals als Elektrode verwendet. Neben den oben genannten Einsatzbereichen könnten sie also zukünftig als nachhaltiges Speichermaterial eingesetzt werden. Die Ergebnisse stellte die Forscher-Gruppe kürzlich in der Zeitschrift Dalton Transactions der Royal Society of Chemistry vor (DOI: 10.1039/c8dt03252a) vor.

HINTERGRUND

Als Forschungsuniversität in der Helmholtz-Gemeinschaft schafft und vermittelt das KIT Wissen für Gesellschaft und Umwelt. Ziel ist es, zu den globalen Herausforderungen maßgebliche Beiträge in den Feldern Energie, Mobilität und Information zu leisten. Dazu arbeiten rund 9300 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf einer breiten disziplinären Basis in Natur-, Ingenieur-, Wirtschafts- sowie Geistes- und Sozialwissenschaften zusammen. Seine 25100 Studierenden bereitet das KIT durch ein forschungsorientiertes universitäres Studium auf verantwortungsvolle Aufgaben in Gesellschaft, Wirtschaft und Wissenschaft vor. Die Innovationstätigkeit am KIT schlägt die Brücke zwischen Erkenntnis und Anwendung zum gesellschaftlichen Nutzen, wirtschaftlichen Wohlstand und Erhalt unserer natürlichen Lebensgrundlagen.

Bild oben: Eierschalen bestehen aus porösem Calciumcarbonat, das sich sehr gut für elektrochemische Speicher eignet @Manuel Balzer, KIT

Dieser Artikel erschien am 19.2.2019 in der Innovation Origins.

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Reisen, ABER NACHHALTIG – Geht das überhaupt?

Wir alle wissen: Autos, Flugzeuge und sogar die Bahn belasten die Umwelt. Sollten umweltbewusste Outdoorsportler deshalb besser daheimbleiben? Mitnichten! Einziger Appell: Augen auf bei der Reiseplanung.

Text: Almut Otto; Fotos: DAV Summit Club, DAV/Josef Essl, Friederike Kaiser, Almut Otto, Eike Otto, Burghard Rauschelbach, GIZ/BKK

Zu Hause bleiben? Sich selbst einschließen?“ Burghard Rauschelbach, Berater für Tourismus und Destinationsentwicklung, wirkt fast etwas entsetzt, als wir ihn nach einer nachhaltigen Alternative für das Reisen befragen: „Egal aus welchem Grund – das wäre schrecklich. Es ist für mich keine Frage: Reisen muss nachhaltig sein. Oder sagen wir es etwas konkreter: Umweltfreundlich, verantwortungsvoll gegenüber Natur, Umwelt und Menschen.“ Einen sehr großen Anteil in Bezug auf eine negative CO2-Bilanz kann beim Reisen die Anfahrt ausmachen. Deshalb gibt es für umweltbewusste Touristen eine Faustformel: Bei Reisen unter 700 Kilometern Entfernung ist es besser, auf ein Landtransportmittel umzusteigen. Bus oder Bahn sind dabei am umweltfreundlichsten. Wobei laut dem Tremod-Emission Model des Umweltbundesamtes die C02-Bilanz in einem mit vier Personen besetzten Auto durchaus vertretbar ist. Bei Flugreisen von 700 bis 2.000 Kilometern wird ein Mindestaufenthalt von acht Tagen und bei einer Flugreise über 2.000 Kilometer ein Aufenthalt vor Ort von mehr als 14 Tagen empfohlen.

Ingo Nicolay, Geschäftsführer des DAV Summit Clubs, zu der Frage, wie der Reisespezialist das Thema Nachhaltigkeit in die Praxis umsetzt: „Nachhaltigkeit ist nicht moralinsaurer Verzicht, sondern intelligentes Überdenken gewohnter, manchmal vielleicht auch lieb gewonnener Traditionen. Ein konkretes Beispiel: Beim ersten Blick gewinnt immer das Auto vor der Anreise mit der Bahn. Hier kommt unser Einsatz. Wir lenken und leiten Mobilität. So gibt es schon heute über 50 Kurse und Touren, die ich in vielen Fällen schneller, auf jeden Fall bequemer, mit der Bahn erreiche. Und unsere Kunden machen mit. Im Tierser Tal waren kürzlich von neun Kunden sieben mit der Bahn angereist. Und das ist erst ein Anfang.“

KLIMASPENDEN FÜR DIE UMWELT

Fliegen: Eine der umweltschädlichsten Arten zu reisen

Flugreisen stehen bei Umweltschützern besonders in der Kritik, denn hier wirken sich gleich mehrere Faktoren auf das Klima aus. Wen es trotzdem in die weite Ferne zieht, der kann zumindest durch eine Spende noch etwas für die Umwelt tun. Doch Vorsicht, nicht alle Angebote sind seriös. Bei Klimaspenden also am besten auf Aktionen nach dem CDM Gold Standard achten. Diese folgen den strengen Richtlinien des UNKlimasekretariats. Mitglieder des DAV Summit Clubs können auch pauschal ihren Mitgliederrabatt von 30,– Euro auf Reisen oder einen anderen freiwilligen Betrag für das My Climate Biogas Projekt in Nepal spenden. Das Schöne daran: Man weiß genau, wo das Geld eingesetzt wird.

Heliskiing

Zwar erstellt Burghard Rauschelbach, Berater für Tourismus und Destinationsentwicklung, keinen Freibrief für Heliskiing, doch zeigt seine Antwort in Bezug auf mögliche Infrastrukturen bis hin zum Heliskiing, das Dilemma, in dem sich Touristiker befinden: „Wer den Alpentourismus der letzten Jahrzehnte beobachtet, der stellt fest, dass die wilden, unberührten Gebiete nach Anzahl und Fläche rapide abgenommen haben. Wo braucht man als Bergsportler oder Wanderer eine weitere Erschließung? Das ist sehr sorgfältig abzuwägen. In den Alpen, aber auch in den Mittelgebirgen muss inzwischen der Grundsatz gelten: Kein Ausbau ohne Rückbau an anderer Stelle. Selbstverständlich muss man sich einschränken. ‚Einschränken’, das klingt nach Verlust. Es ist genau umgekehrt: Wir wissen, was eine neue Liftanlage oder ein Mountainbike-Trail bedeuten kann – nämlich Vernichtung ökologischer Funktionen, Verlust an Naturgenuss. Sie nennen Heliskiing, das ist sozusagen das Gegenteil von nachhaltigem Bergtourismus. Ich brauche wohl nicht zu erläutern, warum. Aber nun das kleine Gedankenspiel zur Destinationsentwicklung: Was ist schlechter, Heliskiing mit wenig Individualtouristen, zeitlich beschränkt und ohne bauliche Eingriffe oder: Skianlage mit Massentourismus und dauerhaften Veränderungen? Manchmal steht man als Planer vor solchen Fragestellungen.“

NACHHALTIGE ANGEBOTE MÜSSEN AUCH GEKAUFT WERDEN

Die Anforderungen an ein nachhaltiges Tourismusangebot sind sehr komplex. Alleinige Klimakompensation reicht da nicht. „Zunächst einmal muss das Produkt stimmen!“, erklärt Eike Otto, Berater Sustainable Tourism, „Nachhaltiger Tourismus funktioniert nur, wenn er auch gekauft wird.“ Ohne den Kunden gelingt Nachhaltigkeit also nicht. Erst wenn touristische Nachfrage generiert wird, kann Tourismus auch zum Schutz von Pflanzen, Tieren und deren Lebensräumen beitragen. Man bedenke, dass dabei das Thema Naturschutz von der touristischen Infrastruktur bis hin zur Speisekarte im Restaurant reicht. Doch auch Umweltschutz – darunter Luftreinhaltung, Abfallvermeidung, Wasserverbrauch und Abwasserklärung – ist in Bezug auf Nachhaltigkeit ein wichtiges Thema. Ebenso zeigt die lokale Wertschöpfung, also was vom Fremdenverkehr vor Ort bei der Bevölkerung an Einnahmen ankommt, ob Tourismus nachhaltig ist oder nicht. Dazu gehören nicht nur die Ausgaben der Urlauber, sondern Leistungen entlang der gesamten Wertschöpfungskette, durch die das touristische Produkt überhaupt erst möglich wird. Und neben den Einnahmen der touristischen Unternehmen kommt noch der indirekte Wertschöpfungseffekt, wie zum Beispiel Bäcker oder Apotheke, hinzu. Mittlerweile werden heute auch Arbeitsbedingungen und die Sicherheit am Arbeitsplatz als wichtige Kriterien für nachhaltigen Tourismus angesehen. Wer bei seiner Urlaubsreise in puncto Nachhaltigkeit auf Nummer sicher gehen möchte, der kann sich an einer Vielzahl von Gütesiegeln, wie zum Beispiel Green Globe oder Viabono, orientieren. Zertifizierte, nachhaltige touristische Angebote bieten neben dem Summit Club unter anderem die Alpine Pearls und das Forum Anders Reisen.

Eike Otto, Tourismusberater, sustainable-tourism.com, setzt – neben der Verantwortung des Reiseveranstalters, planerischen Aspekten etc. – auch auf die Macht des umweltbewussten Kunden vor Ort: „Die Regeln, die man von zu Hause kennt, sollte man auch anderswo und vor allem in fernen Ländern verinnerlichen, zum Beispiel Nutzung des vorgegebenen Wegenetzes, Einhaltung von Abständen zu Wildtieren, Lärmvermeidung usw. Wer nach dem Motto ‚was nicht verboten ist, ist erlaubt’ geht, handelt verantwortungslos. Ich erlebe aber immer wieder, dass viele Urlauber sensibler in puncto Nachhaltigkeit sind, als dies bei so mancher Destination der Fall ist. Daher empfehle ich, auch deutlich auf Missstände an seinem Urlaubsort aufmerksam zu machen. Nichts hat mehr Gewicht als die Meinung des Kunden!“

Dieser Artikel erschien in der Mountains4u 5/2014.

GRÜNE WOCHE BERLIN: ESSBARE EISLÖFFEL SIEGER DER STARTUP-DAYS

“Don’t waste it ‒ taste it!” ist das Motto des nachhaltigen Start-ups Spoontainable. Die Erfindung eines essbaren Eislöffels brachte drei Studentinnen aus Hohenheim den 1. Platz bei den „Startup-Days“ ein. Diese finden jährlich während der Internationalen Grünen Woche (18.-27.1.2019) in Berlin statt. Ziel der Preisverleihung ist, Gründer mit traditionellen Stakeholdern aus dem Lebensmittelhandel zu vernetzen. Insgesamt hatten sich 50 junge Unternehmen beworben. Von diesen kamen 20 in die Finalrunde. Über zwei Tage dauerte der jeweils fünfminütige Pitch im Professional Center, bis sich die sechsköpfige Jury aus Vertretern des Handels, Experten aus dem Lebensmittelbereich und der Start-up-Förderung für den Sieger Spoontainable entschied. Der 2. Platz ging übrigens an Hans Brainfood. Das bayerische Unternehmen produziert Riegel, die ausschließlich aus geschälten Hanfsamen und Honig bestehen. Den 3. Platz ergatterte De Caña Panela Naturzucker, ein 100 Prozent biologischer Zucker aus dem Hochland Kolumbiens.

LÖFFELKEKSE SOLLEN PLASTIKFLUT VERRINGERN

Start-up Spoontainable
Die essbaren Eislöffel aus Kakaoschalenfasern halten etwa eine Stunde im Eis bevor sie ihre Form verlieren ©Spoontainable

Spoontainable wurde 2018 von den Studentinnen Amelie Vermeer, Julia Piechotta und Anja Wildermuth gegründet. Die Idee dazu entstand, nachdem den drei umweltbewussten Eisfans bewusst wurde: Plastikeislöffel landen nach nur einmaligem Gebrauch direkt im Müll. Hochgerechnet bedeutet das für Deutschland derzeit etwa eine Menge von 360 Millionen unnötigem Plastiklöffel-Müll per Jahr. Den Studentinnen war klar: das können und müssen sie ändern. Die Jung-Unternehmerinnen wollten ihre interdisziplinären Kompetenzen nutzen, um zumindest im Sommer die Plastikflut etwas eindämmen zu können. So fingen sie an, einen essbaren Eislöffel zu kreieren. Während Vermeer und Piechotta ihr Know-how aus dem Management-Studium einbrachten, ergänzte Wildermuth das Team als Studentin der Ernährungswissenschaften und Diätetik.

EINZIGARTIGE REZEPTUR

Ihre Freude an Rezepturen und die Überzeugung, unternehmerisch ein nachhaltiges Zeichen setzen zu können, ließ das Team erfinderisch werden. Die Studentinnen entwickelten über ein Jahr an ihrer  außergewöhnlichen Rezeptur, deren Hauptbestandteil die Kakaoschalenfaser ist. Der essbare Naturstoff bringt Farbe, Geschmack und Konsistenz in den Löffel. Zudem ergänzt er das Mehl für den späteren Keks. Nach der Entwicklung von zehn Prototypen und dem Test verschiedener Geschmacksrichtungen wie Zimt, Zitrone und Vanille, entschied sich das studentische Power-Team zunächst nur mit dem Schokoladenlöffel auf den Markt zu kommen. Dank seiner einzigartigen Konsistenz hält der schmackhafte Keks-Löffel bis zu einer Stunde im Eis, bevor er die Form verliert. Die essbaren Eislöffel sind übrigens vegan, zuckerfrei, reich an Ballaststoffen und ‒ ob mit oder ohne Verzehr ‒ natürlich nachhaltig.

MARKTREIFE IM APRIL

Mittlerweile hat das Hohenheimer Start-up ein Patent auf die Rezeptur angemeldet. Auch ist der Kontakt zu einem internationalen Vertriebspartner hergestellt. Dieser unterstützt das Eislöffel-Team mit seinem Know-how aus dem Feingebäck, der Produktoptimierung und der veganen Zubereitung. Ein ostdeutscher Produzent sowie ein Investor sind auch schon gefunden. Nun sind die jungen Unternehmerinnen auf der Suche nach B2B-Kunden sowie weiteren Kontakten. Pünktlich zum Start der Eisdielenzeit, also ab April, sollen die ersten Spoontainables auf dem Markt erhältlich sein.

Die Studentinnen lernten sich übrigens über Enactus Hohenheim kennen. Das international organisierte Netzwerk Enactus hat sich zum Ziel gesetzt, die Welt im Kleinen durch unternehmerische Projekte zu verbessern. Möge es für die Eislöffel gelingen.

Bild oben: Mit den schmackhaften Löffeln von Spoontainables wird Eisessen sogar nachhaltig ©Spoontainable

Dieser Artikel erschien am 30.1.2019 in der Innovation Origins.

STATT CHEMIE: BIOLOGISCHER PFLANZENSCHUTZ FÜR MEERESALGEN

Algen sind gesund – zumindest in Maßen. Und dank ihrer vielfältigen Eigenschaften werden sie manchmal sogar als Rohstoff des 21. Jahrhunderts bezeichnet. Immerhin stammt jedes zweite Sauerstoffmolekül das wir zum Atmen brauchen aus der Photosynthese der Algen. Algen könnten also als Klimaretter dienen. Außerdem wird über ihre Nutzungsmöglichkeiten als Energiequelle sowie Kläranlage geforscht. Zuguterletzt werden Algen in der Medizin, Kosmetikindustrie sowie als Nahrungsergänzungsmittel eingesetzt. Grund genug also, die Algenzucht weltweit zu intensivieren – aber auch über sie zu forschen.

ANBAU VON MONOKULTUREN BIRGT RISIKO

Ähnlich wie Landpflanzen sind auch Meeresalgen anfällig für Krankheiten und Parasiten. Somit birgt der Anbau von Pflanzen in Monokulturen ein erhöhtes Risiko. Allein durch diverse Aufwuchsorganismen – beispielsweise Seepocken oder epiphytische Algen – ist der Seetang bedroht. Denn diese besiedeln die Oberflächen der Tange, vermindern dadurch ihr Wachstum und somit ihren Marktwert. So hat die jüngste Intensivierung des Algenanbaus in größeren Monokulturen schon zu einigen katastrophalen Krankheitsausbrüchen und hohen wirtschaftlichen Verlusten geführt. Um die Algen zu schützen müssen also wirksame Gegenmaßnahmen entwickelt werden.

Doch die Anwendung von Bioziden, wie in der Landwirtschaft üblich, ist für Algenkulturen kaum geeignet. Denn die Wirkstoffe werden zu schnell durch Wellen und Strömungen im Meer verdünnt. Das macht den Einsatz solch giftiger Verbindungen einerseits unwirtschaftlich, zugleich gefährdet er die Küstenumwelt.

AKTIVIERUNG DER NATÜRLICHEN EIGENABWEHR

Wissenschaftlern des GEOMAR Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel in Kooperation mit ihren Kollegen von der Ocean University of China in Qingdao gelang es nun erstmals, den Seetang ohne Chemie wirksam vor bestimmten Krankheitserregern zu schützen. Geforscht wurde an der Saccharina-Aquakultur: Und zwar in China – das übrigens traditionell als größter Produzent von Lebensmittelalgen gilt –, an den Braunalgen der Art „Saccharina japonica“. In Deutschland untersuchten die Forscher den in Europa heimischen Zuckertang „Saccharina latissima“.

Algenanbau
Algenernte auf einer Algenfarm in Rongcheng (China) © Florian Weinberger/GEOMAR

Die deutsch-chinesischen Wissenschaftler testeten dabei in Feldversuchen auf kommerziellen Algenfarmen die gezielte Aktivierung der natürlichen Eigenabwehr von Seetang. Hierfür behandelten sie die Algen in verschiedenen Zeitintervallen mit einem speziellen Saccharid (Oligoalginat), das einen Hauptbestandteil der Trockenmasse von Saccharina und verwandter Algen bildet. Unter natürlichen Bedingungen wird dieses ungiftige Saccharid bei Angriffen von Krankheitserregern aus dem befallenen Algengewebe freigesetzt und dann von benachbarten, gesunden Algenzellen mit großer Empfindlichkeit erkannt. Diese Erkennung löst dann sofort – innerhalb von Minuten – Abwehrreaktionen aus.

Die Forscherteams simulierten durch wöchentliche Kurzzeit-Behandlungen der Algen mit Seewasser, welches künstlich gewonnenes Oligoalginat enthielt, Angriffe von Krankheitserregern. Sowohl bei der deutschen als auch bei der chinesischen Algenart konnten sie positive Effekte erzielen. Ihr Ergebnis: Der Verlust von Algenkeimlingen war messbar geringer, der Befall erntereifer Saccharina mit parasitischen Mikroalgen ging deutlich zurück und auch die Dichte von Bakterien auf der Algenoberfläche war reduziert.

ZUNAHME VON AUFWUCHSORGANISMEN ALS UNERWÜNSCHTER NEBENEFFEKT

Doch kam es gleichzeitig zu einer Zunahme des Befalls der Algen mit Seepocken und anderen Aufwuchsorganismen. Wie der Leiter des Projektes, Dr. Florian Weinberger vom GEOMAR, erklärte, steht dieser unerwünschte Nebeneffekt wahrscheinlich direkt mit der Reduktion des bakteriellen Bewuchses auf der Algenoberfläche in Zusammenhang: Die Besiedlung von Algen und anderen lebenden und nichtlebenden Oberflächen im Meer durch Aufwuchsorganismen wird maßgeblich durch Bakterien beeinflusst, von denen einige Abwehrstoffe gegen Larven und Algensporen produzieren. „Wenn es uns eines Tages, gelingt Signalstoffe zu finden, die selektivere Abwehrreaktionen in den Algen auslösen, so dass nicht alle, sondern nur die unerwünschten Mikroorganismen eliminiert werden, kann die Methode noch deutlich hilfreicher sein. Aber schon heute lässt sie es zu, Verluste von Keimlingen zu reduzieren. Bei diesen spielt Aufwuchs nämlich noch keine Rolle,“ so Dr. Weinberger.

Die Studie wurde vom deutschen Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert und mit den Partnerunternehmen Coastal Research and Management in Kiel und Weihai Changqing Ocean Science & Technology Co. Ltd. in Rongcheng durchgeführt. Die Ergebnisse der Studie, die übrigens vom GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel koordiniert wurde, sind jetzt in der internationalen Fachzeitschrift Journal of Applied Phycology erschienen.

Foto oben: Algenfarm in Rongcheng (China) © Florian Weinberger/GEOMAR

Dieser Artikel erschien am 10.2.2019 in der Innovation Origins.

BIOBASIERTES POLYESTER ERSTMALS EFFIZIENT IN DER HERSTELLUNG

Polyester ist aus unserem Leben nicht mehr wegzudenken. Ob technische Textilien, PET-Flaschen oder Lacke – überall wird der praktische Kunststoff eingesetzt. Bisher wurde er aus dem nicht erneuerbaren und wenig nachhaltigen Rohstoff Erdöl erzeugt. Langfristig sollte aber bei der Gewinnung der Polymere der Umwelt zuliebe umgedacht werden. Die schon bekannte Alternative ist die Herstellung aus nachwachsenden Materialien, den Pflanzenölen. Doch diese bringen Eigenschaften mit, die eine Umwandlung in Polyester erschweren.

Nun scheint eine Lösung des Problems in Sicht: Prof. Dr. Stefan Mecking stellte im Dezember 2018 zusammen mit seinem Mitarbeiter Dr. Ye Liu, Erstautor untenstehender Studie, einen Weg vor, wie aus Rizinusöl ohne Verluste und möglichst effektiv Polyester gewonnen werden kann.

VERLUSTFREIES VERKNÜPFEN ZU LANGKETTIGEM KUNSTSTOFFMOLEKÜL

Basis ist das aus Rizinusöl chemisch etablierte Molekül Undecenol. Dieses besitzt an einem Ende eine Alkoholgruppe und am anderen Ende eine Doppelbindung. „Beim Baustein Undecenol stehen wir vor dem Problem, dass er zu einem anderen kleinen Molekül, einem Aldehyd reagiert. Passiert dies, wird es nicht in die Kette eingebaut und geht verloren“, fasst Mecking den Kern und zugleich den Erfolg seiner Arbeit zusammen.

Deshalb hatten sich die Chemiker zum Ziel gesetzt, die Molekülgruppen sozusagen „in einem Schuss“ zu einem langkettigen Kunststoffmolekül zu verknüpfen. Denn erst so zeigt das Material die gewünschten Eigenschaften.

CARBONYLIERUNG ALS KATALYSATOR-KONZEPT

Die größte Herausforderung war also die Verwendung der geeigneten Katalysatoren. Denn nur diese garantieren, dass die Reaktion effektiv und ohne jede Abweichung verläuft. Mit dem Einsatz der sogenannten Carbonylierung – dem Einfügen von Kohlenstoffgruppen – als katalytische Reaktion ist es schließlich gelungen, den Verlust des Moleküls zu verhindern und Polyester effektiv herzustellen.

Zudem arbeiteten die Chemiker bei der Entwicklung der Katalysatoren konzeptionelle Schritte zur Einstellung des Schmelzpunktes der Produkte heraus. So kann, rein theoretisch, das an der Uni Konstanz entwickelte Katalyse-Konzept auch auf andere nachwachsende Rohstoffe, die möglicherweise noch besser verfügbar sind als Rizinusöl, übertragen werden.

Die Originalstudie über die Erzeugung von Polyester aus Rizinusöl wurde in der Zeitschrift „Angewandte Chemie“ veröffentlicht („Synthetic Polyester from Plant Oil Feedstock by Functionializing Polymerization“, Ye Liu, Stefan Mecking. DOI: 10.1002/anie.201810914 and 10.1002/ange.201810914) .

Bild oben: Rizinusöl wird aus den Rizinus-Samen hergestellt ©Pixabay

Dieser Artikel erschien am 6.2.2019 in der Innovation Origins.

Spurensuche: Reduktion des CO2-Fußabdrucks

Keine Frage: Im gesamten Herstellungs- und Vertriebsprozess von Produkten wird Kohlenstoffdioxid ausgestoßen. Doch wie schaffen es umweltbewusste Outdoorartikler, trotzdem CO₂-neutral zu wirtschaften? Ein Blick hinter die Kulissen.

„Als Erstes wird eine vollständige CO₂-Bilanz erstellt. Das Ergebnis  zeigt konkret, in welchen Bereichen die meisten Emissionen  anfallen“, erklärt Stefan Baumeister, Geschäftsführer der Myclimate gGmbH in Deutschland, „so lassen sich Potenziale erkennen, wo Emissionen vermieden bzw. reduziert werden können. Alle nicht vermeidbaren CO₂-Emissionen werden dann über hochwertige  Klimaschutzprojekte ausgeglichen.“ Die Schweizer Klimaschutzorganisation myclimate unterstützt auf internationaler Ebene Unternehmen bei ihren freiwilligen Klimaschutzmaßnahmen und vergibt ein entsprechendes Gütesiegel, den Gold Standard. Natürlich kann niemand komplett ohne CO₂-Emissionen agieren,  sonst müsste er sein Unternehmen schließen.

Für ein sauberes Klima: Es gibt nichts schöneres als frisches Wasser und klare Luft. Foto: Almut Otto

Einsparmaßnahmen: Von Emissionen bis hin zu Kosten

Vorteilhaft an der CO₂-Bilanzierung ist: Mit den richtigen Maßnahmen können nicht nur Emissionen, sondern auch Kosten eingespart werden. Wobei es je nach Branche unterschiedliche Hebelpunkte gibt. Während Dienstleister vor allem bei der  Reisetätigkeit Emissionen einsparen können, sollten Hersteller vor allem Energieversorgung und -verbrauch genau unter die Lupe nehmen.

Ein ganz wichtiger Faktor ist aber auch der Mensch. In den meisten klimabewussten Unternehmen werden die Mitarbeiter zu  Verhaltensänderungen aufgerufen. Neben Papier- und Stromsparen wird die Alternative Fahrrad fahren statt Autonutzung belohnt. Doch, wenn es sich schon nicht vermeiden lässt, kann man auch beim Autofahren, zumindest ein bisschen, klimafreundlicher sein. So  bilden Mitarbeiter der Oberalp-Gruppe bei offiziellen Terminen
wie Messen und Veranstaltungen Fahrgemeinschaften.
Und bei Deuter nehmen alle Kollegen mit Firmenwagen nicht nur an sicherheitsrelevanten, sondern auch umweltbewussten Fahrtrainings teil. Das Thema Klimaschutz ist in einigen europäischen Headquartern der Outdoorindustrie
mittlerweile angekommen.
„Wir konnten im Neubau unserer Firmenzentrale dank
Geothermie mit Wärmepumpe den CO₂-Ausstoß für unsere
Heizung im ersten Halbjahr 2013 um über 90 Prozent
senken,“ erklärt Katrin Bauer, CR-Verantwortliche bei
Deuter, „viel schwieriger ist es aber, den Kohlenstoffdioxidausstoß
in der gesamten Lieferkette sowie weitere
Umweltschutzmaßnahmen in Produktionsstätten in Asien
zu verwirklichen.“

Allein der Fußabdruck eines Wanderschuhs kann bis zu 35.000 Km bei der Produktion ausmachen. Bleibt zu hoffen, dass er lange genutzt wird. Foto: Almut Otto

Nicht nur das! Bedenkt man, dass zum Beispiel ein in Fernost produzierter Schuh an die 35.000 Kilometer zurücklegt, bevor er in den Laden kommt, werden die Dimensionen deutlich. Vor allem, wenn Schuhe, die in Unternehmensnähe produziert werden, wie zum Beispiel bei dem italienischen Hersteller Aku, im Vergleich dazu nur 8.000 Kilometer zurücklegen. Trotzdem bleibt ein CO₂-Fußabdruck vorhanden, der zum Beispiel durch Emissionszahlungen ausgeglichen werden kann. Vorbildlich ist hier der Pflegemittelhersteller Nikwax. Das britische Unternehmen spendet die errechnete Ausgleichssumme noch einmal obendrauf und hat sogar auch rückwirkend für die Zeit vor der Fußabdruckdebatte Emissionszahlungen geleistet.

Jeder kann und sollte etwas gegen den Klimawandel tun. Foto: Almut Otto

Bei aller Euphorie: Sinnvoll wird die Klimaneutralität dann,
wenn wir es ganzheitlich schaffen, neben dem CO₂-Ausstoß
auch andere Umweltbelastungen wie Lärm, Abwasser
etc. merklich zu reduzieren.

Hintergrund 

CO₂-FUSSABDRUCK
CO₂ ist die chemische Formel für Kohlenstoffdioxid. Es ist einfarbloses, geruchloses und nicht brennbares Gas. CO₂ entsteht bei natürlichen Prozessen, wie der Atmung, aber auch bei der Verbrennung von kohlenstoffhaltigen Substanzen. Das zu den Treibhausgasen zählende Kohlenstoffdioxid wird zum Beispiel durch die Photosynthese wieder verbraucht. Aufgrund des menschlichen Einflusses gibt es aber eine bedenklich hohe, zunehmende Konzentration von Kohlenstoffdioxid plus weiterer Gase, die bei der CO₂-Bilanz berücksichtigt werden, in der Atmosphäre. Diese führt zur Erwärmung des Erdklimas, was wiederum unser Ökosystem erheblich ins Ungleichgewicht bringt.
Übrigens gibt es neben der CO₂-Bilanz auch eine Ökobilanz. Diese berücksichtigt neben den Treibhausgasen weitere relevante Umweltwirkungen wie Überdüngung von Gewässern, das Ozonabbaupotenzial (Ozonloch) oder das Feinstaubbildungspotenzial.

GOLD STANDARD
Es gibt viele Möglichkeiten der CO₂-Kompensation und Zertifizierung. Als besonders streng gilt der Gold Standard. Hier werden neben der Emissionsreduktion auch weitere ökologische wie auch soziale Nachhaltigkeitskriterien berücksichtigt. Das unabhängige Gütesiegel basiert auf bestehenden WWF-Standards und unterstützt nur hochwertige Klimaschutzprojekte in Entwicklungsländern.

CO₂-AUSSTOSS IM PRIVATHAUSHALT
Auch Privatpersonen können ihren CO₂-Ausstoß reduzieren. 1,5 Tonnen CO₂ pro Mensch und Jahr gelten als klimafreundlich, um langfristig die Erwärmung von zwei Grad aufzuhalten. Doch laut Germanwatch setzt jeder Bundesbürger circa 9,3 Tonnen reine CO₂-Emissionen frei. Grund genug, im Kleinen anzufangen.
Wer was tun möchte, sollte zunächst – wie Unternehmen auch – eine Klimabilanz erstellen. Erst dann weiß man, mit welcher Maßnahme effektiv eingespart wird. Das kann unter anderem das Einkaufsverhalten (regionale Lebensmittel, langlebige Produkte), der Strom- und Heizungsverbrauch (Standby-Modus ausschalten, Licht ausmachen, bewusste Stoßlüftung, Ökostrom nutzen), Mobilität (Fahrrad fahren, umweltfreundliche Verkehrsmittel, Fahrgemeinschaften, umweltfreundliche Fahrweise), der Umgang
mit Wasser (Duschen statt Baden, nur volle Maschinen waschen) und nicht zuletzt auch die eigene Emissionsausgleichs-Zahlung sein. Weitere Tipps gibt es bei CO₂-online. Den privaten Klimarechner bietet zum Beispiel das Bayerische Landesamt für Umwelt an.

WEITERE INFORMATIONEN:
Atmosfair
Bayerisches Landesamt für Umwelt
CO2 online
Germanwatch
myclimate
Prima Klima Weltweit
Umweltbundesamt

Dieser Artikel erschien in der mountains4u 1/2014.

Text & Bild: Almut Otto